Systemische Risiken

Die makroprudenzielle Aufsicht bedarf einer Reihe von spezifischen Aufsichtsinstrumente, um systemische Risiken treffsicher und flexibel erkennen zu können. Mittels eines umfangreichen Instrumentariums kann zentralen Fehlentwicklungen im Finanzsystem entgegengewirkt werden:

  • etwa durch den antizyklischen Kapitalpuffer im Fall von exzessivem Kreditwachstum
  • durch strengere Kreditvergabebestimmungen (bei Überhitzung des Immobiliensektors)
  • durch besondere Liquiditätsanforderungen oder zusätzliche Offenlegungspflichten zur Erhöhung der Markttransparenz

Solche verschärften makroprudenziellen Anforderungen werden nach den Grundsätzen von Proportionalität und Effizienz passgenau für das jeweilige Risiko, für die betroffenen Institute und zeitlich begrenzt eingesetzt.

Welche Maßnahmen zur Reduktion von systemischen Risiken stehen zur Verfügung?

Unterscheidet man nach der Wirkungsweise, so können grundsätzlich die Maßnahmen in folgende Kategorien eingeteilt werden:
Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Bilanzstruktur: Instrumente dieser Kategorie beeinflussen das Ausmaß des Verschuldungsgrads und die Fristentransformation im Finanzsystem. Sie eignen sich zur Erkennung von zyklischen und strukturellen Risiken. Geeignete Instrumente sind u. a. Begrenzung des Verschuldungsgrads, antizyklische Kapital- und Liquiditätspuffer, Rückstellungsregeln (Provisioning), Puffer für systemrelevante Institute, Systemrisikopuffer, Großkreditgrenzen, Ausschüttungsbeschränkungen.

Maßnahmen, die Geschäftsbedingungen beeinflussen: Auch diese Instrumente sind v. a. zur Erkennung von zyklischen Risiken geeignet. Als Beispiele können Loan-to-Value-Ratios (Belehngrenzen), Loan-to-Income-Ratios (Begrenzungen der Kredithöhe im Verhältnis zum Einkommen), Margin-Anforderungen bzw. Sicherheitsabschläge im Zusammenhang mit besicherten Finanzierungen und Derivate-Transaktionen angeführt werden.

Maßnahmen betreffend Markt(infra)strukturen: Instrumente, die auf Verbesserung der Markt(infra)struktur abzielen, adressieren insbesondere die Verteilung von Risiken im Finanzsystem zu einem gegebenen Zeitpunkt (im Kreditzyklus) sowie die Intransparenz und Komplexität im Finanzsystem. Dazu zählen Anforderungen zu zentralem Clearing, Verwendung von organisierten Trading-Plattformen, spezifische Offenlegungsbestimmungen und Anpassung von Risikogewichten für bestimmte Transaktionen zwischen Finanzintermediären.

Nach Einsatzzweck abgestimmte Kapitalpuffer

Die OeNB ist verpflichtet, auf Basis der vorausschauenden Risikoerkennung – falls es ihr notwendig erscheint – dem FMSG Maßnahmen zur Reduktion von Systemrisiken vorzuschlagen.

Die wichtigsten Maßnahmen der makroprudenziellen Aufsicht sind die sogenannten Kapitalpuffer. Banken haben sie in hartem Kernkapital zusätzlich zu den Mindesteigenmittelerfordernissen und etwaigen zusätzlichen Eigenmittelerfordernissen zu halten. Unterschreitungen haben Ausschüttungsbeschränkungen und die Verpflichtung zur Erstellung eines Kapitalerhaltungsplans zur Folge. Je nach Einsatzzweck gibt es unterschiedliche Kapitalpuffer:

Zur Verhinderung von exzessivem Kreditwachstum:
Der Antizyklische Kapitalpuffer (AZKP, § 23a BWG) soll Risiken aus dem Kreditzyklus und übermäßigem Kreditwachstum entgegenwirken. Die Höhe des Puffers hängt von der jeweiligen Entwicklung und den spezifischen Gegebenheiten der Volkswirtschaft des Mitgliedstaates ab.

Zur Verhinderung der “too big to fail“-Problematik:
Die Kapitalpuffer für Systemrelevante Institute (§§ 23c und d BWG) sollen die negativen Auswirkungen einer Fehlfunktion oder des Scheiterns von für das Finanzsystem wichtigen Banken verhindern. Diese auch unter „too big to fail“ bekannte Problematik setzt für das Management der Banken falsche Anreize, höhere Risiken einzugehen, da im Fall des Scheiterns mit staatlicher Unterstützung gerechnet werden kann. Kriterien, ab wann eine Bank systemrelevant ist, umfassen insbesondere Größe, Bedeutung für den österreichischen, europäischen und globalen Finanzsektor, grenzüberschreitende Tätigkeiten sowie Verflechtung mit dem Finanzsystem.

Zur Verhinderung von Bankenrettungen aus öffentlichen Mitteln:Ein Systemrisikopuffer (SyRP, § 23e BWG) kann für alle oder auch nur für bestimmte Arten von Instituten verhängt werden, um systemische Risiken, die zu einer Störung des Finanzsystems mit möglicherweise bedeutenden nachteiligen Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft führen können, zu vermeiden bzw. zu mindern. Zudem kann er auf eine Teilgruppe von Risikopositionen gerichtet werden. Er bietet damit einen breiten Rahmen, um systemischen Risiken vorzubeugen und die Verwendung von Steuergeld für die Rettung notleidender Institute zu vermeiden.

Maßnahmen im Bereich von Alternativen Investmentfonds

Für alternative Investmentfonds kann die Behörde auf Basis eines OeNB-Gutachtens Obergrenzen für die Hebelfinanzierung festlegen. Maßnahmen zur Begrenzung des Liquiditätsrisikos bei offenen Immobilienfonds wurden adressiert und die Einführung entsprechender gesetzlicher Regelungen eingeleitet.

Maßnahmen im Immobilienbereich

Im Bereich der Immobilienfinanzierung stehen mittels kreditnehmerbasierter Maßnahmen (§ 23h BWG, z. B. Obergrenzen für Beleihungsquoten) Instrumente zur Verfügung, die einer nicht nachhaltigen Kreditvergabepraxis entgegenwirken und so verhindern, dass Immobilienpreisschwankungen zu hohen Kreditausfällen und einer Finanz- und Wirtschaftskrise führen. Voraussetzung für die Verhängung der Maßnahmen ist das Vorliegen von systemischen Risiken aus der Fremdkapitalfinanzierung von Immobilien.