II/2/c Oesterreichisch-ungarische Bank

Ende Juni 1878 erfolgte die Gründung der Oesterreichisch-ungarischen Bank, womit dem dualistischen System des Ausgleiches von 1867 zwischen den beiden Reichshälften Österreich und Ungarn, nach langjährigen Verhandlungen, Rechnung getragen wurde. Laut Kundmachung in der Wiener Zeitung erlosch mit dem 29. Oktober 1878 die Firma „privilegirte oesterreichische National-Bank“. An ihre Stelle trat ab 30. Oktober 1878 die „Oesterreichisch-ungarische Bank“.

Der Übergang der fortlaufenden Veraktung von der priv. oesterr. National-Bank zur Oesterreichisch-ungarischen Bank verlief formal gesehen fließend. Ein auffallender Unterschied besteht lediglich bei den verwendeten Stempeln der Bankorganisationseinheiten zwecks Bestätigung der Akten-Einsichtnahme. Je nach Datum der Einsichtnahme vor oder nach dem 30. Oktober 1878 wurde ein Stempel der privilegirten oesterreichischen National-Bank oder der Oesterreichisch-ungarischen Bank benutzt. Aus diesem Grund gibt es auch Expeditionsbögen (deren Funktion wird in der Erläuterung ad II/02.a erläutert) mit beiden Arten von Stempel, je nachdem an welchem Tag eine Abteilungsleitung ihre Einsichtnahme bestätigt hatte. Somit ist eine klare formale Trennung zwischen Bankakten der privilegirten oesterreichischen National-Bank und ihres Nachfolgeinstitutes nicht gegeben. Die vom Bankhistorischen Archiv vorgenommene Trennung der beiden Aktenbestände per Jahreswechsel 1878/1879 beruht daher nicht auf historischen Grundlagen der damaligen Registraturordnung, sondern erfolgte aus Gründen der archivischen Ordnung.

Auch das Prinzip der inhaltlichen Indizierung (Beschlagwortung) eines Aktes durch die Vergabe von Materiennummern (unterhalb der Aktennummer) bei der Hinterlegung der Akten in der Registratur wurde fortgeführt. Hierbei waren Geschäfte und sonstige Agenden der Bank in „Materien“ eingeteilt. Über die auf jede einzelne Materie wiederum entfallenden „Gegenstände“ gab die Materienübersicht Auskunft. Struktur und Verteilung dieses frühen Schlagwortkataloges blieben gegenüber der Handhabung aus der Zeit des Vorgängerinstitutes nahezu unverändert. Lediglich durch das erhebliche Anwachsen des Filialnetzes der Oesterreichisch-ungarischen Bank erfuhr die Materien-Übersicht eine starke zahlenmäßige Vermehrung. Gab es Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts noch insgesamt 44 Materien des Protokolls der privilegirt österreichischen Nationalbank (eigentlich 42, denn 2 Materien wurden keine Gegenstände zugewiesen), so umfasste schließlich die Materienübersicht zur Zeit des Ersten Weltkrieges insgesamt 133 Materien (inklusive der Exposituren in Lublin und Belgrad stieg die Anzahl der OeUB-Bankanstalten letztendlich auf 108.

Trotz des Umstandes einer deutschen wie auch einer ungarischen Bankadministration – es gab nunmehr jeweils eine Hauptanstalt sowie Direktion in Wien und Budapest – blieb deutsch die einzige Geschäftssprache im internen Dienst (Dienstunterricht für die Beamten der Oesterreichisch-ungarischen Bank, II. Titel „Allgemeiner Dienst“, §. 11). Gemäß den Bestimmungen über die Geschäftssprache der Oesterreichisch-ungarischen Bank mussten die Bankanstalten ihre Berichte an die Geschäftsleitung in Wien bzw. an die betreffende Direktion sowie an andere Geschäftsabteilungen stets in deutscher Sprache halten. Lediglich für die Direktion in Budapest bestand eine Ausnahme. Diese hatte ihre Erlässe an die Bankanstalten in den Ländern der ungarischen Krone in deutscher u n d ungarischer Sprache auszugeben.
Zuschriften von Behörden waren in der österreichischen Reichshälfte ausnahmslos deutsch zu beantworten. Es lag aber im Ermessen der jeweiligen Bankanstalt, dem „deutschen Original“ eine Übersetzung in der betreffenden Landessprache beizulegen. In Ungarn hatte der behördliche Schriftverkehr in ungarischer Sprache zu geschehen, außer in Kroatien und Slawonien. Dort erfolgte die Korrespondenz mit den Behörden derselben Länder in kroatischer Sprache.
Und schließlich der Schriftverkehr mit Privatpersonen. Hier konnten nichtdeutsche Zuschriften nach dem Ermessen der jeweiligen Bankanstalt in der Sprache der Zuschrift oder in deutscher Sprache beantwortet werden. In Ungarn hingegen hatten die Bankanstalten, mit Ausnahme Kroatiens und Slawoniens, ungarische Zuschriften immer in selbiger Sprache zu beantworten. Für die beiden letztgenannten Länder galt dasselbe in der „kroatischen Version“. Die Oberleitung sämtlicher Geschäftszweige der Bank verblieb in Wien, repräsentiert durch den Generalsekretär. Für die unmittelbare Geschäftsführung wurde dem Generalsekretär in Wien die Geschäftsleitung als Beirat zugeteilt (Art. 46 der Bankstatuten der OeUB). Durch die Geschäftsleitung wurden nach den Weisungen des Generalsekretärs alle beim Zentraldienst sich ergebenden Angelegenheiten ressortmäßig besorgt und den Bankanstalten und Organen der Bank die erforderlichen Aufträge erteilt. Dem Zentraldienst untergeordnete Organisationseinheiten waren neben der Zentralbuchhaltung, der Zentralkasse, der Druckerei für Wertpapiere etc. auch die so genannten Hilfsämter, wo sich wiederum unter anderem das Einreichungs-Protokoll, das Expedit sowie die Registratur befanden.

Die Aufgaben der drei genannten Büros sind im Prinzip die selben geblieben, wie in der Zeit der priv. oesterr. Nationalbank (siehe dazu in den Erläuterungen zu den Beständen II/02.a und II/02.b.
Zunächst wurden die an die Adresse der Oesterreichisch-ungarischen Bank, des Generalrates oder der Geschäftsleitung gerichteten Korrespondenzen von einem bestimmten Beamten des Generalsekretariats eröffnet, dann mit dem Datum der Präsentation (Eingangsvermerk mit den Kürzel „pr.“, „prs.“ oder „präs.“) sowie einer der Geschäftseinteilung entsprechenden Abteilungsnummer versehen und schließlich, nach sofortiger Einsicht der wichtigeren Einläufe durch den Generalsekretär, mit „thunlichster Beschleunigung“ dem Einreichungs-Protokoll übergeben (Oesterreichisch-ungarische Bank, Organische Bestimmungen, III. Titel „Instruktion für die Geschäftsleitung und das Generalsekretariat“, §.6.

Im §.7. des III. Titels der Organischen Bestimmungen der OeUB wird des Weiteren bestimmt:
„Die im Einreichungs-Protokolle eingetragenen Geschäftsstücke gehen nach ihrer Priorierung1) durch die Registratur an den Chef der betreffenden Abtheilung des Generalsekretariats zur weiteren Amtshandlung zurück. […]
Die von einer Abtheilung fertiggestellten Erledigungen, deren jede mindestens mit Einer Unterschrift versehen sein muß, werden der Approbation zugeführt.
Welche Akten dem Gouverneur zur Approbation vorzulegen sind, wird dem Generalsekretariate mittelst Verfügung des Gouverneurs bekannt gemacht. Die Approbation aller anderen Akten geschieht der Regel nach durch den Generalsekretär.“ Erledigungen von Geschäftsstücken, welche minder wichtige Gegenstände zum Inhalt hatten, oder wofür es ausdrückliche Vorschriften gab, waren vom jeweils zuständigen Abteilungschef zu approbieren. Hinsichtlich der Vermerkweise sowie der Funktion der Approbation hieß es:
„Die Approbation muß auf dem Akte deutlich ersichtlich gemacht werden. Durch die Approbation drückt der Approbant seine Zustimmung zu der Art und Weise der vorgelegten Erledigung und seine Genehmigung aus, daß dieselbe nunmehr expedirt werden könne. Bildet die Erledigung die Durchführung einer durch den Generalsekretär mündlich oder schriftlich erhaltenen Disposition, so haftet der Approbant dafür, daß die Erledigung dem Sinne der Disposition entspreche. Die Abtheilungs-Chefs sind dem Generalsekretär dafür verantwortlich, daß sie keinen Akt approbiren, der nach den allgemeinen Bestimmungen oder nach der besonderen Natur des Falles dem Gouverneur oder dem Generalsekretär zur Approbation hätte vorgelegt werden sollen.“

Als nächster Schritt kamen die nunmehr approbierten Erledigungs-(Expeditions)entwürfe zur „Mundierung“ (Herstellung der Reinschrift) in das Expedit. Dieser Vorgang, wie auch die daran erfolgende Überprüfung des Gleichlautes der Texte von Entwurf und Reinschrift wurden durch die Vermerke „mdt.“ und „coll.“ auf dem Expeditionsbogen bzw. auf dem Akt selbst, inklusive den Paraphen der zuständigen Referenten, bestätigt. In Folge der allgemeinen Modernisierung der Amtssprache lösten um 1907 die Begriffe „Geschrieben“ und „Gelesen“ die vorgenannten Vermerke ab.

Nachdem die Akten die vorgeschriebene Manipulation durchlaufen hatten, übergab man diese an die Registratur zur Hinterlegung. Bei der Übernahme wurden dieselben am unteren Rand mittels des Vermerkes „Reg.“ als in die Registratur gehörig bezeichnet. Wie schon eingangs erwähnt trug man in der Registratur zwecks Indizierung und späteren Auffindens der Akten Materiennummern ein. Die endgültige Aufbewahrung der Akten erfolgte schließlich in Faszikelform.

Das Auseinanderbrechen der k.u.k. Monarchie in mehrere Nationalstaaten ab Ende 1918 fand auch seine Entsprechung im weitverzweigten Bankanstaltennetz der Oesterreichisch-ungarischen Bank. Dies hatte zwar keinen sofortigen Bruch bei den internen administrativen Vorgängen zur Folge. Doch das rasche Auseinanderdriften der „Nachfolgestaaten“, welche sich u. a. durch nationale Währungsreformen, die Gründung eigener Zentralbanken und der Beschlagnahme von Filialen und Nebenstellen durch die neuen nationalen Behörden ausdrückte, und zuletzt die durch die Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain angeordnete Liquidation der Oesterreichisch-ungarischen Bank, untergrub zusehends die organisatorische und administrative Einheit. Dies fand auch beim internen Schriftverkehr seine Entsprechung.
Letztendlich wurde die Registratur der Oesterreichisch-ungarischen Bank (in Liquidation) angewiesen, Exhibite, Referate und Reinschriften, betreffend die Korrespondenz mit Filialen in den an Rumänien abgetretenen Gebieten, in Zara und Fiume, sowie mit dem Bankamt in Prag, der Narodna banka in Belgrad und der polnischen Landes-Darlehenskasse, die Bezeichnung „Oesterreichisch-ungarische Bank-Liquidationskommission“ zu führen und ab 1. Mai 1921 getrennt von der Korrespondenz mit den Hauptanstalten Wien und Budapest sowie den Filialen in Österreich und Ungarn in Evidenz zu halten. Diese Referate und Reinschriften waren schließlich zur Approbation den Liquidatoren vorzulegen. Für die Korrespondenz mit den Hauptanstalten in Wien und Budapest und den Filialen in Österreich und Ungarn blieb der bisherige Modus procedendi aufrecht.

Auffallend beim Bestand II/02.c ist der Umstand, dass ab dem Jahrgang 1915 der originale Aktenbestand noch fast vollständig überliefert ist, nachdem dessen Umfang bereits nach der Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert spürbar zunimmt. Zur Veranschaulichung: Jahrgang 1900 umfasst insgesamt 3 Archivkartons, 1901 sind es 6 Kartons, 1909 bereits 9 Kartons. Zwischen Jahrgang 1914 auf 1915 besteht dann ein gewaltiger Sprung – gegenüber 17 Archivkartons aus 1914 sind für 1915 Originalakten im Umfang von insgesamt 37 Kartons vorhanden!
Spätere Personalknappheit und ein gewisses Bewusstsein bei den Verantwortlichen für die historische Bedeutung der schriftlichen Überlieferungen aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren dürften in der Hauptsache für die nicht oder kaum durchgeführte Skartierung verantwortlich sein.