Einheitlicher Abwicklungsmechanismus

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass insbesondere systemrelevante und grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute mit finanziellen Schwierigkeiten nicht in Insolvenz geschickt werden können, ohne dabei möglicherweise die Stabilität des Finanzmarktes zu gefährden. Bisher fehlten Regeln und Instrumente für einen geordneten Marktaustritt von Banken („Abwicklung“) und es wäre im Fall der Insolvenz einer systemrelevanten Bank kaum möglich gewesen, bestimmte volkswirtschaftlich notwendige Bankdienstleistungen, wie z. B. Zahlungsverkehr und Kreditvergabe (sogenannte „kritische Funktionen“), weiterhin aufrechtzuerhalten. Daher mussten diese Banken mit dem Einsatz öffentlicher Mittel gerettet werden. Mit einem neuen System für die Bankenabwicklung soll nun sichergestellt werden, dass im Fall des Zusammenbruchs einer systemrelevanten Bank die Eigentümer und Gläubiger für die Kosten haften und kein Steuergeld herangezogen werden muss.

Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) ist eine notwendige Ergänzung zur gemeinsamen europäisierten Aufsichtsverantwortung im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM). Erst dadurch wird die Übertragung der Verantwortung für geordnete Abwicklungen auf die europäische Ebene ermöglicht und ein Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Haftung hergestellt. Das Konzept des einheitlichen europäischen Abwicklungsregimes basiert auf zwei Gesetzgebungsakten, die darauf abzielen, die Abwicklungsprozesse zu harmonisieren und effizienter zu gestalten:

  • Verordnung zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM-VO)
  • Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD), umgesetzt durch das Bundesgesetz für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG)

Institutionell baut der SRM auf dem Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, SRB) und dem Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) auf.

Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung

Der Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, SRB) ist eine neue EU-Agentur mit eigener Rechtspersönlichkeit und unabhängigem Budget mit Sitz in Brüssel. Das Plenum des Ausschusses besteht aus einer/einem Vorsitzenden und dessen Stellvertretung, vier hauptamtlichen Mitgliedern und Delegierten der jeweiligen nationalen Abwicklungsbehörden. Die EZB und die Europäische Kommission haben Beobachterstatus.

Das SRB hat bereits 2015 seine Tätigkeit in Zusammenhang mit der Vorbereitung zur Abwicklungsplanung, Informationsbeschaffung und Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden aufgenommen. Seit 1. Jänner 2016 übt der SRB seine Aufgaben in Zusammenhang mit der Abwicklungsplanung (einschließlich Beurteilung und Herstellung der Abwicklungsfähigkeit) sowie der konkreten Abwicklung von Kreditinstituten, die von einem Ausfall betroffen oder bedroht sind, vollumfänglich aus. 2017 wurde erstmals ein signifikantes Institut im Zuständigkeitsbereich des SRB abgewickelt.

Am Entscheidungsprozess des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sind neben dem Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung auch die EZB als zuständige Aufsichtsinstanz sowie die Europäische Kommission beteiligt, die das Abwicklungskonzept billigen oder ablehnen bzw. Einwände erheben kann. In bestimmten Fällen ist darüber hinaus noch der Europäische Rat einzubinden, der ebenfalls das Konzept billigen oder ablehnen kann.

Wie beim SSM kommt es auch innerhalb des SRM zu einer Arbeitsteilung zwischen dem SRB und den nationalen Abwicklungsbehörden. Die nationale Abwicklungsbehörde in Österreich ist die FMA. Der SRB ist für jene Banken zuständig, die entweder direkt von der EZB beaufsichtigt werden (Significant Institutions, SI), darüber hinaus grenzüberschreitend tätig sind oder Mittel aus dem SRF beanspruchen. Für alle anderen Institute sind hingegen die jeweiligen nationalen Abwicklungsbehörden zuständig.

Der Ausschuss arbeitet bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eng mit den nationalen Abwicklungsbehörden zusammen.

Einheitlicher Abwicklungsfonds

Der Einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) ist neben dem Ausschuss für die Einheitliche Abwicklung die zweite Komponente, die durch den SRM geschaffen wurde. Er bildet das finanzielle Fundament des Abwicklungsmechanismus. Der SRF ist in Eigentum und unter Verwaltung des SRB. Der SRF ist seit 1. Jänner 2016 durch finanzielle Beiträge der Banken zu speisen. Die individuelle Beitragshöhe bemisst sich auf Basis der Größe und des Risikoprofils der jeweiligen Bank. Bis 2024 soll die Zielausstattung von 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreicht werden. Der Fonds wird bis dahin mit voraussichtlich EUR 55 Mrd dotiert sein.

Rechtliche europäische Grundlagen der Bankenabwicklung

Die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Banking Recovery and Resolution Directive, BRRD) stellt den Rechtsrahmen für das Krisenmanagement im Finanzsektor dar. Sie schafft europaweit einheitliche Regeln für die Abwicklung von Banken und umfasst drei Eckpunkte:

  1. Vorbeugung,
  2. frühzeitiges Eingreifen durch die Aufsichtsbehörden (Frühintervention),
  3. Abwicklung von Banken.

Maßnahmen im Bereich der Vorbeugung und dem frühzeitigen Eingreifen werden durch die Aufsichtsbehörden gesetzt. Kann dadurch ein Marktaustritt des betroffenen Institutes nicht verhindert werden übernimmt die Abwicklungsbehörde die weitere Vorgehensweise.

Die BRRD wurde in Österreich durch das Bundesgesetz für die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) umgesetzt.

Vorbeugung

Im Rahmen der Vorbeugung haben Banken präventiv Sanierungspläne auszuarbeiten und darzustellen, welche Maßnahmen sie bei einer Verschlechterung der finanziellen Lage zu ergreifen beabsichtigen. Diese Pläne sind von der zuständigen Aufsichtsbehörde zu prüfen und zu bewerten. Parallel dazu haben die Abwicklungsbehörden (in Österreich: Finanzmarktaufsicht, FMA) in den von ihnen zu erstellenden Abwicklungsplänen darzulegen, wie eine geordnete Abwicklung oder Restrukturierung des Instituts erfolgen kann. Sollten in den Abwicklungsplänen mögliche Hindernisse festgestellt werden, wird die Bank beauftragt entsprechende Maßnahmen zu treffen (u. a. Änderung der rechtlichen oder operativen Struktur, Veräußerung bestimmter Vermögenswerte, Einschränkung bestimmter Tätigkeiten).

Frühzeitiges Eingreifen

Zudem sind die Aufsichtsbehörden mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet und können nicht nur bei einem Gesetzesverstoß, sondern bereits bei einem voraussichtlichen Verstoß („likely breach“) frühzeitig eingreifen. Sie können u. a. anordnen, dass zusätzliches Eigenkapital zu halten ist und Maßnahmen und Regelungen aus dem Sanierungsplan umzusetzen sind.

Abwicklung

Greifen die ersten beiden Maßnahmenbündel – Vorbeugung und frühzeitiges Eingreifen – nicht, kann es zu einer Abwicklung anstelle eines regulären Insolvenzverfahrens kommen. Voraussetzungen dafür sind, dass eine Bestandsgefährdung besteht, es keine private Lösung gibt und ein öffentliches Interesse vorliegt. Können diese Voraussetzungen für eine Abwicklung nicht erfüllt werden, so hat der Marktaustritt im Wege des herkömmlichen Insolvenzverfahrens zu erfolgen.

Im Rahmen der Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken stehen den Abwicklungsbehörden bestimmte Abwicklungsinstrumente zur Verfügung. Kernstück des Systems ist das „bail-in“-Instrument, das die Verlusttragung durch die Eigentümer und Gläubiger der Bank ermöglicht. Ausgenommen vom „bail-in“ sind insbesondere durch Einlagensicherungssysteme geschützte Einlagen, besicherte Verbindlichkeiten und Verbindlichkeiten gegenüber Beschäftigten.

Darüber hinaus werden den Abwicklungsbehörden weitere Instrumente bzw. Befugnisse eingeräumt:

  • Recht auf Unternehmensveräußerung.
  • Recht, Vermögenswerte auf ein Brückeninstitut zu übertragen (das Brückeninstitut benötigt eine Bankkonzession).
  • Recht zur Übertragung von Vermögenswerten auf eine Zweckgesellschaft (Bad Bank).

Nationale Umsetzung in Österreich

Mit der Umsetzung der BRRD durch das Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BaSAG) in österreichisches Recht wurde ein nationaler Rechtsrahmen für den Umgang mit Banken in Schieflage geschaffen. Das BaSAG trifft Regelungen für folgende drei Themenbereiche und Phasen:

  1. die verpflichtende Erstellung von Sanierungsplänen durch die Banken und die Erstellung von Abwicklungsplänen durch die Abwicklungsbehörde samt Befugnissen zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen (Vorbeugung);
  2. die Möglichkeit für die Aufsichtsbehörden, frühzeitig einzugreifen und damit verbundene zusätzliche Eingriffsbefugnisse (Frühintervention); sowie
  3. die Einrichtung einer nationalen Abwicklungsbehörde und den ihr zur Verfügung stehenden Befugnissen und Abwicklungsinstrumenten (Abwicklung).

Das BaSAG soll einen geordneten Marktaustritt von Banken ohne signifikante negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität gewährleisten, bei gleichzeitigem Schutz der Einlagen von Kundinnen und Kunden sowie möglichst geringem Einsatz öffentlicher Mittel. Die Verpflichtung zur Erstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie Frühinterventionsbefugnisse der Finanzmarktaufsicht (FMA) hatte der österreichische Gesetzgeber bereits teilweise vorweggenommen und im Bankeninterventions- und -restrukturierungsgesetz (BIRG) bzw. im Bankwesengesetz (BWG) berücksichtigt. Diese Bestimmungen wurden an die Vorgaben der Richtlinie (BRRD) angepasst und in das BaSAG integriert.

Mit der Umsetzung der BRRD durch das BaSAG in österreichisches Recht wurde ein nationaler Rechtsrahmen für den Umgang mit Banken in Schieflage geschaffen. Die Bestimmungen zu Sanierungsplänen und Frühintervention richten sich an die Aufsichtsbehörden, jene zu Abwicklung an die Abwicklungsbehörde. Gemäß BaSAG ist die Finanzmarktaufsicht (FMA) die zuständige Abwicklungsbehörde und arbeitet in Anlehnung zum dualen Aufsichtssystem bei spezifischen Fragestellungen mit der OeNB zusammen.