Verena Gamper

Kuratorin im Leopold Museum
verena gamper
(c) Leopold Museum, Wien / Foto: Ouriel Morgensztern

Verena Gamper ist Kuratorin im Leopold Museum und hat für die aktuelle Ausstellung „HAGENBUND. Von der gemäßigten zur radikalen Moderne“, die noch bis zum 6. Februar 2023 im Leopold Museum zu sehen ist, einen Beitrag im Ausstellungskatalog verfasst. Wissenschaftlich ist sie diesem Thema schon lange verbunden: Bereits in den Jahren 2013 bis 2015 arbeitete Verena Gamper an dem vom Jubiläumsfonds der OeNB finanzierten Projekt „Hagenbund – Ein europäisches Netzwerk in Wien 1900-1938“ am Belvedere mit.

OeNB: Frau Gamper, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch genommen haben. Sie selbst haben sich seit vielen Jahren mit dem Themenkreis „Künstlervereinigung Hagenbund“ – auch wissenschaftlich – beschäftigt. Wie würden Sie die Faszination beschreiben, die vom Hagenbund ausgeht. Was ist die Besonderheit dieser – neben der Secession und dem Künstlerhaus – dritten großen Vereinigung von Künstler:innen des beginnenden 20. Jahrhunderts?

Verena Gamper: Das Besondere und gleichzeitig Herausfordernde am Künstlerbund Hagen ist seine relative Unbekanntheit: Auch in Fachkreisen genießt diese wichtige Künstlervereinigung der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts noch immer nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit, wohl weil die Kunstgeschichtsschreibung zur Wiener Moderne weitgehend auf die Protagonisten Künstlerhaus und Secession zugespitzt formuliert wurde. In der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Hagenbundes tauchen beispielsweise Fragen zu Positionierung und Profilierung von Institutionen auf – Fragen, die auch für die Betrachtung des aktuellen Wiener Kunstfeldes Relevanz haben. Aus gegenwärtiger Perspektive ist in meinen Augen zudem besonders interessant, dass der Hagenbund nicht von einer zentralen Künstlerpersönlichkeit dominiert wurde und dadurch stärker als Kollektiv in all seiner Heterogenität wahrgenommen und diskutiert werden kann. Außerdem war er eine vorwiegend lokal agierende, aber international vernetzte Vereinigung, was eine nachhaltige künstlerische Befruchtung der Akteur:innen mit sich brachte. Nicht zuletzt ist es interessant sich anhand des Hagenbundes den Raum anzusehen, den Künstlerinnen innerhalb der von Männern gegründeten Vereinigungen einzunehmen möglich war, und wie sich ihre Rollen über die Jahrzehnte veränderten.

OeNB: Der aktuellen Ausstellung zum Hagenbund ist auch die OeNB sehr verbunden, stammen doch nicht weniger als acht Leihgaben aus der Nationalbank. Wir freuen uns, in einem derart gelungenen Rahmen Exponate aus unserer Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. Die OeNB sammelt seit Ende der 1980er Jahren österreichische Malerei und Skulptur aus der Zeit von 1918 bis heute. Damit unterstützt sie einerseits österreichische Kunst und stellt diese andererseits über Leihgaben in Museen den Menschen zur Verfügung. Welche Rolle nehmen heute institutionelle Sammlungen aus Ihrer Sicht ein?

Verena Gamper: Wir sind sehr glücklich über die wunderbaren Gemälde von Greta Freist, Carry Hauser, Robert Kloss, Viktor Planckh, Maximilian Reinitz und Franziska Zach, die unsere aktuelle Hagenbund-Ausstellung bereichern. Als institutionelle Sammlung mit einem dezidierten Schwerpunkt auf österreichische Kunst seit den 1920er Jahren trägt die Sammlung der OeNB einerseits zur Bewahrung von Kulturgütern und generell zur Sichtbarmachung des österreichischen Kunstschaffens bei. Andererseits stellt sie natürlich eine große Stütze für die Realisierung spezifischer Ausstellungsprojekte dar, da sie durch Leihgaben das Schließen von etwaigen Lücken in den Beständen von Museen ermöglicht. Insofern sind Rolle und Engagement institutioneller Sammlungen, die ihre Schätze auch einem interessierten Publikum zugänglich machen wollen, nicht hoch genug zu schätzen.

OeNB: Mit der Ausstellung im Leopold Museum schließt sich für die OeNB in gewisser Weise auch ein Kreis: Durch die Förderung des Jubiläumsfonds konnte wie erwähnt ein Forschungsprojekt zum Hagenbund finanziert werden, an dem Sie mitgearbeitet haben, und nun können wir die Werke der Künstler:innen des Hagenbunds endlich auch in einer gelungenen Ausstellung sehen. Spannt sich ein solcher Bogen auch durch Ihr vergangenes Jahrzehnt?

Verena Gamper: Die Förderung durch den Jubiläumsfonds der OeNB ermöglichte 2013–15 eine breit angelegte Quellenforschung zum Hagenbund, die zum einen mittels Netzwerkanalyse die Akteur:innen der Künstlervereinigung in einer Ausstellung vorzustellen erlaubte („Hagenbund – Ein europäisches Netzwerk der Moderne 1900–1938“, Belvedere 2014–15) und zum anderen eine Standardpublikation hervorbrachte. Die damals gesponnenen Fäden im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Leopold Museum unter anderen Vorzeichen wieder aufzugreifen, war eine lohnende Herausforderung und hat einmal mehr gezeigt, dass die Geschichte dieser Künstlervereinigung, von der Robert Musil 1922 schrieb, sie sei die „heute radikalste Gruppe“, noch lange nicht zu Ende erzählt ist, und mit jeder Zuwendung neue relevante Erkenntnisse gewonnen werden können. Daher würde ich vielleicht weniger von einem Kreis sprechen, der sich schließt, als vielmehr von einer weiteren Etappe auf einer Strecke, die noch viel Spannendes für kommende Ausstellungen und Publikationen bereithält.

OeNB: Frau Gamper, vielen Dank für dieses anregende Gespräch.