Konstantin M. Wacker

Professor an der Universität Groningen und aktuell Stipendiat des Klaus Liebscher Economic Research Scholarship (KLERS)

An der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaftspolitik: 
Der aktuelle KLERS-Preisträger im Interview

Warum dieses Stipendium?
Ich habe mich immer für die Schnittstelle von Forschung und Politik interessiert und war vor meiner akademischen Karriere unter anderem bei der Weltbank und der Europäischen Zentralbank. Durch das KLERS kann ich mich mit KollegInnen austauschen, die in das wirtschaftspolitische Tagesgeschehen und die politischen Diskussionen auf EZB-Ebene eingebunden sind und gleichzeitig gut in der akademischen Forschung mitmischen. Außerdem erlauben die Außenwirtschaftsdaten der OeNB bestimmte Analysen, die für andere Länder so nicht möglich sind.

Was ist Ihr Forschungsgebiet?
Ich forsche vorrangig zu Fragen von Globalisierung und makroökonomischer Entwicklung. In der Vergangenheit habe ich vor allem zu Auslandsdirektinvestitionen multinationaler Konzerne gearbeitet, derzeit forsche ich verstärkt zu Export-Qualität. Hauptsächlich arbeite ich dabei mit empirischen Daten und Methoden.

Mit welchem Projektvorschlag haben Sie sich für das Stipendium beworben?
Es geht bei dem Projekt um Zahlungsströme, die sich aus grenzüberschreitenden Vermögensbeständen ergeben und wie sich diese auf europäische und internationale Ungleichgewichte auswirken. Also zum Beispiel, wenn eine österreichische Anlegerin Renditen aus einer Firmenbeteiligung in Rumänien bezieht, dann geht das in die Zahlungsbilanz der beiden Länder ein.

Warum genau dieses Thema?
Diese grenzüberschreitenden Kapitaleinkommen spielen eine wichtige Rolle für Ungleichgewichte im Euroraum, werden aber politisch weniger diskutiert als zum Beispiel die traditionelle Handelsbilanz. Dabei sind die beiden Themen nicht voneinander zu trennen. Auch akademisch steckt die Forschung zu dieser Thematik eher noch in den Kinderschuhen.

Wie ist dieses Stipendium ausgelegt? Wie funktioniert es?
Die Bewerbungsfrist ist jedes Jahr im Oktober. Das Stipendium ist als Beratungsvertrag für ForscherInnen mit Expertise in Ökonomie und Finanzwissenschaft konzipiert. Man reicht selbst ein Proposal ein, es gibt aber in einigen Aspekten und Schwerpunktsetzungen eine Abstimmung mit der OeNB. Zumindest war das bei mir so und das war mir auch ein Anliegen. Ziel ist es ja, wie gesagt, einen guten Austausch mit den OeNB-KollegInnen zu haben.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der OeNB in Zeiten von Homeoffice und Split-Teams?
Der essenzielle Austausch klappt natürlich, nach einem Jahr Pandemie sind wir ja daran gewöhnt. Ein erstes Online-Seminar zur Thematik war sehr lebhaft und kontroversiell, das war eine willkommene Bereicherung im sonst eher isolierten Homeoffice-Alltag. Aber es fehlen natürlich die Möglichkeiten zum spontanen Austausch, die Kaffees, Lunches und Smalltalks, bei denen ja viele Ideen entstehen und sich Kontakte besser knüpfen lassen. Insofern freue ich mich natürlich auch, wenn sich interessierte KollegInnen in der OeNB bei Interesse einfach melden – irgendwelche Kanäle zum Gedankenaustausch findet man dann schon.

Gibt es schon Zwischenergebnisse Ihrer Forschungsarbeit? Können Sie schon erste Findings verraten?
Auffällig sind bisher vor allem zwei Beobachtungen: Zum einen spiegeln die Ungleichgewichte aus Kapitaleinkommen die innereuropäische Arbeitsteilung wider: Insbesondere Deutschland, das ja am Ende vieler Produktionsketten steht, erwirtschaftet Überschüsse aus ausländischen Beteiligungen, die „verlängerten Werkbänke“ in Zentral- und Osteuropa führen entsprechend Zahlungen ab. Deutschland ist überhaupt ein sehr interessanter, facettenreicher Fall, weil hier Zu- und Abflüsse eine gänzlich andere Struktur haben. Zum anderen stechen Länder heraus, die oft als europäische Steueroasen für Konzerne gesehen werden: In Irland und Luxemburg belaufen sich die Netto-Abflüsse durch ausländische Kapitaleinkommen zum Beispiel auf 20 % bzw. 15 % des Bruttoinlandsprodukts.

Welchen Tipp haben Sie für Bewerberinnen und Bewerber?
Ich habe bei meiner Bewerbung besonders darauf geachtet, dass das Thema wirtschaftspolitisch relevant ist und Anknüpfungspunkte mit der Arbeit der OeNB bietet. Auch in der Darstellung meines Proposals habe ich mich bemüht, dass sich die Relevanz des Themas nicht in technischen Details versteckt, sondern für einen breiteren Interessentenkreis zugänglich ist.