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Statistiken – Daten und Analysen Q4-21

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

Der einleitende Artikel des vorliegenden Statistiken-Heftes beschäftigt sich mit den wichtigsten ­Entwicklungen bei den österreichischen Finanzinstituten. Darin kommen Tina Wittenberger und ­Manuel Schubert zum Schluss, dass die Verbindlichkeiten der österreichischen Banken gegenüber der OeNB (z. B. durch die Refinanzierung im Rahmen des TLTRO-III-Programms) seit Ende 2019 stark angestiegen sind. Auf der Aktivseite der Bilanz stiegen die Guthaben des Bankensektors bei der OeNB im gleichen Zeitraum ebenfalls. Die auch von dieser Entwicklung abzuleitende ausgezeichnete ­Liquiditätsausstattung begünstigte die Kreditvergabe an die Realwirtschaft.

Wie gewohnt werden Ihnen die aktuellen Österreich-Ergebnisse der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft von Gerald Hubmann präsentiert. Es werden sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite der Kreditvergabe sowie die Refinanzierungssituation analysiert. Der Autor kommt zum Schluss, dass die Kreditnachfrage von Unternehmen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung ­anstieg.

Weiters beleuchtet eine Autorengemeinschaft aus sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der OeNB die Fortschritte der Kreditrisikoanalyse durch die Granulare Kreditdatenerhebung, die seit September 2018 in Österreich gemeldet wird. Insbesondere die Erhöhung der Granularität, die ­Erweiterung der Meldeinhalte, die Harmonisierung der Terminologie und der Konzepte sowie die ­Herabsetzung der Meldegrenze für juristische Personen brachte einen erheblichen Mehrwert in der Analyse der österreichischen Kreditinstitute gegenüber dem vormaligen Zentralen Kreditregister. Sie stärkt so die Bankenaufsicht in ihrer Tätigkeit und unterstützt die Bankenwirtschaft bei der Kreditvergabe.

Benjamin Haschka berichtet, dass die Bilanzsumme der österreichischen Versicherungen im Juni 2021 einen neuen historischen Höchststand erreichte. Dieses Wachstum war fast ausschließlich auf Preiseffekte zurückzuführen, wohingegen Nettotransaktionen im Jahresvergleich stagnierten. Im ­Vergleich zum restlichen Euroraum stechen die österreichischen Versicherungen aufgrund des höheren Anteils an Aktien mit überdurchschnittlich hohen Kursgewinnen hervor.

Erza Aruqaj, Lisa Reitbrecht und Patricia Walter nehmen in ihrem Beitrag die Entwicklung der österreichischen Leistungsbilanz unter die Lupe. Diese kippte im ersten Halbjahr 2021 nach vorläufiger Berechnung in ein Defizit im Ausmaß von –1,4% des BIP. Sowohl der Einnahmenüberschuss aus der traditionellen Säule des österreichischen Außenwirtschaftsergebnisses, dem Reiseverkehr, als auch jener aus dem Güterhandel verringerte sich deutlich.

Drei Kurzberichte sowie eine Auswahl von 13 Tabellen ergänzen das vorliegende Heft.

Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte (UZ 49) für österreichische Investmentfonds sorgt für verbesserte Transparenz bei Endkunden

Jun Chao Zhan 1

Zur Erreichung der angestrebten Ziele des europäischen Grünen Deals 2 spielen neben öffentlichen Finanzmitteln auch private Investitionen in klimafreundliche Branchen und Projekte eine essenzielle Rolle. Im Investitionsplan für den ­europäischen Grünen Deal 3 (IPEGD) wird explizit die Schaffung geeigneter Rahmen­bedingungen zur Förderung von nachhaltigen privaten Investitionen ­genannt, um zusätzliche finanzielle Mittel für die ökologisch-nachhaltige wirtschaftliche Transformation in der Europäischen Union zu mobilisieren.

Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Förderung privater Investitionen ist die Schaffung einheitlicher und nachvollziehbarer Standards bei angebotenen Finanzprodukten, um ein „Greenwashing“ am Markt zu unterbinden. In ­Verbindung mit der EU-Taxonomie-Verordnung 4 , welche ein einheitliches Klassifizierungssystem von ökologisch-nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeiten definiert, werden Offenlegungspflichten für nichtfinanzielle Firmen 5 und Finanzdienstleister im Hinblick auf relevante Nachhaltigkeitsfaktoren verpflichtend. Für Finanzmarktteilnehmer (z. B. Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Finanzberater und Investmentfonds, die Anlageprodukte anbieten) trat ab März 2021 die Verordnung (EU) 2019/2088 des europäischen Parlaments und des Rates über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor in Kraft. Finanzmarktteilnehmer müssen unter anderem auf ihrer Homepage und in Kundenberichten ­bekannt geben, ob sie im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen Nachhaltigkeitsfaktoren (sogenannte „ESG-Kriterien“, die auf die Bereiche „Enviromental“, „Social“ und „Governance“ Bezug nehmen) berücksichtigen, sowie nähere Informationen zu Methoden der Bewertung, Messung und Überwachung relevanter Nachhaltigkeitsindikatoren in ihrem Portfolio 6 zur Verfügung stellen. Die Finanzprodukte werden zudem von den Anbietern in drei Kategorien, in sogenannte „dunkelgrüne“, „hellgrüne“ und „sonstige“ Finanzprodukte eingeteilt. Je nach Selbsteinstufung müssen unterschiedlich strenge Nachhaltigkeitsanforderungen und Informationspflichten beachtet werden. 7

Österreichische Fonds haben die Möglichkeit, das Gütesiegel UZ 49 für nachhaltige Finanzprodukte des Bundesministeriums für Klimaschutz zu beantragen. 8 Das Gütesiegel UZ 49 kennzeichnet jene Finanzprodukte, die ökologisch und ­sozial nachhaltiger sind als vergleichbare Produkte in derselben Kategorie (Best in Class) 9 . In Bezug auf Fonds werden Anlagepolitik, Auswahlkriterien, Erhebungs-, Bewertungs- und Auswahlprozess für die nachhaltigen Anlageprodukte von einer unabhängigen Prüfstelle mit Hilfe eines Punktesystems bewertet. 10 Die Zertifizierung mit dem unabhängigen Gütesiegel trägt zur Erhöhung der Transparenz und Vergleichbarkeit der nachhaltigen Finanzprodukte bei. Insbesondere in Verbindung mit der Offenlegungspflicht für Finanzdienstleister gewinnt das Gütesiegel bei vielen heimischen Fonds in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung.

Marktanteil der mit dem Gütesiegel (UZ 49) gekennzeichneten Fonds im Aufwind

Tabelle 1: Inländische Fonds mit dem Gütesiegel (UZ 49)  
Zertifiziert
nach UZ 49 (Anzahl)
Zertifiziert
nach UZ 49 (Bestand)
Sonstige Fonds
(Bestand)
Gesamt
(Bestand)
Anteil
UZ 49-Fonds
Endstand zum Marktwert bewertet in Mrd EUR
Q4 18 57 5,79 167,76 173,55 3,3%
Q4 19 77 10,55 184,17 194,72 5,4%
Q4 20 96 17,37 185,08 202,45 8,6%
Q1 21 100 20,11 189,09 209,21 9,6%
Q2 21 106 22,40 197,09 219,49 10,2%
Quelle: OeNB, OeKB.

Obwohl das Gütesiegel UZ 49 des Bundesministeriums für Klimaschutz schon seit 2004 existiert und es somit eines der ersten dieser Zertifikate im europäischen Raum darstellt, hat es in der Fondsbranche erst in den letzten Jahren langsam an Bedeutung gewonnen. Die Anzahl der zertifizierten Fonds stieg von 57 im Jahr 2018 11 auf 106 im zweiten Quartal 2021. Das von zertifizierten Fonds begebene Volumen stieg in diesem Zeitraum von 5,79 Mrd EUR auf 22,40 Mrd EUR. ­Gemessen am Marktanteil konnten die mit dem UZ 49 gekennzeichneten Fonds ebenfalls einen starken Anstieg verzeichnen. Während der Anteil der mit dem UZ 49 gekennzeichneten inländischen Fonds an allen inländischen Fonds im Jahr 2018 lediglich 3,3% ausmachte, lag der Vergleichswert im ersten Quartal 2021 bereits bei 10,2%. Eine nähere Betrachtung des mit dem UZ 49 gekennzeichneten Fondsvolumens zeigt, dass Mischfonds mit 9,3 Mrd EUR (41%), Rentenfonds mit 6,5 Mrd EUR (29%) und Aktienfonds mit 5,9 Mrd EUR (27%) den Großteil des Gesamtvolumens der zertifizierten Fonds im zweiten Quartal 2021 ausmachten.

Die dynamische Entwicklung des nachhaltigen Fondsvolumens war selbst in dem von Unsicherheiten im Zuge der COVID-19-Pandemie geprägten Jahr 2020 ungebrochen und die mit dem UZ 49-Kennzeichen zertifizierten Fonds verzeichneten in diesem Krisenjahr sogar die höchste positive Bestandsveränderung im ­Betrachtungszeitraum. Die Bestandsveränderung lässt sich auf eine Kombination aus Nachfrageeffekt und Angebotseffekt durch Neuzertifizierungen zurückführen. Zwischen 2019 und 2020 hat sich die Anzahl der neu zertifizierten Fonds netto um 19 erhöht. Diese Zahl setzt sich aus 33 Neuzertifizierungen und dem Wegfall von 14 zertifizierten Fonds (z. B. durch Fondsschließung bzw. Zurücklegung oder ­Ablauf des Zertifikats 12 ) zusammen. Das Fondsvolumen der 33 im Jahr 2020 ­neuzertifizierten Fonds wies im Dezember 2020 7,6 Mrd EUR auf. Um den Nachfrageeffekt zu zeigen, werden lediglich die Nettotransaktionen der 77 bereits im Dezember 2019 zertifizierten Fonds über das Jahr 2020 betrachtet. 13 Hierbei zeigt sich, dass das aushaftende Fondsvolumen der 77 zertifizierten Fonds im Jahr 2020 eine transaktionsbedingte Veränderung in Höhe von +2,4 Mrd EUR aufwies. Dies entspricht einer dynamischen Jahreswachstumsrate 14 von +22% für das Jahr 2020. Im Vergleich dazu konnten die nichtzertifizierten Fonds mit einem Nettotrans­aktionsvolumen von 3,7 Mrd EUR lediglich eine Jahreswachstumsrate von +2% im Jahr 2020 verzeichnen. 15 Im ersten Halbjahr 2021 setzte sich diese dynamische Entwicklung der mit dem UZ 49-Kennzeichen zertifizierten Fonds fort. Jene 96 Fonds, welche zum Stichtag Dezember 2020 mit dem UZ 49-Kennzeichen zertifiziert waren, wiesen eine transaktionsbedingte Veränderung von +2,96 Mrd EUR auf. Dies entspricht einer Halbjahreswachstumsrate von +17% gegenüber dem ­Bestandsvolumen zum Jahresultimo 2020. Die nichtzertifizierten Fonds erzielten im ersten Halbjahr hingegen lediglich einen Vergleichswert von +3,3%, mit einer transaktionsbedingten Veränderung in Höhe von +6,1 Mrd EUR.

Zertifizierte Fonds sind vor allem bei privaten Haushalten beliebt

Die Untersuchung nach Gläubigersektoren 16 inländischer Fonds zeigt, dass die mit UZ 49 gekennzeichneten Investmentzertifikate hauptsächlich von inländischen privaten Haushalten 17 , Investmentfonds (Fonds-in-Fonds) und sonstigen nicht­monetären Finanzinstituten gehalten werden. Investmentzertifikate machen etwa 10% (81,8 Mrd EUR) des Finanzvermögens österreichischer Haushalte im ­zweiten Quartal 2021 aus. Der Anteil der von privaten Haushalten gehaltenen Fonds mit dem UZ 49-Gütesiegel hat sich von 5,2% (2,23 Mrd EUR) im Jahr 2018 auf 13,7% (7,55 Mrd EUR) im zweiten Quartal 2021 mehr als verdoppelt.

Um den Nachfrageeffekt privater Haushalte im Pandemiejahr 2020 zu betrachten, werden wie im vorangegangenen Kapitel nur jene Fonds als Basis herangezogen, welche bereits im Dezember 2019 ein entsprechendes Zertifikat aufwiesen. ­Private Haushalte investierten im Jahr 2020 netto +927 Mio EUR in die zertifizierten Fonds. Dies entspricht einer sehr dynamischen Jahreswachstumsrate von +27%, während nichtzertifizierte Fonds mit einem Nettotransaktionsvolumen von 1,4 Mrd EUR lediglich eine Jahreswachstumsrate von +3,2% verzeichneten.

Die starke dynamische Nachfrage nach UZ 49-zertifizierten Fonds setzte sich im Jahr 2021 fort. Auf Basis der im Dezember 2020 zertifizierten Fonds wurden von den privaten Haushalten im ersten Halbjahr 2021 Nettotransaktionen in Höhe von +1,1 Mrd EUR getätigt. Dies entspricht einer Halbjahreswachstumsrate von +21% gegenüber dem Bestandsvolumen zum Jahresultimo 2020. Die Nachfrage privater Haushalte nach nichtzertifizierten Fonds blieb im ersten Halbjahr 2021 mit einem Nettotransaktionsvolumen von +1,2 Mrd EUR und einer Halbjahreswachstumsrate von +2,8% hingegen deutlich geringer. Die kontinuierlich hohe Jahreswachstumsrate der zertifizierten Fonds spiegelt eine zunehmende Beliebtheit des UZ 49-Gütesiegels vor allem im Retail-Sektor wider.

Tabelle 2: Gläubiger inländischer Fonds zertifiziert nach UZ 49  
Q2 21 Q4 18
Gläubiger

Inländische Sektoren und Ausland

Zertifiziert
nach UZ 49
Sonstige
Fonds
Gesamt Anteil UZ 49-
Fonds pro Sektor
Zertifiziert
nach UZ 49
Sonstige
Fonds
Gesamt Anteil UZ 49-
Fonds pro Sektor
Endstand zum Marktwert bewertet
in Mrd EUR
in % Endstand zum Marktwert bewertet
in Mrd EUR
in %
Inland 16,18 174,55 190,73 8,5 4,94 149,16 154,10 3,2
Monetäre Finanzinstitute 0,23 6,76 6,99 3,3 0,04 7,16 7,20 0,5
Investmentfonds 4,78 26,94 31,73 15,1 1,61 23,00 24,61 6,5
Versicherungen 0,68 28,67 29,36 2,3 0,13 26,65 26,78 0,5
Pensionskassen 0,01 23,60 23,60 0,0 0,21 17,33 17,53 1,2
Sonstige nichtmonetäre
Finanzinstitute1
1,95 16,34 18,29 10,7 0,51 15,06 15,57 3,3
Staat 0,17 11,78 11,95 1,4 0,07 9,43 9,50 0,7
Nichtfinanzielle Unternehmen 0,80 12,91 13,71 5,8 0,15 9,87 10,02 1,5
Private Haushalte und Private
Organisationen ohne Erwerbszweck
7,55 47,54 55,09 13,7 2,23 40,65 42,88 5,2
Ausland 6,22 22,54 28,76 21,6 0,85 18,60 19,45 4,4
Gesamt 22,40 197,09 219,49 10,2 5,79 167,76 173,55 3,3
Quelle: OeNB, OeKB.
1 Entspricht den ESVG 2010-Sektoren S.125, S.126 & S.127.

1 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik – Außenwirtschaft, Finanzierungsrechnung und Monetär­statistiken, junchao.zhan@oenb.at.

2 https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de.

3 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_20_24.

4 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R0852&from=EN.

5 https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/company-reporting-and-auditing/company-reporting/corporate-­sustainability-reporting_en.

6 https://www.amundi.at/vertriebspartner/content/view/full/50742.

7 Hellgrün (gemäß Artikel 8 der Offenlegungsverordnung): eine explizite Nachhaltigkeits-Strategie ist vorhanden; Dunkelgrün (Artikel 9 der Offenlegungsverordnung): Anstreben von konkreten und messbaren Umweltzielen (z. B. Reduktion von CO2-Emissionen mit Zielwerten).

8 Die Zertifizierung muss freiwillig von den Emittenten beantragt werden. Nichtzertifizierte Finanzprodukte können daher ebenfalls Nachhaltigkeitsaspekte enthalten: https://www.umweltzeichen.at/de/f%C3%BCr-interessierte/der-weg-zum-umweltzeichen/antragsinfos-zur-richtlinie-uz49-nachhaltige-finanzprodukte.

9 Das Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte (UZ 49), auch „Österreichisches Umweltzeichen“ genannt, berücksichtigt neben Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit ebenfalls sozial-ethische und Corporate Governance-Kriterien im Zertifizierungsprozess.

10 Für eine detaillierte Beschreibung des Evaluierungsprozesses siehe: https://www.umweltzeichen.at/file/Richtlinie/
UZ%2049/Long/UZ49_R5a_Sustainable%20Financial%20Products_2020_EN.pdf.

11 Daten der mit UZ 49-Kennzeichen zertifizierten Fonds liegen ab Jahresende 2018 vor.

12 Das UZ 49-Zertifikat muss alle vier Jahre erneuert werden.

13 Hierbei handelt es sich um eine Annäherung des Nachfrageeffekts, da Transaktionen durch die Veränderung der Population innerhalb des Jahres nicht berücksichtigt werden.

14 Jahreswachstumsrate bereinigt um Preis- und Wechselkurseffekte.

15 Aufgrund des höheren Bestandsvolumens der nichtzertifizierten Fonds bedarf es für eine höhere Wachstumsrate einer höheren absoluten Nettotransaktion.

16 Gläubigersektoren nach dem Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010).

17 Private Haushalte inklusive private Organisationen ohne Erwerbszweck nach dem ESVG 2010.

Anzahl an Kartenzahlungen nahm 2020 weiter zu

Patrick Thienel 18

Im Jahr 2020 wurden durch österreichische Zahlungssystembetreiber (Banken, Zahlungsinstitute, E-Geld-Institute etc.) im Auftrag von Nichtbanken Zahlungsverkehrstransaktionen in Höhe von 3.577,6 Mrd EUR durchgeführt, wodurch sich gegenüber dem Vorjahr ein um rund 66 Mio EUR höherer Wert ergab. Im Detail entfielen 3.322,1 Mrd EUR auf Überweisungen, 199,2 Mrd EUR auf eingezogene Lastschriften, 47,5 Mrd EUR auf Zahlungen mit Zahlungskarten, 3,0 Mrd EUR auf Scheckzahlungen, 0,1 Mrd EUR auf E-Geld-Zahlungen (Prepaid-Kartenzahlungen) und 5,7 Mrd EUR auf sonstige Zahlungen (z. B. Bargeldüberweisungen, ­Zahlungen via Apps, Bezahldienste im Internet und Finanztransfergeschäfte). ­Während im Vergleich zum Jahr 2019 der Wert der Gesamttransaktionen lediglich um 1,9% stieg, erhöhte sich die ­Anzahl der Gesamttransaktionen um 5,8%.

Der Bargeldanteil an allen Zahlungsvorgängen in Österreich liegt mit 79% (bezogen auf die Anzahl der Transaktionen) und 58% (bezogen auf den Transaktions­wert) weiterhin deutlich über dem Euroraum-Durchschnitt (Anzahl: 73%; Wert: 48%). 19

Tabelle 1: Von Zahlungssystembetreibern aus Österreich abgewickelte unbare Zahlungstransaktionen (ohne Zwischenbankenzahlungsverkehr)  
Überweisungen Lastschriften Kartenzahlungen Schecks E-Geld-Zahlungen Sonstige Zahlungen
Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR
2014 524,3 2.861,1 450,2 144,6 559,1 33,1 1,3 8,3 9,9 0,2 8,0 1,3
2015 528,2 2.802,3 428,0 132,5 579,6 33,2 1,1 7,0 10,7 0,2 6,9 1,6
2016 530,1 2.778,5 422,3 128,0 649,2 35,7 1,0 6,9 10,2 0,2 44,6 2,0
2017 555,0 2.794,7 435,4 133,5 746,3 39,2 0,8 6,8 6,5 0,2 43,8 2,1
2018 578,7 3.016,3 457,6 157,1 863,9 43,3 0,7 5,9 4,4 0,1 46,5 3,0
2019 608,3 3.278,7 465,3 178,1 989,3 46,5 0,5 4,9 4,7 0,1 52,0 3,7
2020 618,9 3.322,1 462,6 199,2 1.104,3 47,5 0,3 3,0 4,7 0,1 52,1 5,7
Quelle: OeNB.

Ausschlaggebend für den stärkeren Anstieg bei der Anzahl von unbaren Transaktionen war insbesondere die Entwicklung bei der Anzahl an Kartenzahlungen (von rund 990 Millionen auf rund 1,1 Milliarden). Gemessen an allen unbaren Zahlungstransaktionen entfiel im Jahr 2020 ein Anteil von 49,3% auf Karten­zahlungen, gefolgt von Überweisungen mit 27,6% und Lastschriften mit 20,6%. Im Zeitverlauf seit 2014 20 ist somit ein deutlicher Trend vermehrter Karten­zahlungen erkennbar. Im Jahr 2014 war der Anteil der Kartenzahlungen an den gesamten unbaren Zahlungstransaktionen noch bei 36,0% gelegen, jener der Überweisungen bei 33,8% und jener der Lastschriften bei 29,0%.

Grafik 1 stellt die relative Wichtigkeit von Zahlungsinstrumenten in Prozent der Gesamttransaktionen in Österreich für das Jahr 2020 dar.

In der linken Abbildung der Doppelgrafik wird in einem Tortendiagramm die Verteilung der unterschiedlichen Zahlungsinstrumente bezogen auf die Anzahl der Transaktionen dargestellt.

Kartenzahlungen kommen auf einen Anteil von 49,24 %, Überweisungen kommen auf einen Anteil von 27,59 %, Lastschriften kommen auf einen Anteil von 20,63%, E-Geld-Zahlungen kommen auf einen Anteil von 0,21 %, Schecks kommen auf einen Anteil von 0,01 %, sonstige Zahlungen kommen auf einen Anteil von 2,38 %.

In der rechten Abbildung der Doppelgrafik wird in einem Tortendiagramm die Verteilung der unterschiedlichen Zahlungsinstrumente bezogen auf den Wert der Transaktionen dargestellt.

Überweisungen kommen auf einen Anteil von 92,86 %, Lastschriften kommen auf einen Anteil von 5,57 %, Kartenzahlungen kommen auf einen Anteil von 1,33 %, Schecks kommen auf einen Anteil von 0,08 %, E-Geld-Zahlungen kommen auf einen Anteil von gerundet 0,0 %, sonstige Zahlungen kommen auf einen Anteil von 0,16 %.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Nach dem Wert der Transaktion betrachtet wurde der Großteil der Zahlungen (92,9%) allerdings im Rahmen von Überweisungen abgewickelt. Tendenziell ist bemerkbar, dass in Österreich dieser Anteil im Zeitverlauf relativ konstant blieb (2014: 93,9%; 2020: 92,9%),

Der durchschnittliche Betrag pro Transaktion erreichte 2020 bei Überweisungen 5.368 EUR, bei Lastschriften 431 EUR, bei Kartenzahlungen 43 EUR, bei Scheckzahlungen 10.000 EUR 21 , bei E-Geld-Zahlungen 21 EUR und bei sonstigen Zahlungen 109 EUR. Im Zeitverlauf ist auffallend, dass der durchschnittliche ­Betrag einer Kartenzahlung seit 2014 von rund 59 EUR auf zuletzt 43 EUR stetig abnahm. Dafür verantwortlich sind auch neue Technologien (wie zum Beispiel NFC oder Apple Pay), die es den Kundinnen und Kunden einfacher machen, ihre Einkäufe unbar zu begleichen, wobei vermehrt auch kleinere Beträge mittels Zahlungskarte ­bezahlt werden.

Euroraum-Vergleich

Tabelle 2: Von Zahlungssystembetreibern aus dem Euroraum abgewickelte unbare Zahlungstransaktionen (ohne Zwischenbankenzahlungsverkehr)  
Überweisungen Lastschriften Kartenzahlungen Schecks E-Geld-Zahlungen Sonstige Zahlungen
Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR Anzahl in Mio Betrag in Mrd EUR
2014 17.482,6 131.558,8 17.332,2 6.012,0 27.022,8 1.338,1 2.961,5 2.693,6 2.067,1 73,4 1.217,6 1.925,9
2015 18.311,6 18.680,3 29.695,2 1.438,2 2.760,7 2.378,8 95,5 1.668,4 2.195,0
2016 19.097,5 133.387,9 18.963,8 6.321,2 32.923,7 1.543,9 2.547,6 2.827,6 119,0 1.478,4 1.915,4
2017 20.036,6 135.718,1 20.092,3 6.531,5 36.508,4 1.664,0 2.293,9 3.422,2 142,4 1.419,4 1.858,4
2018 20.978,7 134.026,9 20.620,8 6.725,9 41.501,2 1.824,5 2.072,7 2.085,6 4.084,7 172,3 1.472,8 1.747,1
2019 22.367,7 141.617,2 21.270,8 6.979,9 46.639,7 1.977,2 1.873,2 1.933,9 4.625,0 194,1 1.253,7 1.715,9
2020 23.089,6 155.764,3 22.217,2 6.595,8 47.820,7 1.961,1 1.386,4 1.424,0 6.120,8 256,3 1.002,9 1.345,6
Quelle: OeNB.
Anmerkung: Angaben mit „–“ bedeuten, dass die Werte vertraulich sind; d. h. ein oder zwei Länder haben den Wert als vertraulich gekennzeichnet, weil das Aggregat durch Daten von ­weniger als drei Meldern entstanden ist oder ein Melder einen Großteil zum Aggregat beisteuert.

Die im Euroraum im Jahr 2020 durch Zahlungssystembetreiber im Auftrag von Nichtbanken durchgeführten Zahlungsverkehrstransaktionen erreichten eine Höhe von 167.347,1 Mrd EUR. Die Struktur der Zahlungen ist weitestgehend mit jener in Österreich vergleichbar, im Detail sind aber folgende Unterschiede ­erkennbar: Der Großteil der unbaren Zahlungen entfiel 2020 mit 155.764,3 Mrd EUR auf Überweisungen (93,1%; Österreich: 92,9%), 6.595,8 Mrd EUR entfielen auf eingezogene Lastschriften (3,9%; Österreich: 5,6%), 1.961,1 Mrd EUR auf Zahlungen mit Zahlungskarten (1,2%; Österreich: 1,3%), 1.424,0 Mrd EUR auf Scheckzahlungen (0,9%; ­Österreich: 0,1%), 256,3 Mrd EUR auf E-Geld-Zahlungen (0,2%; Österreich: 0,0%) und 1.345,6 Mrd EUR auf sonstige Zahlungen (0,8%; Österreich: 0,2%).

Grafik 2 stellt die relative Wichtigkeit von Zahlungsinstrumenten in Prozent der Gesamttransaktionen im Euroraum für das Jahr 2020 dar.

In der linken Abbildung der Doppelgrafik wird in einem Tortendiagramm die Verteilung der unterschiedlichen Zahlungsinstrumente bezogen auf die Anzahl der Transaktionen dargestellt.

Kartenzahlungen kommen auf einen Anteil von 47,0 %, Überweisungen kommen auf einen Anteil von 22,7 %, Lastschriften kommen auf einen Anteil von 21,9 %, E-Geld-Zahlungen kommen auf einen Anteil von 6,0 %, Schecks kommen auf einen Anteil von 1,4 %, sonstige Zahlungen kommen auf einen Anteil von 1,0 %.

In der rechten Abbildung der Doppelgrafik wird in einem Tortendiagramm die Verteilung der unterschiedlichen Zahlungsinstrumente bezogen auf den Wert der Transaktionen dargestellt.

Überweisungen kommen auf einen Anteil von 93,1 %, Lastschriften kommen auf einen Anteil von 3,9 %, Kartenzahlungen kommen auf einen Anteil von 1,3 %, Schecks kommen auf einen Anteil von 0,8 %, E-Geld-Zahlungen kommen auf einen Anteil von gerundet 0,1 %, sonstige Zahlungen kommen auf einen Anteil von 0,8 %.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Gemessen an der Anzahl der Transaktionen dominierten im Jahr 2020 im Euroraum ebenfalls die Kartenzahlungen mit 47,1% (Österreich: 49,3%), gefolgt von Überweisungen mit 22,7% (Österreich: 27,6%) und Lastschriften mit 21,9% (Österreich: 20,6%). Auf Scheckzahlungen entfielen 1,2% (Österreich: 1,3%), auf E-Geld-Zahlungen 6,0% (Österreich: 0,2%) und auf sonstige Zahlungen 1,0% (Österreich: 2,3%). Die Entwicklung bei der Anzahl an Kartenzahlungen zeigte im Euroraum ein weniger dynamisches Bild als in Österreich. Während sich in Österreich die Anzahl an Kartentransaktionen seit 2014 fast verdoppelte, betrug der Zuwachs im Euroraum ca. +77%. Im Gegensatz zu Österreich war im ­Euroraum jedoch bei den E-Geld-Zahlungen im Jahr 2020 eine deutliche ­Erhöhung – sowohl bei der Anzahl als auch beim Transaktionsvolumen – erkennbar. Das liegt an den vermehrten Online-Käufen und der damit zusammenhängenden ­vermehrten Nutzung von E-Geld, was zumindest teilweise durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie begünstigt wurde. 22

Im Euroraum erreichte der durchschnittliche Betrag pro Transaktion im Jahr 2020 bei Überweisungen 6.746 EUR, bei Lastschriften 297 EUR, bei Karten­zahlungen 41 EUR, bei Scheckzahlungen 1.027 EUR, bei E-Geld-Zahlungen 42 EUR und bei sonstigen Zahlungen 1.342 EUR. Im Zeitverlauf seit 2014 ist auch im Euroraum ein Absinken des durchschnittlichen Betrages pro Transaktion bei ­Kartenzahlungen erkennbar. Der durchschnittliche Betrag in diesem Segment lag im Euroraum 2014 mit rund 50 EUR noch deutlich unter dem Vergleichswert für Österreich (59 EUR). Durch die dynamische Entwicklung in Österreich bei der Anzahl der Kartenzahlungen haben sich die beiden Durchschnittswerte ­angenähert und wiesen im Jahr 2020 mit 41 EUR (Euroraum) bzw. 43 EUR (Österreich) ähnlich hohe Werte auf.

Grundsätzlich haben Kartenzahlungen in den meisten anderen Euroraum-­Ländern eine wesentlich höhere Bedeutung als in Österreich. Deutschland (28,7%) und Italien (47,2%) haben einen niedrigeren Anteil an Kartenzahlungen (im ­Verhältnis zu den gesamten unbaren Zahlungstransaktionen) als Österreich. Die höchste Bedeutung haben Kartentransaktionen in Portugal (Kartenzahlungsanteil: 69,6%), Dänemark (69,0%) und Estland bzw. Lettland (jeweils 64,6%).

18 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik – Außenwirtschaft, Finanzierungsrechnung und Monetärstatistiken, patrick.thienel@oenb.at.

19 ECB. 2020. Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE). Diese Studie basiert auf einer euroraumweiten Erhebung der EZB im Jahr 2019.

20 Beginn der entsprechenden Erhebung durch die OeNB.

21 Ausschlaggebend für den hohen Durchschnittsbetrag dürften vor allem Großbetragszahlungen von Unternehmen sein. Der Durchschnittsbetrag von 10.000 EUR kommt aufgrund einer Berechnung mit gerundeten Zahlen zustande.

22 Das dürfte vor allem daran liegen, dass manche E-Geld-Zahlungen nicht in Österreich meldepflichtig sind; z. B. wird das Geschäft über PayPal zentral für den Euroraum in Luxemburg erfasst.

Konsumeinbruch lässt Finanzvermögen 2020 auf Rekordhoch steigen

Erza Aruqaj, Matthias Fuchs, Stefan Wiesinger 23

Der historische Einbruch des privaten Konsums als Folge der COVID-19-Pandemie ließ die ­Ersparnisse des heimischen Haushaltssektors trotz rückläufigem Einkommen im Jahr 2020 deutlich anwachsen. Eine Sparquote von 14,4 % bedeutete, dass die finanziellen Veranlagungen einen neuen Rekordwert erreichten, woraus sich auch ein neuer Höchststand des Geldvermögens von 778 Mrd EUR per Ultimo 2020 ergab. Einlagen blieben zwar die dominierende Veranlagungskomponente, das Interesse an Aktien und Investmentzertifikaten nahm jedoch zu. Gleichzeitig sorgte die Pandemie für eine verstärkte Nachfrage nach Bargeld. Die Verschuldung des Haushaltssektors verblieb auf stabilem Niveau.

Die gesundheitspolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schränkten die Konsummöglichkeiten privater Haushalte massiv ein und beeinflussten deren Sparverhalten damit maßgeblich. Im Jahr 2020 brach der private Konsum im Vergleich zu 2019 um 7,2 % ein. Betroffen waren vor allem die Bereiche Beherbergung und Gastronomie, Verkehr sowie Freizeit- und Kulturdienstleistungen. Seit Österreichs Beitritt zur EU hatte sich der Konsum – selbst im Verlauf der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 – stets positiv entwickelt. Erstmals rückläufig zeigte sich in diesem Zeitraum auch das netto verfügbare Einkommen (2020: –0,7 %). Das Phänomen einer gestiegenen Sparleistung ergibt sich somit zwangsläufig aus einem massiven Konsumverzicht und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pandemie österreichische Privathaushalte wirtschaftlich vor große Herausforderungen stellte. Aktuelle Entwicklungen lassen für 2021 einen Anstieg des Konsums und folglich einen Rückgang der Sparquote erwarten. 24

Grafik 1 mit dem Titel „Konsumeinbruch lässt Sparquote steigen“ zeigt in einem Säulendiagramm das Jahreswachstum des verfügbaren Nettoeinkommens sowie des Konsums im Zeitraum 2008 bis 2020. Gleichzeitig wird die Sparquote jeweils als Punkt gezeigt und zusätzlich für das Jahr 2021 abgebildet. Nettoeinkommen und Konsum entwickeln sich bis einschließlich 2019 stets positiv (im Bereich zwischen 0% und plus 5%), im Jahr 2020 weist das Einkommen mit minus 0,7% erstmals einen negativen Wert auf, der Konsum bricht mit minus 7,2% erstmals sogar deutlich ein. Die Sparquote erreicht mit 14,4% einen Höchststand, zuvor waren durchwegs geringere Sparquoten zu verzeichnen. Quelle: Oesterreichische Nationalbank.
Grafik 2 mit dem Titel „Sparquote lässt Geldvermögensbildung auf Rekordhoch steigen“ zeigt in einem Säulendiagramm die Entwicklung des Geldvermögens von 2008 bis zum ersten Halbjahr 2021. Das Geldvermögen ist nach folgenden Anlageinstrumenten gegliedert: Bargeld, Einlagen, börsennotierte Aktien und Investmentzertifikate, übrige Geldvermögensbildung. Das Jahr 2020 verzeichnet mit Abstand die höchste Geldvermögensbildung, diese erreicht 28,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus gegenüber 2019 von 70%. Im Durchschnitt wurden zwischen 2008 und 2019 12,7 Milliarden Euro veranlagt. Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Das Geldvermögen der privaten Haushalte markierte im Juni 2021 einen historischen Höchststand von 799 Mrd EUR. Das entspricht einem Zuwachs von rund 8 % seit Beginn der COVID-19-Pandemie (Ende 2019). Dieser Anstieg ist vor allem durch den intensiven Geldvermögensaufbau zu erklären, der 2020 mit 28,5 Mrd EUR (+70 % gegenüber 2019) ebenfalls ein Rekordniveau erreichte. Täglich fällige Einlagen waren 2020 weiterhin mit Abstand die beliebteste Anlagekategorie, 21,0 Mrd EUR wurden in dieser Form veranlagt.

Grafik 3 mit dem Titel „Riskante Veranlagungsformen verschaffen Haushalten Kursgewinne“ zeigt in einem Säulendiagramm den Vermögensbestand des Haushaltssektors aus börsennotierten Aktien sowie Investmentzertifikaten für die Zeitpunkte jeweils per Ende des vierten Quartals 2019 (97 Milliarden Euro), des ersten Quartals 2020 (87 Milliarden Euro) sowie des zweiten Quartals 2021 (120 Milliarden Euro). Kurseverluste im März 2020 führten zu einem deutlichen Vermögensverlust im ersten Quartal 2020. In weiterer Folge waren bis zum zweiten Quartal 2021 jedoch hohe Kursgewinne zu verzeichnen, wodurch das Geldvermögen aus börsennotierten Aktien und Investmentzertifikaten wieder deutlich zunahm. Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Deutlich gestiegen ist allerdings die Nachfrage nach Aktien und Investmentzertifikaten, die – unterstützt durch günstige Einstiegskurse infolge globaler Einbrüche an den Börsen im März 2020 – im Ausmaß von 6,5 Mrd EUR gekauft wurden. Seit Beginn der Pandemie wurden diese Anlageformen im Ausmaß von 11,7 Mrd EUR (davon 0,7 Mrd EUR im ersten Quartal 2020) zugekauft, dazu kamen 11 Mrd EUR an Kursgewinnen (–14 Mrd EUR im ersten Quartal 2020, +25 Mrd EUR in weiterer Folge), die den Gesamtbestand an börsennotierten Aktien und Investmentzertifikaten auf 120 Mrd EUR ansteigen ließ. Das Plus im Transaktionsaufbau in Relation zum Endstand per Ultimo 2019 lag bis zum ersten Halbjahr 2021 bei +12%, österreichische Haushalte konnten in diesem Zeitraum einen Kursgewinn von +11,6% verzeichnen. Im ersten Pandemie-Jahr 2020 lag der Transaktionsaufbau bei +6,7%, der Kursgewinn hingegen bei lediglich 1,5%.

Dieses Verhalten unterscheidet sich markant von jenem während der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008, die ihren Ausgang in der Finanzwirtschaft hatte und eine Flucht in sichere Anlagen nach sich zog. Wenig Interesse zeigten private Anlegerinnen und Anleger 2020 hingegen an verzinslichen Wertpapieren. Dies ist neben den derzeit ungünstigen Renditeerwartung auch mit einem geringen Emissionsangebot zu erklären.

Im Durchschnitt standen im Jahr 2020 jedem österreichischen Haushalt aufgrund des deutlichen Konsumrückgangs (–310 EUR pro Monat) monatlich 275 EUR mehr zur Verfügung als 2019. Diese zusätzlichen Mittel flossen im Ausmaß von 244 EUR in den Aufbau des Geldvermögens, während 31 EUR in realwirtschaftliche Investitionen wie z. B. Immobilien oder Gold veranlagt wurden. Die Pandemie führte bei vielen Haushalten zu verstärkter Nachfrage nach Bargeld – ein Verhalten, das nicht nur in Österreich, sondern im gesamten Euroraum zu beobachten war. Pro Haushalt wurden monatlich im Durchschnitt um 32 EUR mehr an Bargeldreserven angelegt als im Jahr 2019.

Während der österreichische Haushaltssektor sein Finanzvermögen in den letzten Jahren stetig ausbaute, verblieb die Verschuldung auf stabilem Niveau. Sie lag Ende Juni 2021 bei 209 Mrd EUR. Wohnbaukredite dominierten – auch im bisherigen Verlauf der COVID-19-Pandemie – die Haushaltsverschuldung und ­gewinnen auch weiterhin an Bedeutung. Konsumkredite werden dagegen schon seit mehreren Jahren in geringerem Maß nachgefragt.

Grafik 4 mit dem Titel „Nettogeldvermögen steigt: Verschuldung der Haushalte bleibt trotz Pandemie auf stabilem Niveau“ zeigt in einem Säulendiagramm das Geldvermögen, die Verbindlichkeiten sowie das Nettogeldvermögen von 2008 bis zum ersten Halbjahr 2021. Das Geldvermögen steigt ab 2008 (473,4 Milliarden Euro) bis zum ersten Halbjahr 2021 (798,8 Milliarden Euro) stetig an. Die Verbindlichkeiten bleiben annähernd konstant und erreichen im ersten Halbjahr 2021 209,3 Milliarden Euro. Folglich steigt auch das Nettogeldvermögen des Haushaltssektors in diesem Zeitraum laufend an. Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

23 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik – Außenwirtschaft, Finanzierungsrechnung und Monetär­statistiken, erza.aruquaj@oenb.at, matthias.fuchs@oenb.at, stefan.wiesinger@oenb.at.

24 Gesamtwirtschaftliche Prognose der OeNB für Österreich 2021 bis 2023 (Juni 2021): https://www.oenb.at/dam/jcr:019c3c9b-2446-4481-8bd6-7dd97517c71f/prognose_juni_21.pdf .

Analysen

Executive Summaries

Balance sheet structure of Austrian monetary financial institutions strongly impacted by monetary policy measures since 2020 – Austrian banks continue to fulfill intermediation role in challenging times

The total assets of monetary financial institutions (MFIs) resident in Austria expanded by 23% from end-2016 to August 2021, reaching EUR 1,015 billion. Most of the expansion took place in 2020, a year marked by numerous pandemic-related challenges. Safeguarding access to bank loans for ­nonfinancial corporations and households during these difficult times was of utmost importance, which is why the European Central Bank (ECB) responded by adapting its longer-term refinancing operations. In Austria, the Oesterreichische Nationalbank (OeNB) implements the ECB Governing Council’s decisions. Hence, transactions with the OeNB accounted for a large part of the increase
in MFIs’ balance sheets on both the asset and the liability side. In August 2021, claims on the OeNB made up 13% of MFIs’ total assets, compared to 3% at end-2016 (the volume of claims quintupled). Outstanding loans to households and nonfinancial corporations also rose significantly, with the ­transaction-related change amounting to +19% and +31%, respectively, over the review period. The share of OeNB deposits in MFIs’ total assets increased from 1% at end-2016 to 8% in August 2021, with the volume rising nearly sevenfold. Households and nonfinancial corporations also held more ­deposits with MFIs in August 2021 than in December 2016 (+22% and +41%, respectively). The ­Austrian banking sector has continued to fulfill its intermediation role throughout the COVID-19 ­pandemic, supplying the real economy with credit and taking in deposits. A steady flow of lending to households and nonfinancial corporations could be ensured at all times. With euro area banks, we see developments in balance sheet structures that are similar to those in the Austrian banking sector.

Enterprises take on more loans as economy recovers. Austrian results of the euro area bank lending survey published in October 2021

Demand for loans to enterprises has risen moderately in Austria since the second quarter of 2021. For the fourth quarter of 2021, banks expect the uptrend in loan demand to continue. These dynamics are based primarily on demand for long-term loans and the financing needs of major firms.

During the first three quarters of 2021, Austrian banks made hardly any adjustments to their credit standards and terms and conditions for corporate loans. Only the margins on average-risk loans were reduced slightly for reasons of competition.

In the retail banking segment, credit standards and terms and conditions for loans were also left largely unchanged over the same period. Demand for housing loans continued to be strong.

Following strong participation in targeted longer-term refinancing operations (TLTROs) in ­particular in June 2020 and March 2021, Austrian banks have shown less interest in TLTROs recently.

In response to the negative interest rate on the ECB’s deposit facility, banks have been lowering their interest rates on corporate and household deposits further over the past quarters. The impact was more pronounced for corporate deposits than for deposits by households.

AnaCredit and granular credit data collection enhance credit risk analysis in Austria

Granular credit data collection, which integrates the collection of analytical credit (AnaCredit) datasets, provides substantial added value in analyzing Austrian credit institutions compared with the previous central credit register framework. The new framework has enhanced data granularity, expanded the range of reporting items, harmonized terminology and concepts and lowered the reporting thresholds for legal persons. It thus strengthens banking supervision and supports bank lending by extending ­national feedback loops and implementing international feedback loops to AnaCredit reporting agents.

Austrian insurers report record total assets on the back of strong equity price gains

Austrian insurance companies’ total assets grew by around EUR 8 billion in the year to June 2021, compared with the same period the year before, reaching a record level of EUR 144.1 billion. The ­increase was almost exclusively attributable to price effects (+EUR 7.8 billion), while net transactions more or less stagnated year on year (+EUR 0.1 billion). Since the second quarter of 2020, price gains have driven the strong rise in insurers’ assets in each quarter. Compared to their euro area peers, ­Austrian insurers record higher shares of above-average performing stocks; at the same time, they have reduced their holdings of debt securities, the dominant investment instrument.

According to preliminary calculations, Austria’s current account balance resulted in a deficit of EUR 2.7 billion (or 1.4% of GDP) in the first half of 2021. This development contrasts with the current ­account surplus observed in the comparable period of 2020 and with the long-term trend that prevailed before the outbreak of the COVID-19 pandemic. Both the positive balance generated by travel – ­traditionally a pillar of Austria’s external trade – and net exports of goods declined substantially. ­Concerning other services, Austria’s total net expenditure decreased on balance; net exports in the technology sector continued to increase, however. While net exports of goods and services recorded a small surplus of EUR 0.8 billion, cross-border primary and secondary income posted a negative ­balance of EUR 3.5 billion in the first half of 2021, a substantial increase compared with the figure recorded in the first half of 2020.

Übersicht

Bilanzstruktur der Monetären Finanzinstitute in Österreich seit 2020 maß­geblich durch geldpolitische Maßnahmen beeinflusst

Die Bilanzsumme der in Österreich ansässigen Monetären Finanzinstitute (MFIs) stieg von Ende 2016 bis August 2021 um 23% auf 1.015 Mrd EUR. Ein Großteil des Bilanzsummenwachstums lässt sich auf das Jahr 2020, welches pandemiebedingt von zahlreichen Herausforderungen geprägt war, zurück­führen. Die Sicherstellung des Zugangs zu Bankkrediten seitens nichtfinanzieller Unternehmen und privater Haushalte auch in dieser herausfordernden Zeit war von größter Bedeutung, weshalb die ­Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Anpassung der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte ­reagierte. Der ­Anstieg der Bilanzsumme ist sowohl aktiv- als auch passivseitig maßgeblich auf die Transaktionen mit der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), die die geldpolitischen Entscheidungen des EZB-Rates in ­Österreich umsetzt, zurückzuführen. In Relation zur Bilanzsumme stieg die Bedeutung der Forderungen gegenüber der OeNB von 3% Ende 2016 auf 13% im August 2021 (das entsprechende Volumen ­verfünffachte sich). Die Kreditvolumina gegenüber privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unter­nehmen stiegen seit 2016 ebenfalls deutlich, und zwar transaktionsbedingt um 19% bzw. 31%. Der Anteil der Einlagen der OeNB an der Bilanzsumme der MFIs stieg von 1% Ende 2016 auf 8% im August 2021 (das entsprechende Volumen versiebenfachte sich beinahe). Aber auch private Haushalte und nicht­finanzielle Unternehmen hielten im August 2021 mehr Einlagen als im Dezember 2016 (um 22% bzw. 41%). Der österreichische Bankensektor hat auch in dem durch die COVID-19-Pandemie gekennzeichneten Jahr 2020 und darüber hinaus seine Intermediationsfunktion, d. h. die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen und Einlagen hereinzunehmen, erfüllt. Die Kreditvergabe an private ­Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen blieb zu jeder Zeit gewährleistet. Bei den Banken im Euroraum lässt sich eine im Vergleich zum österreichischen Bankensektor ähnliche Entwicklung der Bilanzstruktur beobachten.

Kreditnachfrage von Unternehmen steigt im Zuge der wirtschaftlichen Erholung. Österreich-Ergebnisse der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Oktober 2021

Seit dem zweiten Quartal 2021 steigt die Nachfrage nach Unternehmenskrediten moderat an. Für das vierte Quartal 2021 erwarten die Banken eine weiter steigende Kreditnachfrage. Getragen wird diese Entwicklung vor allem von der Nachfrage nach langfristigen Krediten und der Kreditnachfrage von großen Unternehmen.

Die Banken veränderten ihre Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen im Unternehmens­kunden­geschäft in den ersten drei Quartalen 2021 kaum. Lediglich die Margen für durchschnittlich risikoreiche Unternehmenskredite wurden in diesem Zeitraum aufgrund der Wettbewerbssituation leicht gesenkt.

In den ersten drei Quartalen 2021 blieben Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen im Privatkundengeschäft weitgehend unverändert. Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten war weiterhin kräftig.

Das Interesse der Banken an den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften hat zuletzt abgenommen – nach reger Beteiligung in der Vergangenheit (vor allem im Juni 2020 und im März 2021).

Aufgrund des negativen Zinssatzes der EZB-Einlagefazilität haben die Banken in den letzten ­Quartalen ihre Zinsen für Einlagen von Unternehmen und privaten Haushalten weiter gesenkt. Einlagen von Unternehmen waren deutlich stärker davon betroffen als Einlagen von privaten Haushalten.

Progression der Kreditrisikoanalyse durch AnaCredit und die Granulare ­Kreditdatenerhebung in Österreich

Die Einführung der Granularen Kreditdatenerhebung, welche AnaCredit (Analytical Credit Datasets) integriert erhebt, bietet durch die Erhöhung der Granularität, die Erweiterung der Meldeinhalte, die Harmonisierung der Terminologie und der Konzepte sowie die Herabsetzung der Meldegrenze für juristische Personen einen erheblichen Mehrwert in der Analyse der österreichischen Kreditinstitute gegenüber dem vormaligen Zentralen Kreditregister. Sie stärkt so die Bankenaufsicht in ihrer Tätigkeit und unterstützt die Bankenwirtschaft bei der Kreditvergabe durch eine erweiterte Obligorückmeldung inkl. internationaler Feedback-Loops im Bereich AnaCredit.

Kräftige Kursgewinne führen zu neuem Höchststand der Bilanzsumme österreichischer Versicherungen

Die Bilanzsumme der österreichischen Versicherungen erhöhte sich bis inklusive Juni 2021 im Jahresvergleich um rund 8 Mrd EUR und wies zu diesem Zeitpunkt einen historischen Höchststand von 144,1 Mrd EUR auf. Dieses Wachstum war fast ausschließlich (+7,8 Mrd EUR) auf Preiseffekte ­zurückzuführen, wohingegen Nettotransaktionen im Jahresvergleich stagnierten (+0,1 Mrd EUR). Die starke Erhöhung der Vermögensbestände der Versicherungen wurde durch Kursgewinne in allen Quartalen seit dem zweiten Quartal 2020 erreicht. Im Vergleich zum restlichen Euroraum stechen die österreichischen Versicherungen aufgrund des höheren Anteils an Aktien mit überdurchschnittlich hohen Kursgewinnen hervor, gleichzeitig gab es einen Abbau des dominierenden Instruments der ­gehaltenen Schuldverschreibungen.

Entwicklung der Außenwirtschaft Österreichs im zweiten Jahr der COVID-19-Pandemie

Die Leistungsbilanz Österreichs kippte im ersten Halbjahr 2021 nach vorläufiger Berechnung in ein Defizit von –2,7 Mrd EUR bzw. –1,4 % des BIP. Diese Entwicklung steht im Gegensatz zum Einnahmen­überschuss des Vergleichszeitraums 2020 und zum langfristen Trend vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Sowohl der Einnahmenüberschuss aus dem Reiseverkehr – der traditionellen Säule des österreichischen Außenwirtschaftsergebnisses – als auch jener aus dem Güterhandel verringerte sich deutlich. Aus dem sonstigen Dienstleistungsverkehr nahmen die Importaufwendungen, die Österreich insgesamt per saldo verzeichnete, ab, wobei die Nettoexporte aus dem Technologiesektor weiterhin zunahmen. Dem gering positiven Saldo aus dem Güter- und Dienstleistungshandel von +0,8 Mrd EUR steht ein negativer Saldo der grenzüberschreitenden Primär- und Sekundäreinkommen gegenüber, der im ersten Halbjahr 2021 mit –3,5 Mrd EUR deutlich stärker ausfiel als im Vorjahreszeitraum.

Bilanzstruktur der Monetären Finanzinstitute in Österreich seit 2020 maßgeblich durch geldpolitische Maßnahmen beeinflusst

Österreichische Banken erfüllen auch in herausfordernden Zeiten Intermediationsfunktion

Tina Wittenberger 25 , Manuel Schubert 26

Die Bilanzsumme der in Österreich ansässigen Monetären Finanzinstitute (MFIs) stieg von Ende 2016 bis August 2021 um 23% auf 1.015 Mrd EUR. Ein Großteil des Bilanzsummenwachstums lässt sich auf das Jahr 2020, welches pandemiebedingt von zahlreichen Herausforderungen geprägt war, zurückführen. Die Sicherstellung des Zugangs zu Bankkrediten ­seitens nichtfinanzieller Unternehmen und privater Haushalte auch in dieser herausfordernden Zeit war von größter Bedeutung, weshalb die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer ­Anpassung der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte reagierte. Der Anstieg der Bilanzsumme ist sowohl aktiv- als auch passivseitig maßgeblich auf die Transaktionen mit der ­Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), die die geldpolitischen Entscheidungen des EZB-­Rates in Österreich umsetzt, zurückzuführen. In Relation zur Bilanzsumme stieg die ­Bedeutung der Forderungen 27 gegenüber der OeNB von 3% Ende 2016 auf 13% im August 2021 (das entsprechende Volumen verfünffachte sich). Die Kreditvolumina gegenüber privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen stiegen seit 2016 ebenfalls deutlich, und zwar trans­aktionsbedingt um 19% bzw. 31%. Der Anteil der Einlagen 28 der OeNB an der Bilanzsumme der MFIs stieg von 1% Ende 2016 auf 8% im August 2021 (das entsprechende Volumen ­versiebenfachte sich beinahe). Aber auch private Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen hielten im August 2021 mehr Einlagen als im Dezember 2016 (um 22% bzw. 41%). Der österreichische Bankensektor hat auch in dem durch die COVID-19-Pandemie gekennzeichneten Jahr 2020 und darüber hinaus seine Intermediationsfunktion, d. h. die Realwirtschaft mit ­Krediten zu versorgen und Einlagen hereinzunehmen, erfüllt. Die Kreditvergabe an private Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen blieb zu jeder Zeit gewährleistet. Bei den ­Banken im Euroraum lässt sich eine im Vergleich zum österreichischen Bankensektor ähnliche Entwicklung der Bilanzstruktur beobachten.

1 Anstieg der Bilanzsumme der Monetären Finanzinstitute in Österreich insbesondere durch Zunahme der Forderungen gegenüber der OeNB geprägt

Die Bilanzsumme der in Österreich ansässigen Monetären Finanzinstitute (MFIs) betrug im August 2021 1.015 Mrd EUR. Die Aktivseite wird traditionell von ­Ausleihungen dominiert, die mit einer Höhe von 798 Mrd EUR einen Anteil von 79% an der Bilanzsumme erreichen (Grafik 1). 81% dieser Forderungen betreffen das Inlandsgeschäft. Der Rest teilt sich relativ gleichmäßig auf die Regionen „­Sonstige Währungsunion“ (74,3 Mrd EUR) und den „Rest der Welt“ (78,7 Mrd EUR) auf. Bei einer sektoralen Betrachtung der Ausleihungen stechen volumenmäßig die Forderungen gegenüber privaten Haushalten (179,9 Mrd EUR) und nichtfinanziellen Unternehmen (176,2 Mrd EUR) sowie gegenüber der Zentralbank (137 Mrd EUR) im Inland hervor. Diese drei Positionen stellen 62% der ­gesamten Ausleihungen dar.

Die zweitgrößte Aktiva-Position, wenngleich diese deutlich kleiner als jene der Ausleihungen ist, bilden die Schuldverschreibungen, die mit einer Höhe von 104,5 Mrd EUR (10% der Bilanzsumme) Eingang in die Bilanz der MFIs finden. Der aushaftende Bestand an Dividendenwerten und Beteiligungen betrug im August 2021 44 Mrd EUR (4% der Bilanzsumme), der Kassabestand 13,2 Mrd EUR und die Investmentfonds- und Geldmarktfondsanteile 6,5 Mrd EUR. Die in Grafik 1 als „Sonstiges“ zusammengefasste Kategorie beläuft sich auf 48,9 Mrd EUR und enthält Positionen wie Finanzderivate (20,3 Mrd EUR), sonstige Aktiva (17,9 Mrd EUR) sowie nichtfinanzielle Aktiva (7,5 Mrd EUR).

Bei Betrachtung der Entwicklung der Bilanzstruktur der MFIs vom Jahresultimo 2016 bis zum August 2021 zeigt sich, dass die Bilanzsumme um 23% gestiegen ist. 29 Diese Ausweitung der Bilanzsumme ist aktivseitig maßgeblich auf den Anstieg der Forderungen gegenüber der Oesterreichischen Nationalbank (hierzu zählen insbesondere jene liquiden Mittel, die für die Erfüllung der Mindestreserve auf den Konten der OeNB gehalten werden) von 27 Mrd EUR im Dezember 2016 auf 137 Mrd EUR im August 2021 – eine Verfünf­fachung dieser Bilanzposition – zurückzuführen, wobei der größte Sprung des Wertes im Jahr 2020 stattfand. Darüber­hinaus stiegen auch Kredite an nicht­finanzielle Unternehmen transaktionsbedingt 30 um etwa 42 Mrd EUR oder 31% an. Forderungen an private Haushalte nahmen im selben Zeitraum ebenfalls um 28 Mrd EUR oder 19% zu. In Relation zur Bilanzsumme stieg dem­zufolge die Bedeutung der Forderungen gegenüber der OeNB von 3% per Ende 2016 auf 13% im August 2021.

Grafik 1 zeigt in einem Säulendiagramm die Entwicklung der Bilanzstruktur der Aktivseite Monetärer Finanzinstitute in Österreich jeweils zum Jahresende von 2016 bis 2020 sowie für August 2021 (letztverfügbare Zahlen) in Milliarden Euro. Es ist ersichtlich, dass die Bilanzsumme seit 2016 gestiegen ist, was vor allem durch eine starke Ausweitung bei den Ausleihungen begründet ist. Weiters zeigt die Grafik, dass der Anstieg bei den Ausleihungen maßgeblich auf die Ausweitung der Forderungen gegenüber der Oesterreichischen Nationalbank seit 2019 zurückzuführen ist. Darüber hinaus stiegen auch Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte im Betrachtungszeitraum kontinuierlich an.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

2 Starkes Einlagenwachstum bei privaten Haushalten, nichtfinanziellen Unternehmen sowie der OeNB bewirkt Anstieg der Bilanzsumme der MFIs

Entsprechend dem traditionellen Geschäftsmodell der österreichischen Banken, Einlagen hereinzunehmen und Kredite zu vergeben, wird – neben der Dominanz der Forderungen auf der Aktivseite – die Passivseite der Bilanz der MFIs durch die Höhe der Einlagen geprägt. Diese beliefen sich im August 2021 auf 722,9 Mrd EUR und umfassten einen Anteil von 71% der Bilanzsumme.

Bei einer sektoralen Betrachtung der Einlagen im Inland überwiegen jene von privaten Haushalten mit einem Volumen von 287 Mrd EUR, das sind 40% der ­gesamten Einlagen (bzw. 28% der Bilanzsumme), gefolgt von Einlagen der OeNB 31 in Höhe von 86 Mrd EUR und Einlagen nichtfinanzieller Unternehmen in Höhe von 83,4 Mrd EUR. In Summe stammen 86% der Einlagen aus dem Inlandsgeschäft.

Die nächstgrößte Position hinsichtlich der Passivseite stellen die begebenen Schuldverschreibungen mit 149,8 Mrd EUR dar. Kapital und Rücklagen (inkl. Wertberichtigungen) machen 86,2 Mrd EUR (8% der Bilanzsumme) aus. Unter „Sonstiges“ (Grafik 2) werden Positionen wie sonstige Passiva und Finanzderivate in Höhe von insgesamt 56,4 Mrd EUR subsumiert.

Passivseitig ist das Bilanzsummenwachstum von Dezember 2016 bis August 2021 zu 85% auf das Wachstum von Einlagen der OeNB, der privaten Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen in Österreich zurückzuführen. Der Anstieg der Volumina der Einlagen der Zentralbank im Inland sticht hervor, wobei sich ein Großteil davon im Jahr 2020 zugetragen hat. Seit Jahresende 2016 bis August 2021 ist der Bestand um 73,5 Mrd EUR gewachsen und hat sich damit beinahe versieben­facht. Damit stieg auch der Anteil an der Bilanzsumme von 1% Ende 2016 auf 8% im August 2021. Aber auch private Haushalte hielten im August 2021 um 22% mehr Einlagen als im Dezember 2016. Die Einlagen nichtfinanzieller Unternehmen stiegen im selben Zeitraum um 41%, wenngleich dieses Wachstum von einem deutlich geringeren Niveau als bei privaten Haushalten ausging (Grafik 2).

Grafik 2 zeigt in einem Säulendiagramm die Entwicklung der Bilanzstruktur der Passivseite Monetärer Finanzinstitute in Österreich jeweils zum Jahresende von 2016 bis 2020 sowie bis August 2021 (letztverfügbare Zahlen) in Milliarden Euro. Das Bilanzsummenwachstum resultiert aus einem stetigen Wachstum der Einlagen der Oesterreichischen Nationalbank. Aber auch Einlagen inländischer privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen sind angestiegen. Seit Jahresende 2019 ist die Zunahme stark von den Entwicklungen gegenüber der OeNB getrieben.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

3 Österreichische Banken erfüllen auch in pandemiebedingt schwierigen Zeiten ihre Intermediationsfunktion – Kredite und Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen in Österreich stiegen im Jahr 2020 an

Nachdem ein Großteil des Bilanzsummenwachstums (+11% per Dezember 2020 im Vorjahresvergleich) der in Österreich ansässigen MFIs seit 2016 auf den starken Anstieg von Ausleihungen und Einlagen gegenüber bzw. von der Zentralbank in Österreich, aber auch privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen im Jahr 2020 zu erklären ist, soll in den Kapiteln 3 und 4 näher darauf eingegangen werden.

Das Jahr 2020 war pandemiebedingt von zahlreichen Herausforderungen ­geprägt. Betreffend den österreichischen Bankensektor lässt sich festhalten, dass dieser auch im schwierigen Jahr 2020 und darüber hinaus seine Intermediationsfunktion, d. h. die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen und Einlagen hereinzunehmen, erfüllt hat. Die Kreditvergabe an private Haushalte und ­nichtfinanzielle Unternehmen blieb zu jeder Zeit aufrecht.

Bei den Krediten privater Haushalte in Österreich lag die Jahreswachstumsrate Ende 2020 bei 3,6% und damit im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Getragen wurde dieses Wachstum im Jahr 2020 von Wohnbaukrediten, deren Wachstumsrate bei durchschnittlich 5,5% im Vergleich zum Vorjahr lag. Demgegenüber war die Konsumkreditvergabe rückläufig, was den Trend der letzten Jahre fortsetzte, der sich durch pandemiebedingt mangelnde Konsummöglichkeiten und die ­Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie verstärkt ­haben dürfte. Das Kreditwachstum im Bereich der Immobilienkredite zog im Jahr 2021 sogar noch an. Im August 2021 betrug das Wachstum bei Krediten an private Haushalte im Vorjahresvergleich 4,7% – ausschließlich getragen durch das Immobilienkreditwachstum (6,8%); das Konsumkreditwachstum war mit –2,5% im August 2021 im Vorjahresvergleich sogar rückläufig. Die Entwicklung bei den ­österreichischen Banken im Inlandsgeschäft geht konform mit jener des Gesamtbankensektors im Euroraum. Auch hier zogen die Immobilienkredite an private Haushalte bis August 2021 mit einer Jahreswachstumsrate von 5,8% weiter an. Das Konsum­kreditwachstum stagnierte hingegen im Euroraum mit 0,1%.

Das Kreditwachstum inländischer nichtfinanzieller Unternehmen lag im Jahr 2020 mit 5,0% etwas unter den Vergleichswerten der Vorjahre von etwa 6% – die vergleichsweise höheren Jahreswachstumsraten von 2017 bis 2019 sind durch das wirtschaftlich besonders günstige Umfeld in Österreich (aber auch im Ausland) in diesem Zeitraum erklärbar. Die im Jahr 2020 insbesondere in den ersten vier ­Monaten verzeichnete Wachstumsdynamik bei Unternehmenskrediten – ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie und unterstützt durch politische Maßnahmen (z. B. Kreditstundungen bzw. staatliche Garantien) – nahm bis zum Jahresende ab. Das Kreditwachstum nichtfinanzieller Unternehmen betrug in Österreich im ­August 2021 4,1% und lag damit deutlich über dem Euroraum-Durchschnitt von 1,5%.

Die Zunahme der Einlagen von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen bei den MFIs in Österreich im Jahr 2020 übertraf den Zuwachs beim Kreditbestand in diesen Segmenten: Während die Einlagen um 31 Mrd EUR anstiegen, nahm das Kreditvolumen nur um 14,1 Mrd EUR zu. Besonders stark stiegen die Einlagen von März auf April 2020, nämlich um 9,7 Mrd EUR, was fast einem Drittel des gesamten Anstiegs im Jahr 2020 entspricht. Dies fällt zeitlich mit dem ersten pandemiebezogenen wirtschaftlichen Lockdown und dem damit verbundenen erzwungenen Konsumverzicht zusammen. Von Jänner bis August 2021 stiegen die Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen um 2,5 Mrd EUR.

Grafik 3 stellt in einem Säulendiagramm die monatliche Entwicklung der Kredite und Einlagen gegenüber privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen in Österreich (in Milliarden Euro) in Form von Balken von Juni 2019 bis August 2021 dar. Beide Kategorien stiegen im Betrachtungszeitraum stetig an. Eine Linie (ablesbar auf der Sekundärachse) setzt die Kredite ins Verhältnis zu den Einlagen (die sogenannte Kredit-Einlagen-Quote); diese hat sich im Zeitverlauf nur gering verändert. 

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Setzt man die Kredite in Relation zu den Einlagen, wird der Anstieg der ­Einlagen im Jahr 2020 durch das Sinken dieser Quote um 4 Prozentpunkte von Dezember 2019 (98%) auf Dezember 2020 (94%) abermals deutlich. Im August 2021 betrug das Verhältnis 96%. Zudem dient die Kredit-Einlagen-Quote als Maßzahl der Refinanzierung der Banken, da Einlagen als stabile Refinanzierungsquelle gelten. Diese liegt seit 2016 bei jährlicher Betrachtung unter 100%, was bedeutet, dass die österreichischen Banken, auf das Inlandsgeschäft bezogen, ihre Kredite zur Gänze über Einlagen refinanzieren können. 32

4 Pandemiebedingt gelockerte geldpolitische Maßnahmen spiegeln sich bei den MFIs in Österreich wider

Wie in den Kapiteln zuvor dargestellt, haben sich die Bilanzsumme und -struktur der MFIs in Österreich aktivseitig insbesondere aufgrund der Forderungen gegenüber der OeNB verändert. Passivseitig spielten höhere Verbindlichkeiten gegenüber der inländischen Zentralbank ebenfalls eine signifikante Rolle. Der Anstieg dieser Positionen fällt nicht zufällig mit der pandemiebedingt äußerst heraus­fordernden Zeit seit 2020 und der geldpolitischen Reaktion der Europäischen ­Zentralbank (EZB) zusammen.

Als Reaktion auf potenziell mögliche Refinanzierungsengpässe aufgrund der COVID-19-Pandemie bei Banken und in weiterer Folge in der Realwirtschaft ­reagierte der EZB-Rat im März 2020 mit einer Anpassung der Parameter der ­gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs – targeted longer-term refinancing operations), welche mittlerweile in der dritten Auflage existieren. Die Sicherstellung des Zugangs zu Bankkrediten von nichtfinanziellen Unternehmen und privaten Haushalten in dieser schwierigen Periode war von größter Bedeutung. 33 Dass die österreichischen Banken die Kreditversorgung der Realwirtschaft auch in einer herausfordernden Zeit wie im Jahr 2020 aufrechterhielten, wurde bereits im vorangegangenen Kapitel dargestellt. Eine der maßgeblichsten Anpassungen des TLTRO-III-Programms war die Erhöhung des sogenannten „Globalen Kreditlimits“ von 30% auf 50% der anrechenbaren Kredite 34 . Zudem wurde die Möglichkeit einer freiwilligen vorzeitigen Rückzahlung schon nach einer Laufzeit von einem statt bisher zwei Jahren geschaffen.

Bereits im April 2020 wurden die TLTROs-III ein weiteres Mal angepasst, als ein „Besonderer Verzinsungszeitraum“ (SIRP – Special Interest Rate Period), ­laufend von Juni 2020 bis Juni 2021, eingeführt wurde, durch den die Banken in den Genuss eines Zinssatzes von 50 Basispunkten unter dem durchschnittlichen Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems, d. h. von –1% p.a., bei Erfüllung der Kriterien kommen. Im Dezember 2020 beschloss der EZB-Rat u. a. eine weitere Erhöhung des Globalen Kreditlimits von 50% auf 55% sowie eine Verlängerung des Besonderen Verzinsungszeitraumes um ein weiteres Jahr laufend bis Juni 2022 (ASIRP – Additional Special Interest Rate Period).

Zudem beschloss der EZB-Rat am 30. April 2020 eine neue Reihe nicht gezielter längerfristiger Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations – PELTROs), um die Liquiditätsbedingungen im Finanzsystem des Euroraums zu unterstützen und dazu beizutragen, das ­reibungslose Funktionieren der Geldmärkte aufrechtzuerhalten. Die Teilnahme der österreichischen Banken an diesem Programm war jedoch äußerst gering, ­sodass dieses Programm volumenmäßig im Vergleich zur Ausnützung des TLTRO-III-Programms nur eine sehr untergeordnete Rolle für die österreichischen ­Banken spielte.

Die geldpolitischen Lockerungen im Rahmen der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte spiegeln sich auch in der Entwicklung der Forderungen und ­Einlagen der österreichischen MFIs gegenüber der OeNB wider. Die mit Abstand höchsten Anstiege der Forderungen und Einlagen der in Österreich ansässigen MFIs gegenüber der OeNB wurden im Juni 2020 verzeichnet, als die Einlagen im Vergleich zum Vormonat um 31,4 Mrd EUR und die Forderungen um 26,5 Mrd EUR anstiegen, wie Grafik 4 veranschaulicht. Dies geht mit der besonders starken Teilnahme an der vierten TLTRO-III-Operation im Juni 2020, die auch den ­Beginn des Besonderen Verzinsungszeitraums darstellt, einher. Wie bereits ­erwähnt, können sich die Banken während dieser Periode bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen besonders günstig bei der Zentralbank refinanzieren. Nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch bei einer Einzelbankanalyse lässt sich eine Korrelation zwischen der Nutzung des TLTRO-III-Programms und der ­Ausweitung der jeweiligen Mindestreserveguthaben (Forderungen) feststellen. 35 Dies spiegelt auch eine gewisse Vorsichtshaltung seitens der Banken angesichts der Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie wider. Im März 2021 kam es zu einer weiteren starken Ausweitung der Einlagen (+10,4 Mrd EUR) bzw. der Forderungen (+18,9 Mrd EUR) gegenüber der OeNB. Bei dieser Entwicklung lässt sich ein zeitlicher Zusammenhang mit einer der quartalsweise stattfinden Tenderoperationen des TLTRO-III-Programms feststellen.

Grafik 4 zeigt in Form eines Säulendiagramms die monatliche Entwicklung der Forderungen und Einlagen österreichischer Banken (in Milliarden Euro) in Bezug auf die Oesterreichische Nationalbank seit Juni 2019. Besonders hervor sticht der sprunghafte Anstieg im Juni 2020, der sowohl bei den Forderungen als auch bei den Einlagen deutlich sichtbar ist. Diese Entwicklung lässt sich auf die ausgeweiteten geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zurückführen.

Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

Seit Juni 2020 ist die Zunahme der Zentralbankausleihungen und -einlagen bei den österreichischen Banken nach den Tenderoperationen der EZB oftmals „gleichläufig“. Wie im Kapitel zuvor erwähnt, bestätigt die verhältnismäßig günstige ­Kredit-Einlagen-Quote (Grafik 3) der österreichischen Banken von unter 100% im Inlandsgeschäft die Tatsache, dass die Kreditvergabe mit Einlagen privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen refinanziert werden kann. In ­Anbetracht der günstigen Kredit-Einlagen-Quote sowie der Teilnahme an den ­längerfristigen Refinanzierungsprogrammen der EZB sind die österreichischen Banken ausreichend mit Liquidität ausgestattet, um die Realwirtschaft auch ­weiterhin mit Krediten zu versorgen.

5 Entwicklung der Bilanzstruktur im Euroraum ähnlich jener Österreichs

Die Entwicklungen des österreichischen Bankensektors spiegeln sich im Wesentlichen auch bei den Banken des Euroraums wider. Die Bilanzsumme aller im ­Euroraum ansässigen MFIs belief sich mit August 2021 auf 36.941 Mrd EUR – den MFIs in Österreich kommt damit ein Anteil an der Bilanzsumme von 2,7% zu. Auf der Aktivseite entfällt wie auch in Österreich der größte Teil auf ­Ausleihungen, in Summe 27.046 Mrd EUR oder 73% der Bilanzsumme. 86% dieser Forderungen (23.369 Mrd EUR) stammen von Ansässigen im Euroraum. Eine genauere ­Betrachtung der sektoralen Aufteilung zeigt, dass der überwiegende Teil der ­Forderungen auch im Euroraum gegenüber privaten Haushalten (6.293 Mrd EUR), nichtfinanziellen Unternehmen (4.751 Mrd EUR) und Zentralbanken (4.488 Mrd EUR) besteht. Diese drei Positionen machen 57% aller Ausleihungen von Banken im Euroraum aus, womit dieser Anteil etwas geringer ausfällt als in Österreich (hier beträgt der Anteil 62% für das Inlandsgeschäft).

Die in Österreich beschriebenen Entwicklungen der Aktivseite der ­aggregierten Bilanz Monetärer Finanzinstitute seit Jahresultimo 2016 finden sich im ­Wesentlichen auch bei Betrachtung des gesamten Euroraums wieder – es zeigt sich ein ­Anwachsen der Bilanzsumme um 21%, für Österreich lag das Wachstum bei 23%. Der größte Anstieg ist auch hier mit einer Ausweitung der Ausleihungen gegenüber den ­Zentralbanken des Eurosystems begründbar, welche sich von 1.314 Mrd EUR im Dezember 2016 um 242% auf 4.488 Mrd EUR im August 2021 ausweiteten. Im Zeitverlauf stieg somit der Anteil dieser Ausleihungen an der gesamten Bilanzsumme von knapp über 4% zum Jahresultimo 2016 auf 12% im August 2021 an. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den österreichischen Banken, deren Anteile sich von 3% auf 13% erhöhten. Die Forderungen an nichtfinanzielle Unter­nehmen bzw. an private Haushalte im Euroraum wuchsen im betrachteten Zeitraum um 676 Mrd EUR oder 16% bzw. um 925 Mrd EUR oder 17% – damit jedenfalls weniger stark als die gesamte Bilanzsumme – an. Im Vergleich dazu haben die öster­reichischen Banken im selben Zeitraum ihre Kreditvolumina stärker ausgeweitet, und zwar um 31% bei den nichtfinanziellen Unternehmen und um 19% bei den privaten Haushalten.

Die Passivseite aller Banken im Euroraum wird ähnlich wie in Österreich von Einlagen dominiert – 26.334 Mrd EUR oder 71% der Bilanzsumme entfallen mit August 2021 allein auf diese Position. Die Einlagen weisen damit im Euroraum den gleichen Anteil an der Bilanzsumme von MFIs wie in Österreich auf. 22.803 Mrd EUR oder 87% davon betreffen wiederum Ansässige im Euroraum, wovon 8.658 Mrd EUR privaten Haushalten, 3.240 Mrd EUR nichtfinanziellen Unternehmen und 2.258 Mrd EUR Zentralbanken des Eurosystem zugerechnet werden können. 53% aller Einlagen bei Banken des Euroraums fallen somit auf diese drei ­Positionen. Der entsprechende Anteil für Österreich liegt mit 67% sogar deutlich höher.

Betrachtet man das Einlagenwachstum im Zeitverlauf von Dezember 2016 bis August 2021 im Detail, so lässt sich der Anstieg, wie auch in Österreich, vor allem auf private Haushalte, nichtfinanzielle Unternehmen und die deutlich höheren Verbindlichkeiten gegenüber den europäischen Zentralbanken zurückführen. Die Einlagen der Zentralbanken stiegen in diesem Zeitraum von 689 Mrd EUR auf 2.258 Mrd EUR, womit die Zunahme von 228% ähnlich hoch ausfällt wie bei den ­Ausleihungen. Der Anteil an der Bilanzsumme verdreifachte sich dementsprechend von 2% im Dezember 2016 auf 6% im August 2021. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den österreichischen Banken, wobei sich die Verbindlichkeiten der Banken gegenüber der OeNB in diesem Zeitraum sogar beinahe versiebenfachten, sodass der Anteil an der Bilanzsumme von 1% auf 8% stieg. Im selben Zeitraum stiegen die Einlagen von nichtfinanziellen Unternehmen im Euroraum um 1.029 Mrd EUR bzw. 45% (Österreich: 41%) und die Einlagen von privaten Haushalten um 1.820 Mrd EUR bzw. 27% (Österreich: 22%) etwas stärker als in Österreich an.

Äquivalent zur Entwicklung in Österreich zeigen sich die Effekte der ­gelockerten geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank auch bei der Betrachtung aller MFIs des Euroraums. Grafik 5 veranschaulicht die Zunahme der ­Einlagen und Forderungen gegenüber dem Eurosystem seit Juni 2019. Im Euroraum wurde ebenfalls der mit Abstand höchste Anstieg der Forderungen und Einlagen von ­ansässigen MFIs gegenüber dem Eurosystem im Juni 2020 verzeichnet, als es zu einer Ausweitung der Einlagen um 493 Mrd EUR bzw. der Forderungen um 584 Mrd EUR kam. Eine ähnliche Entwicklung wie in Österreich zeigte sich auch im März 2021, als die Einlagen um 299 Mrd EUR und die Forderungen um 301 Mrd EUR signifikant anstiegen. In beiden Fällen lässt sich ein zeitlicher Zusammenhang mit den quartalsweise stattfindenden TLTRO-III-Operationen feststellen.

Grafik 5 zeigt in einem Liniendiagramm die monatliche Entwicklung der Forderungen und Einlagen (in Milliarden Euro) bei den Banken des Euroraums in Bezug auf die nationalen Zentralbanken des Eurosystems seit Juni 2019. Ähnlich zur Entwicklung in Österreich ist auch hier eine deutliche Zunahme der Volumina seit Pandemiebeginn ersichtlich, was aus den ausgeweiteten geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank resultiert.

Quelle: Europäische Zentralbank.

25 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Finanzmarktstabilität und Makroprudenzielle Aufsicht, .

26 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik – Außenwirtschaft, Finanzierungsrechnung und Monetärstatistiken, manuel.schubert@oenb.at.

27 Hierzu zählen insbesondere jene liquiden Mittel, die für die Erfüllung der Mindestreserve auf den Konten der OeNB gehalten werden.

28 Die Refinanzierung der Geschäftsbanken bei der Zentralbank wird bei diesen als Einlage verbucht und stellt ­somit eine Verbindlichkeit gegenüber der Notenbank dar.

29 Der Zeitraum ab 2016 wurde gewählt, um die Entwicklungen der Bilanzstruktur der (zumindest) letzten fünf Jahre abzubilden. Die Jahre ab 2016 waren zudem von einem äußerst günstigen konjunkturellen Umfeld geprägt, das mit Beginn der COVID-19-Pandemie ein Ende fand.

30 Die Veränderung des aushaftenden Bestandes wird in diesem Fall um Wechselkurseffekte, Abschreibungen bzw. ­statistische Reklassifikationen bereinigt.

31 Die Refinanzierung der Geschäftsbanken bei der Zentralbank wird bei diesen als Einlage verbucht und stellt ­somit eine Verbindlichkeit gegenüber der Notenbank dar. Hierzu zählt bspw. die Teilnahme an den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften im Rahmen des TLTRO-III-Programms der EZB.

32 Bezieht man das Auslandsgeschäft mit privaten Haushalten und nichtfinanziellen Unternehmen mit ein, liegt die Kredite-Einlagen-Quote etwas höher: August 2021: 106%; Dezember 2016: 108%.

33 In Österreich nehmen 37 Institute an den TLTRO-III-Operationen teil (Stand Oktober 2021). Berücksichtigt man auch jene Banken, die im Zuge einer Bankengruppe an TLTRO-III teilnehmen, umfasst die Initiative 235 heimische Banken.

34 Anrechenbar sind all jene Kredite, die an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte (ausgenommen sind Wohnbaukredite) mit Sitz in einem Mitgliedstaat des Euroraums vergeben wurden.

35 Haschka, B. 2021. Starker Anstieg gehaltener Mindestreserveguthaben in Österreich und im Euroraum. In: ­Statistiken – Daten & Analysen Q3/21. OeNB. 45–49.

Kreditnachfrage von Unternehmen steigt im Zuge der wirtschaftlichen Erholung

Österreich-Ergebnisse der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Oktober 2021 36

Gerald Hubmann 37

Seit dem zweiten Quartal 2021 steigt die Nachfrage nach Unternehmenskrediten moderat an. Für das vierte Quartal 2021 erwarten die Banken eine weiter steigende Kreditnachfrage. ­Getragen wird diese Entwicklung vor allem von der Nachfrage nach langfristigen Krediten und der Kreditnachfrage von großen Unternehmen.

Die Banken veränderten ihre Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen im Unternehmenskundengeschäft in den ersten drei Quartalen 2021 kaum. Lediglich die Margen für durchschnittlich risikoreiche Unternehmenskredite wurden in diesem Zeitraum aufgrund der Wettbewerbs­situation leicht gesenkt.

In den ersten drei Quartalen 2021 blieben Kreditrichtlinien und Kreditbedingungen im Privatkundengeschäft weitgehend unverändert. Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten war weiterhin kräftig.

Das Interesse der Banken an den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften hat zuletzt abgenommen – nach reger Beteiligung in der Vergangenheit (vor allem im Juni 2020 und im März 2021).

Aufgrund des negativen Zinssatzes der EZB-Einlagefazilität haben die Banken in den letzten Quartalen ihre Zinsen für Einlagen von Unternehmen und privaten Haushalten weiter gesenkt. Einlagen von Unternehmen waren deutlich stärker davon betroffen als Einlagen von privaten Haushalten.

Die Entwicklungen im Kreditgeschäft sind immer auch vor dem allgemeinen ­konjunkturellen Hintergrund zu beurteilen und demnach seit März 2020 stark von den Folgen der COVID-19-Pandemie beeinflusst. Das reale BIP Österreichs ist im Jahr 2020 laut Statistik Austria um 6,7 % gesunken. Auch im ersten Quartal 2021 war es im Vergleich zum vierten Quartal 2020 leicht rückläufig (gemäß Statistik Austria um 0,5 %). Seit dem zweiten Quartal 2021 hat aber eine deutliche ­Erholung eingesetzt. Zur Jahresmitte 2021 wurde erstmals wieder das Vorkrisenniveau ­erreicht. Die aktuelle Wirtschaftsentwicklung kann zeitnah mit dem wöchentlichen BIP-Indikator der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) 38 verfolgt werden. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) erwarten laut ihrer jüngsten Prognosen vom Oktober 2021 ein kräftiges Wirtschaftswachstum und eine starke Zunahme der Investitionstätigkeit der Unternehmen für die Jahre 2021 und 2022. 39 Vor diesem konjunkturellen Hintergrund melden die Banken laut den aktuellen Umfrageergebnissen eine weiter steigende Kreditnachfrage.

Kapitel 1 behandelt das Kreditgeschäft der Banken mit Unternehmen, ­Kapitel 2 das Kreditgeschäft mit privaten Haushalten. In Kapitel 3 geht es um die Refinanzierungssituation der Banken. Kapitel 4 hat die Auswirkungen der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen des Eurosystems zum Thema. Vorab erfolgt der ­wichtige Hinweis, dass die Geldpolitik auf den Euroraum insgesamt ausgerichtet ist. Ihre generelle Wirksamkeit kann daher nicht anhand der hier präsentierten Österreich-Ergebnisse bewertet werden.

Detaillierte Umfrageergebnisse zu den einzelnen Quartalen seit dem Jahr 2017 sind den Tabellen 1 bis 3 zu entnehmen. Grafik 1 zeigt längerfristige Trends bei den Quartalsveränderungen hinsichtlich Kreditrichtlinien und Kreditnachfrage. Grafik 2 stellt die Entwicklung der Nachfrage nach Unternehmenskrediten und ihre Einflussfaktoren dar, Grafik 3 die langfristige Entwicklung der Bankeinlagen von Unternehmen und Haushalten in Österreich und Grafik 4 die langfristige ­Entwicklung der Zinsen für Neukredite in Österreich und des allgemeinen ­Zinsniveaus. Grafik 5 illustriert die Forderungen und Verbindlichkeiten der österreichischen Banken gegenüber dem Eurosystem. Kasten 1 am Ende des Artikels enthält u. a. Erläuterungen zu ausgewählten Fachbegriffen.

1 Kreditnachfrage von Unternehmen steigt weiterhin moderat an

In den Umfrageergebnissen zeigt sich die Erholung von den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Seit dem zweiten Quartal 2021 steigt die Nachfrage nach Unternehmenskrediten moderat an (Tabelle 1 und Grafik 1 40 ). Für das vierte Quartal 2021 erwarten die Banken einen weiteren leichten Anstieg. Diese expansiven ­Entwicklungen zeigen sich vor allem bei langfristigen Krediten (Laufzeit über ein Jahr) und bei Krediten an große Unternehmen. Der Anstieg der Nachfrage nach kurzfristigen Krediten (Laufzeit bis zu einem Jahr) sowie vonseiten kleiner und mittlerer Unternehmen fällt jedoch schwächer aus. In der letzten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Juli 2021 war eine deutlich stärkere Nachfrageentwicklung für das dritte Quartal 2021 erwartet worden (auch bei kurzfristigen Krediten und Krediten an kleine und mittlere Unternehmen). 41

Der Finanzierungsbedarf für Anlageinvestitionen wurde von den befragten Banken als Hauptgrund für die gestiegene Nachfrage nach Unternehmenskrediten im zweiten Quartal 2021 genannt (Grafik 2). Im dritten Quartal 2021 wirkten
vor allem der Finanzierungsbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel sowie ­Refinanzierungen bzw. Neuverhandlungen von Krediten expansiv auf die Nachfrage. Die verstärkte Nutzung von Innenfinanzierung 42 durch die Unternehmen hatte im zweiten und im dritten Quartal 2021 hingegen einen dämpfenden Effekt auf die Nachfrage.

Tabelle 1: Kredite oder Kreditrahmen für Unternehmen  
Saldo aus positiven und negativen Antworten,2 Antworten von 7 bzw. 8 Banken
2017 2018 2019 2020 2021
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4
Kreditrichtlinien (Lockerung = positiv, Verschärfung = negativ)
Unternehmen gesamt 0 1 –1 1 0 –1 0 0 –1 0 0 –1 –1 –1 –3 –3 0 0 –1 1
Kredite an kleine und mittlere ­Unternehmen 0 0 –1 0 0 –1 0 0 –1 0 0 –1 0 –1 –2 –2 –1 0 0 –1
Kredite an große Unternehmen 0 1 –1 1 0 1 0 0 –1 0 0 –1 –1 –1 –3 –2 1 0 –1 2
Kurzfristige Kredite
(Laufzeit bis zu einem Jahr)
0 1 –1 1 0 0 0 0 0 1 0 –1 0 –1 –3 –2 0 0 0 1
Langfristige Kredite (Laufzeit über ein Jahr) 0 1 –1 1 0 –1 0 0 –1 0 0 –1 –1 –1 –3 –3 0 0 –1 1
Kreditbedingungen insgesamt (Lockerung = positiv, Verschärfung = negativ)
Unternehmen gesamt 1 0 1 0 1 1 0 0 –1 1 1 2 –2 –3 –2 –2 –1 0 0 ..
Kredite an kleine und mittlere Unternehmen 1 0 1 0 1 –1 0 0 –1 0 1 1 –2 –2 –2 –2 –1 0 0 ..
Kredite an große Unternehmen 1 1 1 0 2 1 1 0 0 2 1 2 –1 –3 –2 –1 –1 0 0 ..
Margen für durchschnittliche Kredite (Lockerung/geringere Marge = positiv, Verschärfung/höhere Marge = negativ)
Unternehmen gesamt 4 3 3 0 3 3 1 0 1 2 4 3 –3 –3 –3 –1 2 1 2 ..
Kredite an kleine und mittlere Unternehmen 3 3 1 0 1 2 0 0 1 2 4 2 –1 –2 –3 –1 2 1 2 ..
Kredite an große Unternehmen 4 3 4 1 3 4 2 1 0 2 5 3 –3 –5 –3 0 3 1 2 ..
Margen für risikoreichere Kredite (Lockerung/geringere Marge = positiv, Verschärfung/höhere Marge = negativ)
Unternehmen gesamt 0 0 0 –1 0 0 –1 0 –1 0 0 1 –4 –6 –4 –3 –1 0 0 ..
Kredite an kleine und mittlere Unternehmen 0 0 0 –1 –1 –1 –1 0 –1 0 0 0 –2 –4 –5 –3 –1 0 0 ..
Kredite an große Unternehmen 1 1 0 –1 0 0 –1 0 –1 0 0 2 –4 –6 –4 –2 –1 0 0 ..
Genehmigte Kreditanträge (gestiegen = positiv, gesunken = negativ)
Anteil bezogen auf das Gesamtvolumen –1 1 –2 0 0 0 –2 –1 –1 –1 –2 –1 0 0 –3 –1 0 0 –1 ..
Kreditnachfrage (gestiegen = positiv, gesunken = negativ)
Unternehmen gesamt 4 3 2 4 4 5 2 3 –2 0 –1 1 5 6 2 –2 –1 3 2 2
Kredite an kleine und mittlere Unternehmen 3 1 2 3 3 3 1 3 –2 –1 –1 1 3 4 0 –3 –2 1 2 1
Kredite an große Unternehmen 4 2 2 3 2 5 3 3 –1 1 0 1 5 7 2 –2 –1 3 3 3
Kurzfristige Kredite
(Laufzeit bis zu einem Jahr)
1 2 0 3 2 3 0 2 0 2 1 1 6 5 1 –3 –2 2 0 1
Langfristige Kredite (Laufzeit über ein Jahr) 5 4 6 6 5 6 4 3 –1 –1 –1 2 1 6 2 –1 0 3 2 3
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu verstehen.

Der angesprochene Finanzierungsbedarf für Anlageinvestitionen im zweiten Quartal 2021 wies erstmals seit dem vierten Quartal 2018 (gegen Ende der letzten Hochkonjunkturphase) auf einen nennenswerten Anstieg der Kreditnachfrage ­aufgrund expansiver unternehmerischer Aktivitäten hin. Im ersten Halbjahr 2020 war es zwar zu einer deutlich intensivierten Kreditnachfrage von Unternehmen gekommen, allerdings vorwiegend in den ersten Monaten der COVID-19-Pandemie wegen des großen Bedarfs an Überbrückungskrediten und Refinanzierungen. Die Nachfrage nach Krediten für Anlageinvestitionen war im Jahr 2020 aber gesunken (vor allem im zweiten Quartal).

Die Richtlinien für Unternehmenskredite sind in den ersten drei Quartalen 2021 weitgehend unverändert geblieben, nachdem sie im dritten und vierten Quartal 2020 – hauptsächlich aufgrund der pandemiebedingten Risikosituation – wiederholt verschärft worden waren. Für das vierte Quartal 2021 erwarten die befragten Banken eine leichte Lockerung der Kreditrichtlinien für große Unternehmen.

Ähnlich wie bei den Richtlinien kam es auch bei den Kreditbedingungen ­insgesamt kaum zu Änderungen in den ersten drei Quartalen 2021. Die Margen für durchschnittliche Kredite wurden in diesem Zeitraum allerdings leicht gelockert bzw. gesenkt, zuletzt im dritten Quartal 2021. Als Grund dafür nannten die ­Banken die Wettbewerbssituation.

Im Jahr zuvor wurden die Kreditbedingungen hingegen zunehmend verschärft. Dies wurde hauptsächlich mit der Risikosituation begründet, aber auch mit ­Refinanzierungskosten und bilanziellen Restriktionen. Vor allem die Margen ­wurden laufend erhöht bzw. verschärft – jene für risikoreichere Kredite stärker als jene für durchschnittliche Kredite. Auch bei anderen Kreditbedingungen wurden die Banken 2020 restriktiver, wie etwa bei der Höhe von Krediten oder Kreditrahmen (hier kam es zu einer Reduktion) oder bei den Erfordernissen für Sicherheiten (hier zu einer Erhöhung). 43 Infolge der COVID-19-Pandemie wurden die Kreditbedingungen also schneller verschärft (ab dem ersten Quartal 2020) als die Kreditrichtlinien (ab dem dritten Quartal 2020).

2 Weiterhin stabile Entwicklung im Privatkundengeschäft

In den ersten drei Quartalen 2021 blieben Kreditrichtlinien, Kreditbedingungen und Kreditnachfrage im Privatkundengeschäft weitgehend unverändert – sowohl bei Wohnbaukrediten als auch bei Konsumkrediten und sonstigen Krediten ­(Tabelle 2 und Grafik 1). Im Ausblick auf das vierte Quartal 2021 erwarten die befragten Banken eine leichte Verschärfung der Richtlinien für Wohnbaukredite, ansonsten jedoch eine weitgehend unveränderte Situation bei Richtlinien und Nachfrage. (Für Kreditbedingungen wird in der Umfrage kein Ausblick auf das kommende Quartal erhoben.)

2020 kam es aufgrund der COVID-19-Pandemie allerdings zu restriktiven ­angebotsseitigen Entwicklungen im Kreditgeschäft der Banken mit privaten Haushalten, die vor allem mit der geänderten Risikosituation begründet wurden. ­Besonders auffällig waren wiederholte Verschärfungen der Margen (mit höheren Margen als Folge) für durchschnittliche und risikoreichere Wohnbaukredite sowie für risikoreichere Konsum- und sonstige Kredite, und wiederholte Verschärfungen der Richtlinien für Konsum- und sonstige Kredite. Im zweiten Quartal 2020 – ­geprägt von massiven Einschränkungen aufgrund der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie – gab es zudem einen markanten Einbruch der Nachfrage nach ­Konsum- und sonstigen Krediten, der von den befragten Banken mit geringeren Ausgaben für langlebige Konsumgüter (Pkw, Möbel usw.) 44 und gesunkenem ­Konsumentenvertrauen begründet wurde. Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten ist im Jahr 2020 hingegen etwas gestiegen (wie auch schon im zweiten Halbjahr 2019).

Tabelle 2: Kredite an private Haushalte  
Veränderung im jeweiligen Quartal,1 Ergebnisse für Österreich
Saldo aus positiven und negativen Antworten,2 Antworten von 7 Banken
Wohnbaukredite 2017 2018 2019 2020 2021
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4
Kreditrichtlinien 0 –1 1 –1 0 –2 –1 0 –2 –2 –1 –1 0 –2 –1 –1 0 1 –1 –2
Kreditbedingungen insgesamt 0 –1 1 0 1 –2 0 0 0 0 0 –1 0 –1 –1 –1 0 0 0 ..
Margen für durchschnittliche Kredite 1 2 2 1 2 1 2 1 2 2 3 1 0 –2 0 –4 0 –1 0 ..
Margen für risikoreichere Kredite 0 0 –1 –1 –1 –1 –1 0 0 0 0 0 –2 –3 –1 –2 –1 –1 –1 ..
Genehmigte Kreditanträge
(Anteil bezogen auf das Gesamtvolumen)
–1 0 0 0 0 –2 0 0 –1 –1 0 0 0 0 0 0 0 0 –1 ..
Kreditnachfrage 2 2 3 1 1 0 –1 –1 1 1 2 2 3 –1 2 0 1 1 1 –1
Konsumkredite und sonstige Kredite
Kreditrichtlinien 0 0 1 –1 1 –1 0 –1 0 –2 –2 –1 0 –3 –2 –3 –1 –1 0 0
Kreditbedingungen insgesamt 0 0 0 –1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 –1 –1 –2 0 0 0 ..
Margen für durchschnittliche Kredite 0 0 –1 1 0 0 0 1 0 0 1 1 0 –1 –1 –1 0 1 0 ..
Margen für risikoreichere Kredite 0 0 –1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 –2 –2 –1 –2 –1 –1 –1 ..
Genehmigte Kreditanträge
(Anteil bezogen auf das Gesamtvolumen)
0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 –1 –1 0 –3 –3 –1 –1 –1 –2 ..
Kreditnachfrage 2 3 0 0 –1 0 0 0 1 0 1 0 0 –4 –1 0 0 1 0 1
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu verstehen. Positiv = Lockerung von Richtlinien, Bedingungen und Margen (geringere Margen), Anstieg der genehmigten Kreditanträge, Anstieg der Nachfrage; negativ = umgekehrte Entwicklungen.

3 Verbesserte Refinanzierungsbedingungen für Banken

Während die österreichischen Banken 2017 bis 2019 überwiegend von positiven Entwicklungen ihrer Refinanzierungssituation berichtet hatten, verschlechterten sich ihre Bedingungen in den ersten beiden Quartalen 2020. Seit dem dritten Quartal 2020 hat sich die Refinanzierungssituation jedoch laufend verbessert – ­insbesondere im vierten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 (Tabelle 3 45 ). Unter anderem konnte eine durchgehend positive Entwicklung bei der Finanzierung über mittel- bis langfristige Anleihen und bei den Einlagen beobachtet ­werden 46 . Besonders die kurzfristigen Einlagen (Bindung bis zu einem Jahr) sind gemäß den Umfrageergebnissen gestiegen (Grafik 3 47 ). Am Geldmarkt kam es im dritten und vierten Quartal 2020 zu Verbesserungen für die Banken. Im Ausblick auf das vierte Quartal 2021 erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Banken einen weiteren, leichten Anstieg der kurzfristigen Einlagen.

Tabelle 3: Zugang der Banken zu ausgewählten Refinanzierungsquellen  
Veränderung im jeweiligen Quartal,1 Ergebnisse für Österreich
Saldo aus positiven und negativen Antworten,2 Antworten von 8 Banken
2017 2018 2019 2020 2021
Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4
Retail-Refinanzierung (Verbesserung = positiv, Verschlechterung = negativ)
Kurzfristige Einlagen (bis zu einem Jahr) 2 1 2 1 3 0 0 1 1 3 0 0 –1 2 1 4 2 2 3 2
Langfristige Einlagen (über ein Jahr) 0 1 1 –1 2 –1 –2 –1 0 –1 –2 0 –4 0 0 3 3 1 0 1
Unbesicherter Interbankengeldmarkt (Verbesserung = positiv, Verschlechterung = negativ)
Sehr kurzfristiger Geldmarkt
(bis zu einer Woche)
2 1 2 1 2 0 1 0 1 0 0 0 –1 –1 2 2 0 1 0 1
Kurzfristiger Geldmarkt (über eine Woche) 2 1 1 0 2 0 1 0 0 0 0 0 –5 –2 2 2 0 1 0 1
Großvolumige Schuldtitel (Verbesserung = positiv, Verschlechterung = negativ)
Kurzfristige Schuldtitel3 0 2 2 1 1 0 0 0 1 0 0 0 –1 –1 0 1 0 0 0 0
Mittel- bis langfristige Schuldtitel 3 3 4 4 3 0 –1 –3 3 4 3 1 –4 –4 3 5 5 2 3 1
Quelle: OeNB.
1 Die letzte Spalte enthält die Erwartungen der Banken für das angegebene nächste Quartal.
2 Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ dienen der Richtungsangabe und sind in diesem Zusammenhang als wertfrei zu verstehen.
3 Antworten von 3 bis 6 Banken.

4 Auswirkungen der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen des Eurosystems

Seit 2015 werden die Banken im Rahmen der Umfrage über das Kreditgeschäft halbjährlich zu den Auswirkungen der seit Oktober 2014 in verschiedenen Aus­formungen laufenden Wertpapierankaufprogramme des Eurosystems befragt (auch unter Berücksichtigung des Pandemie-Notfallankaufprogramms 48 ). Ebenso enthält die Umfrage halbjährlich Fragen zu den Auswirkungen des Mitte 2014 festgelegten negativen Zinssatzes der EZB-Einlagefazilität, der die Untergrenze des Zinskorridors bildet und mit dem die Geldmarktzinsen im Gleichlauf gesunken sind. 49 Seit 2020 werden auch die Auswirkungen des zweistufigen Systems für die Verzinsung von Überschussreserven („Tiering“) erhoben. 50 Des Weiteren thematisiert die Umfrage die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) des Eurosystems (derzeit die dritte Reihe dieser Geschäfte). 51

Die Programme zum Ankauf von Vermögenswerten haben seit 2018 zu Reduktionen der Bestände von Staatsanleihen von Euroraum-Ländern in den Aktiva der öster­reichischen Banken geführt. Die an der Umfrage teilnehmenden Banken berichten – nahezu durchgehend seit 2015 – einerseits von positiven Auswirkungen dieser Programme auf ihre Liquidität und ihre Finanzierungsbedingungen, andererseits von negativen Auswirkungen auf ihre Ertragslage aufgrund geschrumpfter Zinsergebnisse. Besonders die Ertragsbelastung haben die Banken immer wieder stark betont. Gemäß den Umfrageergebnissen hatten die Ankaufprogramme bisher kaum ­Effekte auf das Eigenkapital der Banken und ebenso wenig auf das Kreditangebots­verhalten der Banken sowie das vergebene Kreditvolumen.

Sehr deutlich äußern sich die Banken zum negativen Zinssatz der EZB-Einlagefazilität. Sie berichten seit 2016 von nachteiligen Auswirkungen auf ihr Zinsergebnis und damit auf ihre Ertragslage. Der negative EZB-Einlagensatz hat zum Rückgang der Kreditzinsen beigetragen – besonders bei Unternehmenskrediten und Wohnbaukrediten an private Haushalte, in geringerem Ausmaß bei Konsumkrediten und sonstigen Krediten an private Haushalte (Grafik 4 52 ). Mit dem negativen EZB-Einlagensatz geht ein Abwärtsdruck auf die Kreditmargen einher, der sich bei Unternehmens- und Wohnbaukrediten stärker niederschlägt als bei Konsum- und sonstigen ­Krediten. Vom vierten Quartal 2020 bis zum dritten Quartal 2021 hat es allerdings nur bei den Margen für Wohnbaukredite einen nennenswerten Abwärtsdruck gegeben, kaum jedoch auf die Margen für Unternehmenskredite sowie für Konsum- und sonstige Kredite. Auf Kreditnebenkosten und das vergebene Kreditvolumen hatte der negative EZB-Einlagensatz bisher nur einen geringen Effekt.

Die Banken haben seit dem vierten Quartal 2019 (für die Zeit davor wurden sie hierzu nicht befragt) ihre Einlagenzinsen aufgrund des negativen Zinssatzes der EZB-Einlagefazilität laufend gesenkt, wovon Einlagen von Unternehmen deutlich stärker betroffen gewesen sind als Einlagen von privaten Haushalten. 53 Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Verrechnung von negativen Zinsen auf Spareinlagen von privaten Haushalten in Österreich aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichtshofs untersagt ist.

Das zweistufige System für die Verzinsung von Überschussliquidität wird von den meisten Banken begrüßt, weil es die oben angesprochenen negativen Auswirkungen auf ihr Zinsergebnis und ihre Ertragslage dämpft. Effekte des zweistufigen Systems auf die Kreditzinsen und die Zinsen für Kundeneinlagen wurden kaum gemeldet.

Die dritte Reihe der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG-III) wird von den Banken sehr gut angenommen. Die mit Abstand stärkste Beteiligung ­heimischer Banken wurde am vierten Geschäft vom Juni 2020 verzeichnet, danach am siebten Geschäft vom März 2021 (vergleiche mit der Entwicklung des ­ausstehenden Volumens der liquiditätszuführenden Geschäfte des Eurosystems in Grafik 5 54 ). Die Teilnahmen am achten und am neunten Geschäft (Juni 2021 und September 2021) waren verhaltener. Für das zehnte Geschäft (das letzte geplante, im Dezember 2021) wird laut den aktuellen Umfrageergebnissen zum Kreditgeschäft keine starke Teilnahme mehr erwartet. Als Teilnahmegründe führten die Banken vor allem die attraktiven Bedingungen dieser Geschäfte an. Aber auch Vorsichtsmotive (Reduzierung/Vermeidung von Liquiditätsengpässen) spielten eine wichtige Rolle für die Teilnahme, insbesondere beim vierten Geschäft vom Juni 2020. Dieses ­Geschäft war das erste, das unter der Kenntnis der vollen Tragweite der COVID-19-Pandemie stattfand und das als Reaktion darauf mit noch attraktiveren Bedingungen ausgestaltet wurde.

Die Banken geben in der Umfrage an, dass sie die durch die Teilnahmen ­erhaltenen finanziellen Mittel sowohl für die Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte verwenden als auch Teile der abgerufenen Mittel als Liquidität innerhalb des Eurosystems halten (Grafik 5 55 ). Diese Mittel stehen prinzipiell für eine künftige Kreditvergabe zur Verfügung.

Die Banken schreiben den GLRG durchwegs positive Auswirkungen auf ihre finanzielle Situation zu – vor allem eine Stärkung ihrer Liquidität und ihrer Profitabilität hat sich eingestellt. Auch ihre Refinanzierungsbedingungen am Markt und ihre Fähigkeit, Anforderungen der Bankenaufsicht und -regulierung zu erfüllen, haben sich durch die GLRG verbessert. Die Banken meldeten zudem in den letzten Umfragerunden expansive Effekte der GLRG auf das vergebene Kreditvolumen und leicht lockernde Einflüsse der GLRG auf die Bedingungen für Unternehmenskredite.

Die Thematik der „Negativzinsen“ (i. e. negative Verzinsung der EZB-Einlagefazilität, negative Zinsen auf Kundeneinlagen bei den Banken) verbunden mit „Überschussliquidität“ hat eine große Bedeutung für die derzeitigen Entwicklungen im Kreditgeschäft (Wirkungen und Nebenwirkungen der Geldpolitik des Eurosystems). Für weitere Ausführungen dazu wird auf den Bericht zur Umfrage vom April 2021 verwiesen. 56