Alter Wein in neuen Schläuchen

Nationalbank ordnet ihr Publikationsportfolio neu

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat ihr Publikationsangebot neu strukturiert. Erfahren Sie im Gespräch mit Birgit Niessner, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft, mehr über die Hintergründe und Motive für den Erneuerungsprozess und wo in Zukunft welche Informationen der OeNB zu finden sind.

Frau Niessner, Sie sind seit zwei Jahren Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft. Im ersten Jahr haben Sie die Organisationseinheiten Ihres Bereichs neu geformt und nun sehen wir, dass im zweiten Jahr eine Neuordnung des OeNB-Publikationsportfolios folgte. Zwei Schritte auf einem Weg? Wo soll’s hingehen?

Birgit Niessner: Als ich im Herbst 2021 die Hauptabteilung Volkswirtschaft übernahm, fand ich ein exzellentes Team aus großartigen Expert:innen vor. Durch eine Neuorganisation der Abteilungsstruktur schufen wir mehr Flexibilität und dadurch die Möglichkeit, mit der fachlichen Qualität einer Notenbank auf die immer kleinteiligeren Anforderungen einer globalisierten und zunehmend krisenhafteren Welt entsprechend rasch reagieren zu können. Dass dieser Schritt in der Arbeitsweise auch einen Folgeschritt in der Vermittlung unserer fachlichen Expertise nach sich ziehen würde, war klar. Es gab im Haus die Bereitschaft und den Willen, Neues zu machen und gemeinsam bessere, attraktivere Publikationsformen zu entwickeln. Wir wollten eine Innovation.

Neue Besen kehren gut?

Nein, wenn wir schon eine Redewendung bemühen wollen, dann halte ich „alter Wein in neuen Schläuchen“ für passender! Die inhaltliche Expertise der OeNB war immer schon ausgezeichnet, da brauchte es keine Erneuerung. Aber die Publikationen, in denen wir unser Wissen vermitteln, waren strukturell in die Jahre gekommen, das „Ownership“ passte nicht mehr. Es ging uns um eine neue Perspektive – was will die Zielgruppe? Für wen publizieren wir und in welchem „Outlet“? Und entsprechend soll dann auch die Sprache, die Länge und das Komplexitätsniveau angepasst werden.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Wir haben im neuen Publikationsportfolio drei Bereiche definiert, die sich in gewisser Weise aufbauend ergänzen. Am kurzfristigen Ende sehen wir den OeNB-Blog angesiedelt, in dem kondensierte Texte mit einer klaren Message zu OeNB-Themen mit hohem Aktualitätsgrad und für eine breite Zielgruppe verständlich aufbereitet werden. Auf der nächsten Ebene im Bereich „OeNB-Reports“ finden sich sogenannte „Berichte aus der Werkstatt“ mit OeNB-Daten, also z. B. Prognosen und Surveys. Dieser Bereich spiegelt auch das Mandat der OeNB wider und richtet sich an die interessierte Öffentlichkeit. Der dritte neue Bereich, das OeNB-Bulletin, umfasst mit einem stärkeren Autor:innen-Bezug Studien zu wirtschaftspolitisch relevanten Themen und wird unter der Ägide eines internen Editorial Board stehen. Während OeNB-Blogs auf Deutsch erscheinen und die OeNB-Reports entweder auf Deutsch oder Englisch (abhängig vom Fachkontext) verfasst werden, ist die Publikationssprache des OeNB-Bulletin Englisch mit klarer Ausrichtung auf die Fachöffentlichkeit im In- und Ausland als Zielgruppe. Die Studien werden nach wissenschaftlichen Kriterien verfasst.

Werden die beiden volkswirtschaftlichen Periodika der OeNB (Monetary Policy & the Economy, Focus on European Economic Integration) eingestellt und sind weiterhin wissenschaftliche Publikationen vorgesehen?

Die beiden genannten Publikationsreihen gehen in den OeNB-Reports bzw. im OeNB-Bulletin auf, d. h., wichtige Analysen etwa zur wirtschaftlichen Entwicklung in zentral-, ost- und südosteuropäischen Ländern werden ab sofort als Teil der OeNB-Reports veröffentlicht, während die Fachstudien im Bulletin erscheinen werden. Ein kleiner Spoiler hier: Die Reihe Monetary Policy & the Economy wird mit einer Sondernummer zum 25-Jahr-Jubiläum der Euro-Buchgeldeinführung noch einen großen Schlusspunkt setzen.

Die Publikationsreihe der OeNB-Working-Papers wird auch weiterhin zur Diskussion und Verbreitung von wirtschaftswissenschaftlichen Studien und Forschungsergebnissen dienen. Die darin enthaltenen Fachbeiträge sind einem internationalen Begutachtungsverfahren unterzogen.

Die OeNB-Publikationen werden seit Jahren nicht mehr im Print angeboten. Wird sich da etwas ändern?

Schon bisher waren alle unsere Publikationen auf der OeNB-Website kostenfrei als PDF zum Download verfügbar. Dieses Service wird zusätzlich noch um das Angebot „HTML first“ erweitert, d. h., alle Publikationen aus den drei genannten Bereichen werden sowohl als HTML-Version als auch als PDF auf der Website zu finden sein. Wir wollen damit die Auffindbarkeit über Suchmaschinen erleichtern und auch für mobile Endgeräte die Lesemöglichkeiten verbessern.

Das alles klingt nach einem ambitionierten Projekt. Ist die erfolgreiche Umsetzung dieser Vorhaben schon in Sicht?

Wie eingangs bereits angedeutet hat uns das Publikationenprojekt ein gutes Jahr lang beschäftigt. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen und den vielen engagierten Kolleg:innen im Haus für ihren kreativen und unermüdlichen Einsatz danken, ohne den ein solches Vorhaben nicht umzusetzen wäre. Das OeNB-Management hat mit großer Offenheit unsere Pläne unterstützt und damit diesen Wandel erst ermöglicht.

Eines ist mir noch wichtig zu betonen: Die OeNB-Publikationen können nicht auf den Bereich Volkswirtschaft, für den ich und in übergeordneter Weise Gouverneur Robert Holzmann verantwortlich zeichnen, reduziert werden. Die OeNB veröffentlicht mit dem halbjährlich erscheinenden Financial Stability Report wichtige Analysen und Studien zur Finanzmarktstabilität. Darüber hinaus gibt es eine sehr breite Publikationstätigkeit im Bereich Statistik – verbunden mit einem einzigartigen Datenangebot. Auch im Bereich Finanzbildung haben wir ein vielfältiges Angebot an Publikationen.

Mittlerweile konnten mit dem OeNB-Blog und den OeNB-Reports bereits erste wichtige Teile des neuen Konzepts verwirklicht werden. Mit Jahresbeginn 2024 wird auch der Launch des OeNB-Bulletins erfolgen. Zudem ist für das erste Quartal auch die Veröffentlichung des ebenso reformierten OeNB-Geschäftsberichts inkl. Jahresabschluss vorgesehen.

Insgesamt verstehen wir das Publikationswesen in einem Unternehmen wie der OeNB auch als einen Auftrag, im unverminderten Streben nach Verbesserung und Vertiefung alles Bestehende weiterzuentwickeln. Unsere Publikationen sollen über die unterschiedlichen Medienkanäle auch für die nötige Transparenz der Arbeit einer Notenbank sorgen und einen inhaltlichen Austausch mit den Menschen in Österreich ermöglichen.

Frau Niessner, vielen Dank für das Gespräch.