„Frauen sollten sich nicht abschrecken lassen“

Grete-Rehor-Preis für Wirtschaftswissenschaften 2023 geht an Andrea Weber
Andrea Weber im Gespräch
Andrea Weber im Gespräch mit der OeNB

Andrea Weber, Professorin für Volkswirtschaftslehre und Leiterin des PhD-Programms an der Central European University in Wien, erhielt für ihre Forschungsarbeit zur unterschiedlichen Situation von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt den Grete-Rehor-Preis für Wirtschaftswissenschaften 2023. Der nach der ersten Frau als österreichische Bundesministerin benannte Preis wird von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) gestiftet und von einer unabhängigen Jury verliehen. Wir trafen die Preisträgerin zum Gespräch.

Als angewandte Arbeitsökonomin untersuchen Sie die Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Wie steht es mit der Frauenforschung in Ihrem Fach?

Andrea Weber: In der Arbeitsökonomie waren Frauen zwar immer schon ein interessantes Thema, allerdings nicht unter Genderaspekten, sondern weil sie stärker auf (Steuer-)Maßnahmen reagierten als Männer. Das hat sich mittlerweile geändert. Genderforschung ist heute ein bedeutendes Thema nicht nur in der Arbeitsökonomie, sondern auch darüber hinaus etwa in der Gesundheits-, Bildungs-, Entwicklungs- oder politischen Ökonomie.

Auch in der Wirtschaft hat sich der Stellenwert der Frauen verändert. Obwohl in vielen Bereichen noch Ungleichheit zwischen Geschlechtern herrscht, gibt es auch Fortschritte. Ich konnte etwa mit einer Kollegin in gemeinsamen Forschungsarbeiten zeigen, dass neu in den Markt eintretende Firmen, die mehr Frauen als Männer einstellen, tatsächlich länger überleben – weil sie allgemein bessere Entscheidungen treffen. Der Effekt ist besonders deutlich für Firmen, die massiv diskriminieren.

Insgesamt ist Genderökonomie mittlerweile in der Wissenschaft so weit angekommen, dass es keinen Nachteil mehr bedeutet, sich diesem Thema zu widmen. Die Ökonomie ist ein relevantes und interessantes Fach, und es ist wichtig, dass Frauen eine größere Rolle spielen. Frauen sollten sich daher grundsätzlich nicht abschrecken lassen, auch wenn es gerade in der Ökonomie immer noch Probleme für sie gibt.

Wie schwierig war es für Sie als Frau, in der akademischen Welt erfolgreich zu sein?

In den letzten Jahrzehnten hat sich viel verändert. Wenn ich an den Beginn meiner Karriere denke, waren allein die Erwartungen an Frauen grundlegend andere als heute. Von mir wurde damals etwa nicht „erwartet“, dass ich ein Doktorat mache. Aber selbst mit Doktorat waren es auch an Universitäten überwiegend Frauen, die Zusatzaufgaben etwa im Bereich der Gleichstellung übernahmen oder übernehmen mussten. Das hat sich langsam verbessert. Was ich aber immer noch oft erlebe, ist der Umstand, in einer Fachdiskussion die einzige Frau auf dem Podium zu sein.

Trotz aller Fortschritte gibt es im Wissenschaftsbetrieb noch viel zu verbessern. Der Frauenanteil konnte in der Ökonomie mittlerweile erhöht werden, auch wenn der Fortschritt im Vergleich zu anderen Wissenschaften nicht groß ist. Gerade wenn es darum geht, wer Karriere macht, wer Professor:in wird, gibt es immer noch einen Männerschwerpunkt. Das hat viele Gründe, es hat etwa mit dem Ton zu tun, der im fachlichen Umgang miteinander herrscht. Auch die traditionellen (Männer-)Netzwerke, die eben im entscheidenden Moment wirksam werden, sind ein bedeutender Faktor. Claudia Goldin, die 2023 als erst dritte Frau überhaupt den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, hat von ihren Erfahrungen in Princeton in den 1970er-Jahren berichtet, als die „inneren Zirkel“ reine Männerzirkel waren und ihr trotz aller fachlichen Qualifikationen verschlossen blieben. Selbst 50 Jahre später sieht sie nicht, dass Frauen bald vollständig zu Männern aufschließen werden.

Wie lässt sich die Benachteiligung von Frauen weiter reduzieren?

Für Frauen in der Ökonomie haben sich sogenannte Mentoring-Programme als wichtig erwiesen. Es gibt auch großes Interesse von jungen Forscherinnen an Beratung und Empfehlungen. Ich selbst werde von anderen Universitäten immer wieder angefragt, ob ich als Mentorin junge Frauen unterstützen würde. Ich mache das gerne und halte es auch für notwendig. Dass eine derartige Tätigkeit von Frauen für Frauen unentgeltlich und zusätzlich zu erfüllen ist, wird heute immer noch als selbstverständlich angesehen. Aber auch das wird sich noch ändern. An der Central European University beschäftigen wir derzeit im volkswirtschaftlichen Departement fünf Frauen in Junior-Positionen und unterstützen sie bestmöglich.

Was bedeutet Ihnen der Grete-Rehor-Preis?

Die öffentliche Anerkennung für Frauen und ihre Arbeit ist vor allem auch für junge Forscherinnen wichtig. In diesem Sinn hat der Grete-Rehor-Preis eine Signalwirkung – es ist gut, dass Frauenforschung honoriert wird. Für mich kam der Preis überraschend und bereitet mir umso mehr Freude.

Im Großen ist das nicht anders: Wenn Claudia Goldin den Nobelpreis für ihre Arbeit zu den Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt bekommt, dann bedeutet das für alle Frauen und für die Genderforschung viel – auch weil Goldin den Nobelpreis allein und nicht als Frau im Männer-Team bekommen hat. Goldin war für viele Forscherinnen, mich eingeschlossen, schon ganz früh ein Vorbild. Ich bewunderte immer sehr, wie Goldin allein und anfangs nur mit geringer Anerkennung an ihrer Arbeit festhielt und persistent ihre Fragen mit großem Weitblick weiterverfolgte. Heute ist das fast schon Mainstream.

Vielen Dank für das Gespräch.