I/4 Bankdirektion bzw. Generalrat

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Nach § 21 des Ersten Privilegiums vom 15. Juli 1817, wurde die Bankgesellschaft der „privilegirten oesterreichischen National-Bank“, neben dem Bankausschuss (siehe I/02), durch eine „Direkzion“ repräsentiert. Dieser oblag die Verwaltung des Bankvermögens und der damit zusammenhängenden Geschäfte (§ 27). Gemäß § 35 war sie hierbei „der Bankgesellschaft und dem Staate für eine redliche, aufmerksame und den Statuten entsprechende Geschäftsführung verantwortlich“.

In den ersten Bankstatuten vom 15. Juli 1817 wurden weiters der Wahlmodus sowie die Zusammensetzung dieses Gremiums bestimmt. Hiernach hatte die Direktion, neben dem Gouverneur und dem Gouverneurstellvertreter, aus (zunächst) sieben Direktoren zu bestehen. Nach Einzahlung des halben Bankaktienkapitals – was schließlich Ende 1819 erreicht wurde – hatte eine Erweiterung auf zwölf Direktoren zu erfolgen (§ 28). Die Direktoren gingen durch Wahl des Bankausschusses aus der Mitte der Aktionäre hervor und traten ihr Amt an, nachdem diese Wahl die kaiserliche Bestätigung erhielt (§ 30).

Am 27. November 1817 trat die definitiv konstituierte Bankdirektion zu ihrer ersten Sitzung zusammen.

In der Folgezeit veränderten sich die zuvor genannten Bestimmungen nicht wesentlich. Nach den Statuten von 1862 erfolgte die Wahl der Bankdirektoren durch die Generalversammlung (siehe I/03), welche den Bankausschuss ablöste. Deren Bestätigung blieb aber auch weiterhin dem Kaiser vorbehalten.

Wesentliche Veränderungen vollzogen sich im Rahmen der per Bankgesetz vom 27. Juni 1878 (RGBl. Nr. 66 / 1878) erfolgten Umgestaltung des österreichischen Noteninstituts in die „Oesterreichisch–ungarische Bank“. An die Stelle der früheren Bankdirektion trat nunmehr der Generalrat. Dieser bestand aus dem Gouverneur, zwei Vizegouverneuren und zwölf Generalräten (Artikel 26. der Statuten von 1878). Mit den Bankstatuten vom Jahre 1899 wurde der Generalrat um zwei Vizegouverneurstellvertreter vermehrt.

Der Generalrat vertrat die Bank nach außen, verwaltete das Vermögen und leitete bzw. überwachte den gesamten Geschäftsbetrieb der Oesterreichisch-ungarischen Bank (Artikel 25. der Statuten von 1878). Außerdem stand diesem das Recht zur Festsetzung der Geschäftsbedingungen sowie zur Entscheidung über die Errichtung oder Aufhebung von Bankfilialen der Oesterreichisch-ungarischen Bank zu.

Zu seiner ersten Sitzung trat der Generalrat der Oesterreichisch-ungarischen Bank am 29. Oktober 1878 zusammen.

Eine untergeordnete Funktion übten die anlässlich des Bankgesetzes von 1878 geschaffenen Direktionen der Hauptanstalten in Wien und Budapest aus, welche den dualistischen Charakter des Noteninstitutes repräsentierten. Deren Hauptaufgabe bestand darin, die Verteilung und die Summengrenze des für das Eskont- und das Darlehensgeschäft vorgesehenen Bankkredites zu bestimmen. Darüber mussten die Direktionen dem Generalrat Berichte erstatten, wobei letzterer die grundsätzlichen Entscheidungen traf. Hinsichtlich der Zusammensetzung, Funktion und Bedeutung sind diese beiden Direktionen n i c h t mit der früheren Bankdirektion der privilegirten österreichischen Nationalbank zu vergleichen – diese Aufgaben nahm, wie vorher beschrieben, nunmehr der Generalrat wahr!

Der Zusammenbruch der Doppelmonarchie ab Ende 1918 führte auch zum Zerfall der Oesterreichisch-ungarischen Bank. In Österreich wurde per Staatsgesetz vom 20. Dezember 1919 (StGBl. Nr. 574 / 1919) zur Leitung der die „österreichische Geschäftsführung“ betreffenden Angelegenheiten der Oesterreichisch-ungarischen Bank ein „engerer Generalrat“ berufen (§ 1). Neben der Ausübung der Funktionen des bisherigen Generalrates – nun auf Österreich beschränkt – hatte dieses Gremium auch jene Geschäfte zu besorgen, welche bis dahin dem Wirkungskreis der Direktion in Wien zugewiesen waren. Am 15. Dezember 1922 fand schließlich die letzte Sitzung des engeren Generalrates statt.

Daneben blieb aber auch der Generalrat in seiner bisherigen Form noch bis Ende 1922 bestehen. Die Aufgaben dieses „großen“ Generalrates lagen vor allem darin, die nötigen Maßnahmen für die Liquidation der Oesterreichisch-ungarischen Bank, vorbehaltlich der endgültigen Entscheidungen durch die Generalversammlung, durchzuführen.

Als Körperschaft zur Leitung und Überwachung der Verwaltung des Vermögens sowie des gesamten Geschäftsbetriebes der neu gegründeten „Oesterreichischen Nationalbank“, welche ihre Tätigkeit mit 1. Januar 1923 aufnahm, fungierte wiederum ein Generalrat. Dessen Funktionen wurden im IV. Titel (Verwaltung der Bank) der Satzungen der Oesterreichischen Nationalbank vom November 1922 festgehalten. Seine Zusammensetzung bestand aus einem Präsidenten und dreizehn Mitgliedern (gemäß Artikel 25. der Satzungen aus 1922).

Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Überleitung der Geschäfte von der Oesterreichisch-ungarischen Bank auf das neue österreichische Noteninstitut fand bereits am 23. Dezember 1922 die erste Sitzung des Generalrates statt.

Für die Ausführung der Beschlüsse und Verfügungen des Generalrates war nunmehr ein „Direktorium“ verantwortlich (siehe I/05). Diesem stand ein Generaldirektor vor, welcher mit der Oberleitung sämtlicher Geschäftszweige betraut war (Artikel 37.).

Spätere Novellierungen der Satzungen bewirkten keine wesentlichen Veränderungen bezüglich Funktion, Bedeutung und Zusammensetzung des Generalrates.

Der deutsche Einmarsch im März 1938 und die Eingliederung Österreichs in das „Großdeutsche Reich“ bereiteten auch der Tätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank ein jähes Ende. Die von den neuen Machthabern angeordnete Liquidation des österreichischen Noteninstituts wurde jedoch nie abgeschlossen. Dadurch blieb auch die Rechtskontinuität der Satzungen von 1922 gewahrt. Somit stellten diese im April 1945, als die Oesterreichische Nationalbank ihre Tätigkeit wieder aufnahm, immer noch das gesetzliche Fundament der Bank dar.

Allerdings befand sich die Nationalbank zu diesem Zeitpunkt nicht in der Verfassung, den Bestimmungen der Satzungen von 1922 in allen Belangen zu entsprechen. Die Leitung der Bank führte bis zum Zusammentritt eines neuen Generalrates ein dreigliedriger Beirat, angeführt vom einstweiligen Verwalter, Eugen W. Kaniak. Außerdem bedurfte es – zumindest vorübergehend – gesetzlicher Änderungen/Ergänzungen, welche auf die Lage von 1945 Bedacht nahmen. Diese vorläufige Rechtsgrundlage boten die Bestimmungen des Notenbank-Überleitungsgesetzes vom 3. Juli 1945(StGBl. Nr. 45/1945).

Aufgrund dessen wurden u. a. Zusammensetzung und Funktion des neuen Generalrates der OeNB festgelegt. So wurde die Anzahl der Generalräte auf neun reduziert, wobei diese über Vorschlag der Provisorischen Staatsregierung vom Staatskanzler ernannt wurden (Artikel II, § 2.). Präsident bzw. Vizepräsident führten zwar weiterhin den Vorsitz, gehörten aber diesem Gremium selbst nicht an und besaßen dort auch keine Stimme. Die erste Sitzung des neu konstituierten Generalrates der Oesterreichischen Nationalbank wurde schließlich am 3. August 1945 abgehalten.

Der aufgrund des Notenbank.Überleitungsgesetzes bestellte Generalrat wurde laut Artikel II, § 3, Absatz 1 des vorerwähnten Gesetzes beauftragt, sich mit dem Entwurf einer neuen Satzung zu befassen und der Provisorischen Staatsregierung als Gesetzesentwurf vorzulegen. Mit Rücksicht auf die umfassenden währungspolitischen Maßnahmen, welche nach 1945 zu treffen waren, sowie in Folge diverser innenpolitischer Schwierigkeiten kam es erst im Jahre 1955 zu einer Einigung über ein neues Notenbankstatut. Durch das Bundesgesetz vom 8. September 1955 zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Oesterreichischen Nationalbank („Nationalbankgesetz 1955“ - BGBl. Nr. 184 / 1955), welches dann am 24. September 1955 in Kraft trat, wurden die Rechtsverhältnisse bei der Oesterreichischen Nationalbank neu geordnet. Ein nunmehr aus dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und elf (inzwischen auf zwölf erhöht!) weiteren Mitgliedern zusammengesetzter Generalrat wurde zum obersten Gremium zur Leitung und Überwachung der gesamten Geschäftsführung sowie der Verwaltung des gesamten Bankvermögens festgeschrieben (Artikel IV, §§ 20–31). Damit besaß der Generalrat auch grundsätzliche Entscheidungsgewalt betreffend die österreichische Währungspolitik.

Einen tiefgehenden Eingriff brachte die Nationalbankgesetz-Novelle 1998 (BGBl. I Nr. 60 / 1998), welche angesichts der bevorstehenden Teilnahme Österreichs an der Europäischen Währungsunion ab 1. Jänner 1999 erlassen wurde, um das österreichische Notenbankrecht an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben anzupassen. So sind die währungs- und geldpolitischen Kompetenzen des Generalrates auf die Europäische Zentralbank übergegangen. Die Aufgaben des Generalrates haben sich nunmehr im Wesentlichen auf die eines Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft reduziert.