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OeNB Report 2023/3: Bank Lending Survey (BLS) – Nachfrage nach Investitionskrediten weiterhin rückläufig

Österreich-Ergebnisse der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Juli 2023 1

Gerald Hubmann 2

Die Nachfrage der Unternehmen nach Investitionsfinanzierungen sinkt seit dem dritten Quartal 2022 und dürfte auch im dritten Quartal 2023 weiter rückläufig bleiben. Hintergrund ist die konjunkturelle Eintrübung infolge der globalen wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen sowie das höhere Zinsniveau.

Die Banken haben ihre Angebotspolitik für Unternehmenskredite seit dem zweiten Quartal 2022 umfassend verschärft – hauptsächlich aufgrund einer ungünstigeren Risikoeinschätzung. Für das dritte Quartal 2023 werden weitere Verschärfungen erwartet.

Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten stagnierte im zweiten Quartal 2023. In den drei Quartalen davor war sie stark rückläufig. Für das dritte Quartal 2023 gehen die befragten Banken von einer anhaltenden Stagnation aus. Als wesentliche Gründe für den Nachfragerückgang wurden die gestiegenen Zinsen und die unsichere Wirtschaftslage genannt. Kredite sind weniger leistbar geworden.

Angebotsseitig blieben die bankinternen Richtlinien und die Margen für Wohnbaukredite im zweiten Quartal 2023 weitgehend unverändert. Die Richtlinien wurden zuletzt im dritten Quartal 2022 verschärft, die Margen seit 2021 kaum geändert.

Die Banken berücksichtigen in ihrer Angebotspolitik zunehmend die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit der Unternehmen auf das Klima. Das führt zu einer strengeren Kreditvergabe für Unternehmen, die in hohem Maße zum Klimawandel beitragen. Nachfrageseitig nimmt der Finanzierungsbedarf der Unternehmen für Investitionen und Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu (z. B. Transition zu einer „grüneren“ Produktion oder Absicherung gegen physische Risiken des Klimawandels).

Die Entwicklungen im Kreditgeschäft sind immer auch vor dem allgemeinen konjunkturellen Hintergrund zu beurteilen und vollziehen sich aktuell weiterhin im Umfeld bzw. Nachgang globaler wirtschaftlicher und politischer Verwerfungen (Krieg in der Ukraine, Lieferkettenprobleme, Preisschocks, Abkühlung der Weltkonjunktur). Die globalen Lieferketten haben sich mittlerweile weitgehend normalisiert. In Österreich sind Stimmung und Aussichten in der Industrie allerdings wieder gedämpft, nachdem der Ausblick vor einigen Monaten noch besser gewesen ist. Im Gegensatz dazu stellt sich die Situation im Dienstleistungssektor positiver dar. Zusätzlich bremst die Mitte 2022 von der EZB begonnene, zur Inflationsbekämpfung notwendige Straffung der Geldpolitik (vor allem die Erhöhung der Leitzinsen) die Wachstumsaussichten. In Summe wird daher erst für Ende des Jahres 2023 ein moderater Aufschwung erwartet.

Im Jahr 2022 ist das österreichische BIP real um 4,9 % gewachsen, dies vor allem aufgrund des starken Wachstums im ersten Halbjahr, das noch von coronabedingten Aufholprozessen geprägt war. Im zweiten Halbjahr hat sich die Konjunktur aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der hohen Inflation eingetrübt. Die OeNB erwartet in ihrer Prognose vom Juni 2023 eine weitere Stagnation bis zum dritten Quartal 2023 und danach ein vorerst verhaltenes Wachstum der österreichischen Wirtschaft. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein BIP-Wachstum von 0,5 % erwartet, für 2024 eines von 1,7 %. Nach einem geringen Wachstum von 0,3 % im Jahr 2022 werden die Bruttoanlageinvestitionen auch in den Jahren 2023 und 2024 erneut nur geringfügig wachsen. Die konjunkturreagiblen Ausrüstungsinvestitionen werden 2023 sogar deutlich zurückgehen (–1,3 %). Noch stärkere Rückgänge werden mit –4,7 % bzw. –3,3 % in den Jahren 2023 und 2024 bei den Wohnbauinvestitionen erwartet. Die HVPI-Inflation wird laut aktueller OeNB-Inflationsprognose vom Juli 2023 im Jahr 2023 mit 7,4 % weiterhin hoch sein – nach 8,6 % im Jahr 2022. Für 2024 wird ein Rückgang der HVPI-Inflation auf 4,1 % erwartet. WIFO und IHS erwarten in ihren Prognosen vom Juni 2023 ähnliche Entwicklungen. Die derzeitige Investitionsschwäche zeigt sich auch in den Umfrageergebnissen zum Kreditgeschäft mit Unternehmen (Kapitel 1). Die hohe Inflation und die damit zusammenhängende geldpolitische Straffung sind wesentliche Gründe der aktuellen Entwicklungen im Kreditgeschäft allgemein.

Kapitel 1 behandelt das Kreditgeschäft der Banken mit Unternehmen, Kapitel 2 das Kreditgeschäft mit privaten Haushalten. Kapitel 3 hat die Refinanzierungssituation der Banken zum Thema. In Kapitel 4 geht es um die Auswirkungen notleidender Kredite.

Detaillierte Umfrageergebnisse sind den Tabellen 1 bis 3 zu entnehmen. Die Grafiken 1 und 2 stellen die Entwicklung der Nachfrage nach Unternehmenskrediten und privaten Wohnbaukrediten sowie ihre jeweiligen Einflussfaktoren dar. Grafik 3 zeigt die Entwicklung der Neuvergabe von Wohnbaukrediten gemäß Monetärstatistik und des Zinsniveaus. Kasten 1 am Ende dieses Reports enthält u. a. Erläuterungen zu ausgewählten Fachbegriffen.

1 Kreditgeschäft mit Unternehmen: Nachfrage nach Investitionskrediten sinkt seit Mitte 2022

Die Richtlinien für Unternehmenskredite werden seit dem zweiten Quartal 2022 kontinuierlich verschärft (Tabelle 1). Für das zweite Quartal 2023 sind nur mehr leichte Verschärfungen der Richtlinien für langfristige Kredite zu erwähnen. Für das dritte Quartal 2023 erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Banken weitere Richtlinienverschärfungen – insbesondere für langfristige Kredite an große Unternehmen. Als Hauptgrund für die Verschärfungen in den letzten fünf Quartalen nannten die befragten Banken eine ungünstigere Risikoeinschätzung (allgemeine Wirtschaftslage, Geschäftslage und Kreditwürdigkeit der Unternehmen, in geringem Ausmaß die Werthaltigkeit von Sicherheiten). Als Faktoren mit leicht verschärfendem Einfluss auf die Kreditrichtlinien wurden zudem die Refinanzierungsbedingungen der Banken und die Risikotoleranz der Banken genannt.

Die Margen für Unternehmenskredite wurden im zweiten Quartal 2023 etwas erhöht (verschärft), nachdem sie im ersten Quartal weitgehend unverändert geblieben waren. 2022 wurden die Margen von den befragten Banken mehrheitlich und wiederholt erhöht. Die Aussagen beziehen sich sowohl auf Margen für durchschnittliche Kredite als auch auf Margen für risikoreichere Kredite. Weiters ist es seit dem zweiten Quartal 2022 auch zu leichten Verschärfungen anderer Kreditbedingungen (z. B. Höhe des Kredits oder Kreditrahmens, Erfordernisse für Sicherheiten, Zusatz- oder Nebenvereinbarungen zu Kreditverträgen) gekommen. Hauptgründe für die angesprochenen Verschärfungen von Margen und anderen Kreditbedingungen waren die Risikoeinschätzung durch die Banken (allgemeine Wirtschaftslage, Geschäftslage und Kreditwürdigkeit der Unternehmen) und ihre Refinanzierungsbedingungen. Als weitere Gründe nannten die Banken ihre Risikotoleranz, ihr Eigenkapital bzw. damit verbundene Kosten und – mit geringem Einfluss – ihre Liquiditätssituation.

Tabelle 1: Kredite oder Kreditrahmen für Unternehmen  
Veränderung im jeweiligen Quartal,¹ Ergebnisse für Österreich
Saldo aus positiven und negativen Antworten,² Antworten von 7 bis 8 Banken
2019 2020 2021 2022 2023
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q2 Q4 Q1 Q2 Q3
Kreditrichtlinien
Unternehmen gesamt –1 0 0 –1 –1 –1 –3 –3 0 0 –1 –1 –1 –2 –3 –3 –2 –1 –2
Kredite an kleine und
mittlere Unternehmen
–1 0 0 –1 0 –1 –2 –2 –1 0 0 –1 –1 –2 –2 –2 –1 –1 –1
Kredite an große
Unternehmen
–1 0 0 –1 –1 –1 –3 –2 1 0 –1 –1 –1 –2 –3 –3 –1 –1 –3
Kurzfristige Kredite
(Laufzeit bis zu einem Jahr)
0 1 0 –1 0 –1 –3 –2 0 0 0 0 –1 0 –2 –2 0 –1 –2
Langfristige Kredite
(Laufzeit über ein Jahr)
–1 0 0 –1 –1 –1 –3 –3 0 0 –1 0 –1 –2 –3 –2 –2 –2 –3
Kreditbedingungen
insgesamt
Unternehmen gesamt –1 1 1 2 –2 –3 –2 –2 –1 0 0 –1 –2 –2 –3 –4 –3 –1 ..
Kredite an kleine und
mittlere Unternehmen
–1 0 1 1 –2 –2 –2 –2 –1 0 0 –1 –2 –1 –2 –3 –2 –1 ..
Kredite an große
Unternehmen
0 2 1 2 –1 –3 –2 –1 –1 0 0 –1 –1 –2 –2 –3 –2 –1 ..
Margen für
durchschnittliche Kredite
Unternehmen gesamt 1 2 4 3 –3 –3 –3 –1 2 1 2 1 –2 –5 –6 –6 –1 –2 ..
Kredite an kleine und
mittlere Unternehmen
1 2 4 2 –1 –2 –3 –1 2 1 2 0 –1 –4 –5 –5 0 –2 ..
Kredite an große
Unternehmen
0 2 5 3 –3 –5 –3 0 3 1 2 1 –1 –5 –5 –5 –1 –2 ..
Margen für risikoreichere
Kredite
Unternehmen gesamt –1 0 0 1 –4 –6 –4 –3 –1 0 0 –1 –3 –4 –4 –5 –1 –3 ..
Kredite an kleine und
mittlere Unternehmen
–1 0 0 0 –2 –4 –5 –3 –1 0 0 –1 –2 –3 –3 –4 0 –3 ..
Kredite an große
Unternehmen
–1 0 0 2 –4 –6 –4 –2 –1 0 0 0 –2 –4 –4 –5 –1 –3 ..
Genehmigte
Kreditanträge
Anteil bezogen auf
das Gesamtvolumen
–1 –1 –2 –1 0 0 –3 –1 0 0 –1 0 –1 –1 –3 –2 –1 –1 ..
Kreditnachfrage
Unternehmen gesamt –2 0 –1 1 5 6 2 –2 –1 3 2 3 2 4 2 –1 –2 –3 –3
Kredite an kleine und
mittlere Unternehmen
–2 –1 –1 1 3 4 0 –3 –2 1 2 2 2 3 1 –4 –2 –2 –3
Kredite an große
Unternehmen
–1 1 0 1 5 7 2 –2 –1 3 3 3 4 4 4 –1 –1 –2 –3
Kurzfristige Kredite
(Laufzeit bis zu einem Jahr)
0 2 1 1 6 5 1 –3 –2 2 0 4 3 7 6 3 2 –1 –1
Langfristige Kredite
(Laufzeit über ein Jahr)
–1 –1 –1 2 1 6 2 –1 0 3 2 2 1 1 1 –3 –3 –3 –3
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu
verstehen. Positiv = Lockerung von Richtlinien, Bedingungen und Margen (geringere Margen), Anstieg der
genehmigten Kreditanträge, Anstieg der Nachfrage; negativ = umgekehrte Entwicklungen.

Nach einem leichten Rückgang im ersten Quartal meldeten die heimischen Banken im Aggregat der Antworten für das zweite Quartal 2023 eine abermals gesunkene Kreditnachfrage von Unternehmen insgesamt. Bereits im vierten Quartal 2022 war ein über eineinhalb Jahre dauernder Trend einer insgesamt steigenden Nachfrage zu einem Halt gekommen. Im Detail zeigen sich aber differenzierte Entwicklungen. Seit dem vierten Quartal 2022 ist vor allem die Nachfrage seitens kleiner und mittlerer Unternehmen und die Nachfrage nach langfristigen Krediten gesunken. Die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten ist bis zum ersten Quartal 2023 noch gewachsen, die Kreditnachfrage großer Unternehmen ging bisher nur leicht zurück.

Schon vom vierten Quartal 2021 bis zum dritten Quartal 2022 entwickelte sich die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten und jene seitens großer Unternehmen expansiver als jene nach langfristigen Krediten und jene seitens kleiner und mittlerer Unternehmen. Im Ausblick auf das dritte Quartal 2023 erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Banken eine weiterhin rückläufige Kreditnachfrage von Unternehmen – auch seitens großer Unternehmen. Die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten soll jedoch kaum sinken.

Vom vierten Quartal 2021 bis zum vierten Quartal 2022 war der Finanzierungsbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel der dominierende Grund für den Anstieg der Nachfrage nach (kurzfristigen) Krediten (Grafik 1). Der langfristige Finanzierungsbedarf für Anlageinvestitionen hat sich deutlich schwächer entwickelt. Seit dem dritten Quartal 2022 ist die Nachfrage nach Investitionsfinanzierungen rückläufig (Anlageinvestitionen als Faktor mit dämpfender Wirkung auf die Kreditnachfrage, siehe Grafik 1). Seit dem vierten Quartal 2022 wird die Nachfrage nach Unternehmenskrediten auch durch die gestiegenen Zinsen gedämpft. Zudem drückten die vermehrte Nutzung alternativer Finanzierungsquellen sowie ein geringerer Kreditbedarf für Fusionen/Übernahmen und Unternehmensumstrukturierungen (nur im vierten Quartal 2022) in den letzten drei Quartalen leicht bzw. punktuell auf die Nachfrage.

Vom zweiten bis zum vierten Quartal 2022 haben die Banken zunehmend Kreditanträge von kleinen und mittleren Unternehmen abgelehnt. 3 Danach stieg die Ablehnungsrate kaum noch und blieb weitgehend konstant auf einem erhöhten Niveau. Die Ablehnungsrate im Kreditgeschäft mit großen Unternehmen ist in den letzten Quartalen nur geringfügig gestiegen.

Die Entwicklungen im Kreditgeschäft seit Beginn des letzten Jahres sind stark von den globalen wirtschaftlichen Verwerfungen und dem Krieg in der Ukraine beeinflusst. Der Krieg hat die bereits vorher bestehenden Lieferkettenprobleme sowie den Preisauftrieb insbesondere bei Energie und Rohstoffen erheblich verschärft. Die gestiegene Nachfrage nach kurzfristigen Krediten zur Finanzierung von Lagerhaltung und Betriebsmitteln ist eine unmittelbare Folge davon. Aufgrund der Lieferkettenprobleme haben Unternehmen vorsorglich ihre Lagerbestände aufgebaut, um selbst produktions- und lieferfähig zu bleiben – ein Strategiewechsel von „just-in-time“ zu „just-in-case“. Mittlerweile haben sich die Lieferketten aber weitgehend normalisiert. Umfassende Preissteigerungen haben generell den Liquiditätsbedarf der Unternehmen erhöht. Unsicherheit, Preisauftrieb, die Abkühlung der globalen Konjunktur und steigende Zinsen bzw. Finanzierungskosten wirken hingegen dämpfend auf die Nachfrage nach langfristigen Krediten, weil Investitionen zurückgenommen oder verschoben werden. Angebotsseitig haben der Krieg und seine Folgen die Banken zu verschärften, an die Situation angepassten Risikoanalysen und zu strengeren Kreditvergabeentscheidungen veranlasst. Hierbei spielt nunmehr das Ausmaß der Abhängigkeit der Unternehmen von Energie bzw. Energiepreisen eine wichtige Rolle.

Befragt nach den Entwicklungen von Kreditangebot und Kreditnachfrage, gegliedert nach Wirtschaftssektoren 4 , berichteten die Banken, dass sie ihre Angebotspolitik (Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen) im zweiten Halbjahr 2022 und im ersten Halbjahr 2023 für alle Sektoren verschärft haben – nur geringfügig für den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe (stärkere Verschärfungen für das energieintensive verarbeitende Gewerbe), überdurchschnittlich für den Immobiliensektor (sowohl Gewerbe- als auch Wohnimmobiliensektor). Für das zweite Halbjahr 2023 wird eine weiter – aber weniger stark – verschärfte Angebotspolitik über alle Sektoren erwartet. Die Kreditnachfrage seitens des Immobiliensektors (sowohl Gewerbe- als auch Wohnimmobiliensektor) ist – gemäß den Angaben der befragten Banken – im zweiten Halbjahr 2022 und im ersten Halbjahr 2023 zurückgegangen, jene seitens des Baugewerbes im ersten Halbjahr 2023. Ansonsten ist es in der sektoralen Betrachtung seit Mitte 2022 zu keinen besonderen Nachfrageänderungen gekommen. Für das zweite Halbjahr 2023 werden Nachfragerückgänge seitens aller Sektoren erwartet – mit Ausnahme des Wohnimmobiliensektors (unveränderte Nachfrage, nach Rückgängen in den letzten beiden Halbjahren).

In der aktuellen Umfragerunde wurden die Banken erstmals zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Kreditgeschäft mit Unternehmen befragt. 5 Den Umfrageergebnissen ist eine zunehmende Bedeutung der Auswirkungen der Unternehmen bzw. ihrer Geschäftstätigkeit auf das Klima für die Angebotspolitik der Banken zu entnehmen. Im letzten Jahr (zweites Halbjahr 2022 und erstes Halbjahr 2023) wurde die Angebotspolitik im Hinblick auf Unternehmen, die in hohem Maße zum Klimawandel beitragen, verschärft (strengere Kreditrichtlinien, ungünstigere Kreditbedingungen) und im Hinblick auf „grüne“ Unternehmen geringfügig gelockert. Diese Entwicklungen sollen sich – gemäß den Angaben der befragten Banken – im kommenden Jahr (zweites Halbjahr 2023 und erstes Halbjahr 2024) intensivieren. Bei den Verschärfungen spielt die Risikosituation eine Rolle – der Klimawandel und seine Folgen verursachen unter anderem physische Risiken und beeinflussen die wirtschaftliche Lage bzw. die Kreditwürdigkeit der Unternehmen (z. B. verminderter Wert der Aktiva). Nachfrageseitig hat der Finanzierungsbedarf der Unternehmen für Investitionen und Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel (z. B. Transition zu einer „grüneren“ Leistungserstellung oder Absicherung gegen physische Risiken des Klimawandels) im letzten Jahr zugenommen, und dieser Trend soll sich im kommenden Jahr fortsetzen.

2 Nachfrage nach privaten Wohnbaukrediten stagniert nach zuvor starken Rückgängen

Die befragten Banken haben ihre Kreditrichtlinien für private Wohnbaukredite in den letzten drei Quartalen (viertes Quartal 2022 bis zweites Quartal 2023) weitgehend unverändert belassen (Tabelle 2). Auch für das dritte Quartal 2023 werden keine Änderungen erwartet. Zuvor kam es jedoch im dritten Quartal 2022 zu deutlichen Verschärfungen der Richtlinien. Begründet wurde dies mit einer ungünstigeren Risikoeinschätzung (insbesondere bzgl. der Aussichten und voraussichtlichen Preisentwicklung am Wohnimmobilienmarkt, was sich in diesem Fall auf die Werthaltigkeit der Sicherheiten bezieht) und der Risikotoleranz der Banken, sowie mit der im August 2022 in Kraft getretenen „Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung“ (KIM-VO) 6 , die eine neue Rechtslage für die Vergabe von Wohnbaukrediten hergestellt hat.

Analog zu den Kreditrichtlinien blieben auch die Kreditbedingungen für Wohnbaukredite in den letzten drei Quartalen weitgehend unverändert – nach Verschärfungen im dritten Quartal 2022 (höhere Erfordernisse für Sicherheiten, geringere Beleihungsquote), die im Zusammenhang mit der KIM-VO zu sehen sind. Die Margen für Wohnbaukredite wurden seit 2021 kaum geändert.

Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten stagnierte im zweiten Quartal 2023. In den drei Quartalen davor war sie stark rückläufig – insbesondere im dritten und vierten Quartal 2022. Für das dritte Quartal 2023 gehen die befragten Banken von einer anhaltenden Stagnation aus. Der Rückgang in der zweiten Jahreshälfte 2022 ist die deutlichste diesbezügliche Änderung seit Bestehen der Umfrage über das Kreditgeschäft 7 und hat eine langjährige, expansive Entwicklung (seit ca. 2012 in den Umfrageergebnissen erkennbar; Stagnation bzw. leichtes Wachstum auf hohem Niveau in den beiden Jahren vor dem Einbruch in der zweiten Jahreshälfte 2022) beendet.

Als Hauptgrund für den Mitte 2022 einsetzenden Rückgang der Nachfrage wurde das allgemeine Zinsniveau genannt (Grafik 2). Im Juli 2022 hat die EZB – nach Ankündigung im Juni 2022 – mit der schrittweisen Erhöhung ihrer Leitzinsen begonnen, wodurch das allgemeine Zinsniveau und somit auch die Zinsen für neue Wohnbaukredite bzw. die Finanzierungskosten für Wohnbau spürbar gestiegen sind. 8

Als weitere wichtige Gründe für den Nachfrageeinbruch wurden die Aussichten und die voraussichtliche Preisentwicklung am Wohnimmobilienmarkt sowie das in Folge des Kriegs in der Ukraine und der (erwarteten) Konjunktureintrübung gesunkene Konsument:innenvertrauen genannt.

Im zweiten Quartal 2023 hat sich der Anteil abgelehnter Kreditanträge für Wohnbau im Vergleich zum Vorquartal nicht verändert, liegt aber im längerfristigen Vergleich auf erhöhtem Niveau, nachdem er im ersten Quartal 2023 und davor bereits deutlich im dritten Quartal 2022 gestiegen war. 9 Im vierten Quartal 2022 blieb er weitgehend unverändert. Vom ersten Quartal 2015 (erstmalige Fragestellung zum Thema) bis zum zweiten Quartal 2022 gab es nur vereinzelt Meldungen über Änderungen beim Anteil der abgelehnten Kreditanträge zur Wohnbaufinanzierung. Für die Entwicklung des Anteils der abgelehnten Kreditanträge werden standardmäßig in der Umfrage keine Gründe erhoben. Die erhöhte Ablehnungsrate lässt sich jedoch gut vor dem Hintergrund der verschärften Angebotspolitik der Banken und des herausfordernden Umfelds (Leistbarkeit, Zinswende, Inflation, Unsicherheit) erklären.

Tabelle 2: Kredite an private Haushalte  
Veränderung im jeweiligen Quartal,¹ Ergebnisse für Österreich
Saldo aus positiven und negativen Antworten,² Antworten von 7 Banken
2019 2020 2021 2022 2023
Wohnbaukredite Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3
Kreditrichtlinien –2 –2 –1 –1 0 –2 –1 –1 0 1 –1 –1 –1 –2 –4 –1 0 1 0
Kreditbedingungen
insgesamt
0 0 0 –1 0 –1 –1 –1 0 0 0 0 0 –1 –3 –1 1 1 ..
Margen für
durchschnittliche
Kredite
2 2 3 1 0 –2 0 –4 0 –1 0 0 0 0 0 –1 1 –1 ..
Margen für
risikoreichere
Kredite
0 0 0 0 –2 –3 –1 –2 –1 –1 –1 –1 0 0 0 –1 1 –1 ..
Genehmigte Kreditanträge
(Anteil bezogen
auf das Gesamtvolumen)
–1 –1 0 0 0 0 0 0 0 0 –1 0 –1 –1 –5 –1 –3 0 ..
Kreditnachfrage 1 1 2 2 3 –1 2 0 1 1 1 0 0 1 –5 –6 –3 1 1
Konsumkredite und
sonstige Kredite
Kreditrichtlinien 0 –2 –2 –1 0 –3 –2 –3 –1 –1 0 0 1 –1 –1 –2 0 0 0
Kreditbedingungen
insgesamt
0 0 0 0 0 –1 –1 –2 0 0 0 0 0 –1 0 –1 0 0 ..
Margen für
durchschnittliche Kredite
0 0 1 1 0 –1 –1 –1 0 1 0 –1 0 1 0 0 0 –1 ..
Margen für risikoreichere
Kredite
0 0 0 0 –2 –2 –1 –2 –1 –1 –1 –2 –1 1 0 0 0 –1 ..
Genehmigte Kreditanträge
(Anteil bezogen
auf das Gesamtvolumen)
0 1 –1 –1 0 –3 –3 –1 –1 –1 –2 0 0 0 –1 –1 0 –1 ..
Kreditnachfrage 1 0 1 0 0 –4 –1 0 0 1 0 0 2 2 1 –1 0 1 0
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang
als wertfrei zu verstehen. Positiv = Lockerung von Richtlinien, Bedingungen und Margen (geringere Margen),
Anstieg der genehmigten Kreditanträge, Anstieg der Nachfrage; negativ = umgekehrte Entwicklungen.

Neben den Umfrageergebnissen zeigt auch ein Blick auf die Monetärstatistik starke Änderungen im Geschäft mit Wohnbaukrediten in Österreich. Von Juli 2022 auf August 2022 ist die Vergabe neuer Wohnbaukredite 10 um mehr als die Hälfte eingebrochen (von 2,7 auf 1,3 Mrd EUR) und seitdem tendenziell weiter gesunken (0,9 Mrd EUR im Mai 2023). Dieser ausgeprägte Rückgang ist auf die oben beschriebenen Gründe zurückzuführen, wobei er hauptsächlich nachfrageseitig bestimmt sein dürfte.

Die von den Banken gemeldeten Rückgänge bei der Kreditnachfrage waren deutlich ausgeprägter als die gemeldeten angebotsseitigen Verschärfungen. Für den Einbruch von Juli 2022 auf August 2022 dürften auch Vorzieheffekte in Zusammenhang mit der im August 2022 in Kraft getretenen KIM-VO verantwortlich sein (vorgezogene Nachfrage, um den verschärften Regeln zu entgehen) – und Vorzieheffekte aufgrund der erwarteten Zinsanstiege.

Bei der Einschätzung der aktuellen, restriktiven Entwicklungen ist zu berücksichtigen, dass die Vergabe von Wohnbaukrediten in den Jahren davor sehr expansiv war. Die über Jahre hinweg sehr niedrigen (Kredit-)Zinsen 11 bzw. günstigen Finanzierungsbedingungen waren wesentlich dafür. 12 Nun hat sich diese Entwicklung abrupt umgekehrt (siehe Grafik 3 für eine Veranschaulichung der langfristigen Entwicklung der Neuvergabe von Wohnbaukrediten und des Zinsniveaus).

Bei Konsum- und sonstigen Krediten gab es im ersten und zweiten Quartal 2023 kaum Änderungen bei Angebot und Nachfrage 13 (Tabelle 2). Im vierten Quartal 2022 wurden die Kreditrichtlinien etwas verschärft (aufgrund einer geänderten Risikoeinschätzung durch die Banken). Für das dritte Quartal 2023 werden keine Änderungen bei Kreditrichtlinien und Nachfrage erwartet.

3 Gemischte Entwicklungen bei den Refinanzierungsbedingungen für Banken

Im zweiten Quartal 2023 haben sich die Bedingungen für die Refinanzierung der Banken über mittel- bis langfristige Anleihen abermals verschlechtert, nachdem es diesbezüglich bereits im ersten Quartal 2023 zu leicht ungünstigeren Refinanzierungsbedingungen gekommen war (Tabelle 3 14 ). Für das dritte Quartal 2023 werden weitere leichte Verschlechterungen bei der Refinanzierung über mittel- bis langfristige Anleihen erwartet. Bereits in den ersten drei Quartalen 2022 war es zu wiederholten und ausgeprägten Verschlechterungen bei der Refinanzierung über mittel- bis langfristige Anleihen gekommen. Im Lauf des Jahres 2022 (vor allem bis Oktober) sind allgemein die Zinsen auf den Anleihemärkten deutlich gestiegen.

Tabelle 3: Zugang der Banken zu ausgewählten Refinanzierungsquellen  
Veränderung im jeweiligen Quartal,¹ Ergebnisse für Österreich
Saldo aus positiven und negativen Antworten,² Antworten von 8 Banken
2019 2020 2021 2022 2023
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3
Retail-Refinanzierung
Kurzfristige Einlagen
(bis zu einem Jahr)
1 3 0 0 –1 2 1 4 2 2 3 2 1 0 0 0 0 2 –1
Langfristige Einlagen
(über ein Jahr)
0 –1 –2 0 –4 0 0 3 3 1 0 0 0 –2 0 1 1 3 0
Unbesicherter
Interbankengeldmarkt
Sehr kurzfristiger
Geldmarkt
(bis zu einer Woche)
1 0 0 0 –1 –1 2 2 0 1 0 0 0 1 –1 –1 –1 1 0
Kurzfristiger Geldmarkt
(über eine Woche)
0 0 0 0 –5 –2 2 2 0 1 0 0 –1 1 –1 –1 –2 1 0
Großvolumige Schuldtitel
Kurzfristige Schuldtitel3 1 0 0 0 –1 –1 0 1 0 0 0 0 –1 0 –1 –1 –1 0 0
Mittel- bis langfristige
Schuldtitel
3 4 3 1 –4 –4 3 5 5 2 3 1 –4 –5 –5 0 –2 –3 –2
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu verstehen.
Positiv = Verbesserung, negativ = Verschlechterung.
3 Antworten von 3 bis 6 Banken.

Im Gegensatz zur Refinanzierung über Anleihen – und entgegen den Erwartungen aus dem Vorquartal – meldeten die befragten Banken Verbesserungen bei der Refinanzierung über kurzfristige (bis zu einem Jahr Bindung) und langfristige (über ein Jahr Bindung) Kundeneinlagen im zweiten Quartal 2023. In der letzten Umfrage über das Kreditgeschäft wurden für das zweite Quartal 2023 noch Verschlechterungen bei den langfristigen Kundeneinlagen erwartet.

4 Weiterhin kaum Relevanz notleidender Kredite für die Kreditvergabepolitik der Banken

Beginnend mit der Umfrage vom Juli 2018 werden die teilnehmenden Banken halbjährlich zu den Auswirkungen von notleidenden Krediten auf ihre Kreditvergabepolitik und zu den entsprechenden Wirkungsweisen befragt. 15 Im Rahmen der ersten diesbezüglichen Erhebung wurde neben dem ersten Halbjahr 2018 auch der Zeitraum von 2014 bis 2017 erfasst. Die befragten Banken meldeten für diesen Zeitraum nur vereinzelt Verschärfungen der Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen aufgrund notleidender Kredite – vor allem im Zusammenhang mit Anforderungen regulatorischer Art.

Auch ab 2018 hatten notleidende Kredite nur geringe Auswirkungen auf die Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen der österreichischen Banken. Wie bereits für das erste und zweite Halbjahr 2022 vermerkten die Banken in der aktuellen Umfrage keine diesbezüglichen Effekte für das erste Halbjahr 2023.

Insgesamt zeigte sich die Kreditvergabepolitik der österreichischen Banken in den letzten Jahren also weitgehend unbeeinflusst von notleidenden Krediten. Gemäß den Umfrageergebnissen soll dies auch im zweiten Halbjahr 2023 im Wesentlichen so bleiben.

Vereinzelt werden leichte Verschärfungen der Kreditvergabepolitik im Unternehmenskundengeschäft in Hinblick auf notleidende Kredite erwartet.

Der Anteil notleidender Kredite war in Österreich im ersten Quartal 2023 mit 1,7% etwas niedriger als im Euroraum bzw. in der EU insgesamt (vgl. Supervisory Banking Statistics der EZB 16 und EBA Risk Dashboard 17 ) und ist in den letzten Jahren – wie in den meisten EU-Ländern – tendenziell gesunken bzw. stagniert seit einigen Quartalen. 18

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Nachfrage nach Unternehmenskrediten in Österreich und ihre Einflussfaktoren seit 2017 als kombiniertes Diagramm aus einer Linie und gestapelten Säulen. Die Linie stellt die Nachfrage dar, wobei die dazugehörige Skala von minus 100 bis plus 100 auf der linken y-Achse abgebildet ist. Die gestapelten Säulen stellen die Faktoren der Nachfrage dar, wobei die dazugehörige Skala von minus 300 bis plus 300 auf der rechten y-Achse abgebildet ist. Die Quartalsveränderungen werden als Nettoprozentsatz dargestellt. Positive Werte bezeichnen eine expansive Entwicklung (im Sinne eines Anstiegs der Nachfrage), negative Werte eine restriktive Entwicklung.

Die Grafik veranschaulicht folgende Entwicklungen: 2017 und 2018 kam es zu einer Hochkonjunktur mit einer stark steigenden Kreditnachfrage. 2019 folgte eine abnehmende Konjunkturdynamik, und die Kreditnachfrage stieg nicht weiter an. Im Jahr darauf gab es einen hohen Bedarf an Überbrückungskrediten und Refinanzierungen infolge der COVID-19-Pandemie, wobei vor allem im zweiten Quartal 2020 ein deutlicher Rückgang der Nachfrage nach Investitionsfinanzierungen verzeichnet wurde. Vom vierten Quartal 2021 bis zum vierten Quartal 2022 nahm die Kreditnachfrage zur kurzfristigen Finanzierung von Lagerhaltung und Betriebsmitteln wieder deutlich zu. Seit Mitte 2022 kommt es zu einer konjunkturellen Eintrübung und einer rückläufigen Nachfrage nach Investitionsfinanzierungen.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.
Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Nachfrage nach Wohnbaukrediten in Österreich und ihre Einflussfaktoren seit 2017 als kombiniertes Diagramm aus einer Linie und gestapelten Säulen. Die Linie stellt die Nachfrage dar, wobei die dazugehörige Skala von minus 100 bis plus 100 auf der linken y-Achse abgebildet ist. Die gestapelten Säulen stellen die Faktoren der Nachfrage dar, wobei die dazugehörige Skala von minus 350 bis plus 350 auf der rechten y-Achse abgebildet ist. Die Quartalsveränderungen werden als Nettoprozentsatz dargestellt. Positive Werte bezeichnen eine expansive Entwicklung (im Sinne eines Anstiegs der Nachfrage), negative Werte eine restriktive Entwicklung. Zusätzlich enthält die Grafik die Entwicklung des Anteils der abgelehnten Anträge für Wohnbaukredite als Linie analog zur Darstellung der Entwicklung der Nachfrage. Allerdings bezeichnen positive Werte hier einen Anstieg der Ablehnungen, also eine restriktive Entwicklung.

Die Grafik veranschaulicht folgende Entwicklungen: Von 2012 bis zum zweiten Quartal 2022 gab es eine expansive Entwicklung der Nachfrage nach Wohnbaukrediten, die nur wenige Unterbrechungen aufwies. Auch die COVID-19-Pandemie und die diesbezüglichen Eindämmungsmaßnahmen ab März 2020 konnten die Nachfrageentwicklung nur kurz bremsen. Im dritten und vierten Quartal 2022 ist die Nachfrage aber jeweils stark gesunken, was einen deutlichen Bruch der langjährigen, expansiven Entwicklung darstellt. Im ersten Quartal 2023 ist sie abermals gesunken, jedoch moderater als zuvor. Seither stagniert sie. Gleichzeitig ist der Anteil der abgelehnten Kreditanträge im dritten Quartal 2022 deutlich gestiegen.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.
Grafik 3 zeigt die Entwicklung der neu vereinbarten privaten Wohnbaukredite in Österreich und des Zinsniveaus seit 2009. Die Wohnbaukredite werden als Monatsvolumina in Mio EUR auf der linken Achse bzw. als Säulen dargestellt. Die dazugehörige Skala geht von null bis plus 3000. Das Zinsniveau wird anhand des Drei-Monats-Euribor und anhand der Zinsen für neu vereinbarte Wohnbaukredite in Österreich dargestellt. Die Darstellung erfolgt als Monatsdurchschnitte von Tageswerten in % auf der rechten Achse bzw. als Linien. Die dazugehörige Skala geht von minus eins bis plus fünf.

Die Grafik veranschaulicht folgende Entwicklungen: Die neu vereinbarten Wohnbaukredite sind von 2009 bis Mitte 2023 tendenziell stark gestiegen, von etwa 500 Mio EUR auf über 2500 Mio EUR. Im August 2023 sind sie abrupt auf etwa 1300 Mio EUR gefallen und seitdem tendenziell weiter gefallen. Im Mai 2023 betrug das Monatsvolumen etwa 900 Mio EUR. Die Zinsen sind von 2009 bis Anfang 2022 tendenziell gefallen und waren über Jahre hinweg sehr niedrig. Der Euribor lag Anfang 2022 unter minus 0,5 %, die Zinsen für neu vereinbarte Wohnbaukredite lagen bei ca. 1,2 %. Danach sind die Zinsen kontinuierlich gestiegen. Im Mai 2023 lag der Euribor bei ca. 3,4 %, die Zinsen für neu Vereinbarte Wohnbaukredite lagen bei ca. 3,9 %.

Anmerkungen zu den Zeitreihen für Kredite und Kreditzinsen: Neu vereinbarte EUR-Wohnbaukredite in Österreich an inländische private Haushalte, ohne Neuverhandlungen bestehender Kredite. Zinsen für neu vereinbarte EUR-Wohnbaukredite in Österreich an private Haushalte im Euroraum, inklusive Neuverhandlungen bestehender Kredite. Datenverfügbarkeit als Grund für methodische Unterschiede bei den dargestellten Zeitreihen. Zeitpunkt der Kreditvereinbarung maßgeblich für die statistische Erfassung, nicht Zeitpunkt der Auszahlung des Kredits. Private Haushalte inklusive private Organisationen ohne Erwerbszweck.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank, Europäische Zentralbank, Macrobond.

Die Zentralbanken des Euroraums – in Österreich die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – führen gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Anfang 2003 viermal jährlich eine Umfrage über das Kreditgeschäft im Euroraum durch, um ihren Informationsstand über das Kreditvergabeverhalten der Banken und das Kreditnachfrageverhalten von Unternehmen und privaten Haushalten zu verbessern. Dabei werden rund 160 führende Banken aus allen Ländern des Euroraums befragt, darunter acht Institute aus Österreich. Seit der Umfrage für das erste Quartal 2015 wird ein revidierter und erweiterter Fragebogen verwendet. Mit der Umfrage für das erste Quartal 2022 wurden einige der bestehenden Standardfragen erweitert.

Kreditrichtlinien sind die internen Kriterien (sowohl die schriftlich festgelegten als auch die ungeschriebenen), die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Bank Kredite vergeben möchte.

Kreditbedingungen sind die speziellen Verpflichtungen, auf die sich Kreditgeber und Kreditnehmer geeinigt haben (z. B. Margen, Nebenkosten, Sicherheitserfordernisse usw.).

Kreditmargen sind Aufschläge auf relevante Referenzzinssätze bzw. die Differenzen zwischen Kreditzinssätzen und Refinanzierungszinssätzen. Im Rahmen der Umfrage über das Kreditgeschäft im Euroraum wird bei einer Verringerung der Margen von einer Lockerung und bei einer Erhöhung der Margen von einer Verschärfung gesprochen. Eine Lockerung der Margen ist für Kreditnehmer positiv, schränkt aber unmittelbar die Ertragsmöglichkeiten der Banken als Kreditgeber ein.

Der Saldo aus positiven und negativen Antworten errechnet sich aus der Anzahl der Banken, die auf eine Frage in positiver Richtung antworten (z. B. Lockerung der Margen, Steigerung der Nachfrage) abzüglich der Anzahl der Banken, die auf eine Frage in negativer Richtung antworten (z. B. Verschärfung der Margen, Rückgang der Nachfrage). Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen hier als Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu verstehen.

Der Nettoprozentsatz ist der Saldo aus positiven und negativen Antworten im Verhältnis zur Anzahl der Antworten insgesamt. Wenn beispielsweise von acht antwortenden Banken zwei angeben, dass die Nachfrage nach Wohnbaukrediten gestiegen ist, eine angibt, dass die Nachfrage gesunken ist und die übrigen fünf angeben, dass die Nachfrage unverändert geblieben ist, dann ergibt sich ein Saldo von +1 bzw. ein Nettoprozentsatz von +12,5 (⅛). In diesem Beispiel gibt ein Überhang von nur einer Bank eine Nachfragesteigerung an – zu wenig, um daraus eine allgemeine Aussage abzuleiten. In einem solchen Fall muss von einer weitgehend unveränderten Situation ausgegangen werden.

Veröffentlichungshinweise: Die Berichte zur Umfrage über das Kreditgeschäft erscheinen ab Juli 2023 in der Publikationsreihe „OeNB Reports“. Davor sind sie in der OeNB-Publikation „Statistiken – Daten & Analysen“ erschienen. Links, weitere Informationen und Daten zu den Österreich-Ergebnissen finden sich unter https://www.oenb.at/Geldpolitik/Erhebungen/umfrage-ueber-das-kreditgeschaeft.html. Euroraum-Ergebnisse veröffentlicht die EZB (https://www.ecb.europa.eu/stats/ecb_surveys/bank_lending_survey/html/index.en.html).

1 Das Eurosystem, bestehend aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken der Länder des Euroraums (in Österreich die OeNB), führt jedes Quartal eine Umfrage durch, um Informationen über Angebot und Nachfrage im Kreditgeschäft der Banken mit Unternehmen und privaten Haushalten zu erheben. Befragt werden dabei leitende Kreditmanagerinnen und Kreditmanager großer Banken. Methodisch ist die Umfrage eine qualitative Erhebung. Die Antworten werden auf einer Ordinalskala erfasst. Die Fragen beziehen sich auf Veränderungen zur Vorperiode und die Gründe dafür. Die diesem Bericht zugrunde liegende Umfrage wurde in der zweiten Junihälfte 2023 durchgeführt. Redaktionsschluss für sonstige Daten: 19. Juli 2023.

2 Oesterreichische Nationalbank, Referat Konjunktur, gerald.hubmann@oenb.at.

3 In der Umfrage wird nach vollständig abgelehnten Kreditanträgen gefragt. In Tabelle 1 sind diesbezügliche Ergebnisse invertiert enthalten (als genehmigte Kreditanträge), um expansive Entwicklungen einheitlich mit positiven Werten bzw. restriktive Entwicklungen einheitlich mit negativen Werten darzustellen.

4 Seit der Umfragerunde für das zweite Quartal 2020 werden die teilnehmenden Banken halbjährlich zu Entwicklungen im Kreditgeschäft mit Unternehmen, gegliedert nach Wirtschaftssektoren, befragt. Die Entwicklungen werden für folgende Wirtschaftssektoren erhoben: verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren (hiervon ab der Umfragerunde für das vierte Quartal 2022 auch für energieintensives verarbeitendes Gewerbe), Baugewerbe/Bau (ohne Immobilien), Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen und Immobilien), Handel sowie Immobilien (noch zusätzlich untergliedert in Gewerbeimmobilien- und Wohnimmobilienwirtschaft).

5 Konkret geht es um die Auswirkungen von klimabedingten Risiken, von Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, ergriffen von Regierung, Geldpolitik und Aufsichts- bzw. Regulierungsbehörden, und von Maßnahmen der Banken im Zusammenhang mit dem Klimawandel auf die Angebotspolitik der Banken (Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen) und die Kreditnachfrage der Unternehmen, sowie um die entsprechenden Wirkungskanäle. Eine jährliche Wiederholung der Fragestellung ist vorgesehen.

6 Ziel der Verordnung ist die Begrenzung von zunehmenden systemischen Risiken bei der Wohnimmobilienfinanzierung in einem herausfordernden Umfeld (Eintrübung der Wirtschaftslage, Zinswende, gestiegene Immobilienpreise und bisherige Kreditvergabepraxis). Der Fokus wird dabei auf die finanzielle Belastung bzw. Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmenden gelegt. Durch die KIM-VO wurde für Wohnbaukredite eine maximale Beleihungsquote von 90 %, eine maximale Schuldendienstquote von 40 % und eine maximale Laufzeit von 35 Jahren festgelegt, wobei Ausnahmen von diesen Vorgaben in beschränktem Umfang möglich sind. Siehe die Presseaussendung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom 20. Juni 2022, https://www.fma.gv.at/fma-erlaesst-verordnung-fuer-nachhaltige-vergabestandards-bei-der-finanzierung-von-wohnimmobilien-kim-vo/ .

7 Die erste Umfrage über das Kreditgeschäft wurde für das vierte Quartal 2002 durchgeführt. Für das dritte Quartal 2022 meldeten fünf von sieben zu Wohnbaukrediten befragte Banken eine verminderte Nachfrage (Nettoprozentsatz von –71), für das vierte Quartal sechs von sieben Banken (Nettoprozentsatz von –86), wobei auch hauptsächlich von deutlichen Rückgängen berichtet wurde (und in geringerer Häufigkeit von leichten Rückgängen). Eine ähnlich auffällige Entwicklung bzgl. der Nachfrage nach Wohnbaukrediten gab es vom dritten Quartal 2008 bis zum ersten Quartal 2009 im Zuge der globalen Finanzkrise (Nettoprozentsätze von –60, –60 und –80 für die drei Quartale bei damals fünf befragten Banken).

8 Geldmarktzinsen (z. B. der EURIBOR), an die Zinsen für Wohnbaukredite häufig gebunden sind, steigen schon seit Jahresbeginn 2022. Die Zinsschritte der EZB bzw. ihre Ankündigung im Juni 2023 haben die Anstiege intensiviert.

9 In der Umfrage wird nach vollständig abgelehnten Kreditanträgen gefragt. In Tabelle 2 sind diesbezügliche Ergebnisse invertiert enthalten (als genehmigte Kreditanträge), um expansive Entwicklungen einheitlich mit positiven Werten bzw. restriktive Entwicklungen einheitlich mit negativen Werten darzustellen.

10 Echte Neukreditvergabe ohne neuverhandelte Kredite österreichischer Banken an inländische private Haushalte; Quelle: OeNB.

11 Der Dreimonats-EURIBOR war vom 28. April 2015 bis zum 13. Juli 2023 negativ und fiel dabei bis auf –0,605% am 14. Dezember 2021. In Zusammenhang mit der (erwarteten) Zinswende der EZB steigt er seit Anfang 2022, seit Mitte 2022 deutlich.

12 Im Rahmen der Umfrage über das Kreditgeschäft wurde das allgemeine Zinsniveau vom ersten Quartal 2015 bis zum zweiten Quartal 2022 als mit Abstand häufigster Grund für die gestiegene Nachfrage nach privaten Wohnbaukrediten genannt (davor wurde das allgemeine Zinsniveau nicht standardisiert als Faktor der Nachfrage erhoben).

13 Hinsichtlich der Nachfrage nach Konsum- und sonstigen Krediten berichtet lediglich eine Bank über einen leichten Anstieg aufgrund geringerer finanzieller Reserven der privaten Haushalte.

14 Einige Refinanzierungsmöglichkeiten, nach denen standardmäßig gefragt wird (Verbriefung von Krediten, außerbilanzielle Übertragung von Kreditrisiken), haben zuletzt für die an der Umfrage teilnehmenden Banken nur eine untergeordnete Rolle gespielt und sind nicht in der Tabelle enthalten.

15 Konkret wird gefragt, welche Auswirkungen die NPL-Quote auf die Kreditvergabepolitik der Banken hat. Die NPL-Quote ist definiert als der prozentuale Anteil des NPL-Bestands (brutto) in der Bankbilanz am Bruttobuchwert der Kredite. Anmerkung: NPL = non-performing loan/notleidender Kredit.

16 https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/statistics/html/index.en.html.

17 https://www.eba.europa.eu/risk-analysis-and-data/risk-dashboard.

18 Für nähere Informationen zu notleidenden Krediten und anderen für die Finanzmarktstabilität relevanten Entwicklungen siehe die halbjährlichen Finanzmarktstabilitätsberichte der OeNB: https://www.oenb.at/Publikationen/Finanzmarkt/Finanzmarktstabilitaetsbericht.html .

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