Univ.-Prof. Dr. Jörg Flecker

Jörg Flecker (Universität Wien) leitet das vom Jubiläumsfonds der OeNB unterstützte Forschungsprojekt "The effects of digitalisation on work and employment in the service sector".
Jörg Flecker
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Worum geht es in Ihrem Projekt?
Durch Digitalisierung erweitert sich der Spielraum für die Gestaltung von Organisation und Arbeit. Es gibt mehr Offenheit dafür, wann und wo gearbeitet wird, neue Tätigkeiten kommen hinzu, andere werden gänzlich oder teilweise automatisiert und fallen weg. Spannend ist nun die Frage, wie diese Offenheit in Unternehmen tatsächlich genutzt und die Gestaltung von Arbeit, Organisation und Technik ausgehandelt wird.

Was wurde mit den Mitteln aus dem OeNB-Jubiläumsfonds finanziert?
Es wurden vorwiegend Lohnkosten für die beteiligten Forscher*innen finanziert, welche die Literaturrecherchen, die Erhebungen mittels qualitativer Interviews und die Auswertungen durchführten und die Publikationen verfassten.

Womit beschäftigen Sie sich im Rahmen Ihres Projektes?
In einem ersten Schritt mit der Frage, welche Formen der Digitalisierung aktuell in ausgewählten Dienstleistungsbereichen anzutreffen sind: von digitaler Kommunikation und Workflow-Systemen bis hin zu spezifischen Automatisierungsschritten. In einem zweiten Schritt ging es darum zu analysieren, welche Auswirkungen diese Nutzung auf die Arbeitsgestaltung und auf Arbeitsbedingungen hat. Dabei zeigten sich die Dimensionen der Arbeitsintensität, der Arbeit-Freizeit-Konflikte, des ständigen Lernaufwands bei neuen Programmen, der hohen Standardisierung und stärkeren Routine in der Arbeit auf der einen Seite und der zeitlich und örtlich freieren Arbeit und der verantwortungsvolleren Tätigkeiten auf der anderen Seite. In einem dritten Schritt schließlich erkundeten wir, wie Beschäftigte und Personalvertretung in Digitalisierungsprozesse (Entwicklung, Einführung, Nutzung) einbezogen werden und Digitalisierung auch mitgestalten können.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Auch wenn ich mich mit diesem Thema seit fast 40 Jahren befasse, bleibt es spannend, weil es erstens immer neue Entwicklungen gibt, es andererseits auch aus verschiedenen theoretischen Perspektiven bearbeitet werden kann. Und schließlich hat das Thema große gesellschaftliche Relevanz.

Mit wem arbeiten Sie an diesem Projekt?
An dem Projekt arbeiten Kolleg*innen der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA), nämlich Philip Schörpf, Annika Schönauer und Franz Astleithner.  

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Was in den Unternehmen geschieht, deckt sich nicht mit der öffentlichen Diskussion über Digitalisierung. Es geht weniger um „gehypte“ Themen wie Künstliche Intelligenz, sondern stärker um inkrementelle Innovationen teils altbekannter Technologien. Dazu zählen gesamtbetriebliche Informationssysteme oder Enterprise Resource Planning (ERP) und digitale Kommunikation. Etwas neuer sind die Anwendungen sozialer Medien im Betrieb und robotic process automation, bei der einzelne Arbeitsschritte auf Programme übertragen werden.

Was die Veränderung der Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen betrifft, geht es zum einen in Richtung Befreiung von Routinearbeit und Höherqualifizierung, zum anderen aber auch in Richtung stärkerer Standardisierung und Vereinfachung der Tätigkeiten. In beiden Fällen wird das Potenzial zur Überwachung der Arbeitstätigkeit und der Arbeitsleistung ausgeweitet.

In die im Prozess der Digitalisierung zu treffenden Entscheidungen werden die Arbeitenden nur recht begrenzt einbezogen. Dafür gibt es Feedbacksysteme und Testprozedere, durch die vor allem die „Usability“ getestet wird. Angestellte sind teilweise auch aufgerufen, Vorschläge etwa für einzelne Automationsschritte zu machen. Betriebsrät*innen sind auf der Grundlage ihres gesetzlichen Mandats stark in Fragen des Datenschutzes, der Arbeitszeit und individueller Leistungskontrolle involviert. Wichtig für die Mitwirkung von Betriebsrät*innen ist ausreichende Information, wofür sich wiederum gute Kontakte mit den IT-Abteilungen als wertvoll erweisen. Betriebsrät*innen können dadurch Digitalisierung dort begrenzen, wo sie – etwa durch überbordende Überwachung – sehr nachteilig für die Angestellten werden kann.

Was ist am Projekt – aus Ihrer Sicht – relevant für die Allgemeinheit?
Wichtig ist es aufzuzeigen, dass Digitalisierung nicht „auf uns zukommt“ und wir uns anpassen müssen, sondern dass die Digitalisierung tagtäglich gestaltet wird. Damit wird klarer, dass die Auswirkungen der Digitalisierung weniger von der Technik als vielmehr von den getroffenen Entscheidungen im Hinblick auf die Gestaltung von Technik, Organisation und Arbeit abhängen. Damit wird deutlich, dass es wichtig ist, wer die Entscheidungen trifft und wer daran beteiligt ist, womit auch Fragen der Demokratisierung angesprochen sind. Eine Gestaltung im Sinne der Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird erleichtert, wenn konkret aufgezeigt wird, inwiefern Digitalisierungsprozesse zu besseren oder schlechteren Arbeitsbedingungen führen.

Wie geht es mit Ihrem Projekt jetzt weiter?
Im Moment sind weitere Publikationen in Arbeit, die in den nächsten Monaten bei wissenschaftlichen Zeitschriften eingereicht werden.