Das Finanzvermögen Österreichs

Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung – die finanzielle Vermögensbilanz einer Volkswirtschaft  

Die Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung (GFR) ist Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), einem geschlossenen Kontensystem in dem die einzelnen Phasen des Wirtschaftskreislaufes systematisch dargestellt werden. Aus diesem Kontensystem werden wesentliche makroökonomische Kenngrößen (wie z. B. Bruttoinlandsprodukt, verfügbares Einkommen der Haushalte, Konsumausgaben, realwirtschaftliche Investitionen, finanzielle Investitionen) abgeleitet.

Die GFR stellt die „finanzielle Vermögensbilanz“ einer Volkswirtschaft dar und bildet den Abschluss der Kontenfolge der VGR. Sie umfasst sowohl die Darstellung der Transaktionen (z.B. Käufe/Verkäufe von Finanzprodukten, Kreditaufnahmen) in einer Periode als auch die aus diesen Transaktionen und eventuellen Preis- und Wechselkursänderungen resultierenden Bestandsgrößen an finanziellen Forderungen und Verpflichtungen zum Periodenultimo (Quartal bzw. Jahr). Der Saldo aus den Transaktionen in Finanzaktiva (Geldvermögensbildung) und Finanzpassiva (Finanzierungen) ergibt den Finanzierungssaldo als Abschluss des Finanzierungskontos und ist damit ein wesentlicher Bestandteil des Vermögensänderungskontos in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, das die Ersparnisbildung, die Investitionen und die Finanzierung beinhaltet. Inhaltlich wird demnach in der GFR gezeigt, wie die im Produktionsprozess erwirtschafteten finanziellen Überschüsse angelegt werden (z. B. bei Finanzintermediären, am Kapitalmarkt etc.), bzw. wie die Verluste finanziert werden. In Österreich wird die GFR von der Oesterreichischen Nationalbank erstellt.

Die GFR beinhaltet die finanziellen Forderungen und Verpflichtungen der zu volkswirtschaftlichen Sektoren (nichtfinanzielle Unternehmen, finanzielle Kapitalgesellschaften, Staat, private Haushalte einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck und Ausland) zusammengefassten Einheiten. Diese Einheiten (z. B. einzelne Banken, die OeNB, Versicherungen, Pensionskassen, Investmentfondgesellschaften, der Bund, einzelne Bundesländer und Gemeinden, Waren oder nichtfinanzielle Dienstleistungen produzierende Unternehmen, Stiftungen, Privatpersonen, gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen) werden anhand ihrer grundlegenden Funktionen, Verhaltensmerkmale und Ziele zu Sektoren zusammengefasst. Die Unterscheidung der finanziellen Forderungen und Verbindlichkeiten nach Finanzierungsinstrumenten erfolgt in der GFR in erster Linie im Hinblick auf Liquidität und rechtliche Merkmale (z. B. Bargeld, Kontoguthaben und Einlagen, Kredite, Handelskredite, verzinsliche Wertpapiere, Anteilsrechte, Versicherungsansprüche, Währungsgold und Sonderziehungsrechte). Sowohl die Zusammenfassung von Einheiten zu Sektoren als auch die Gliederung in Finanzierungsinstrumente ist durch das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 definiert. Dieses Regelwerk hat zum Ziel, die Erstellung der GFR europaweit zu harmonisieren und Ergebnisse vergleichbar zu machen.

Datenquellen und Zusammenführung

Die Daten der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung leiten sich aus anderen Finanzstatistiken ab bzw. werden durch Schätzungen ergänzt. Zu den wichtigsten Datenquellen gehören die Bankenstatistiken, die Bestandsstatistiken der Investmentfonds, der Versicherungen und der Pensionskassen, die von der OeNB erstellte Wertpapierstatistik, die von Statistik Austria erstellten Statistiken des Sektors Staat, Statistiken über Unternehmensbilanzen sowie die Außenwirtschaftsstatistiken (Zahlungsbilanz, Internationale Vermögensposition, IVP).

Diese sogenannten Primärstatistiken stehen für jedes Quartal oder zumindest einmal jährlich zur Verfügung und werden nach den verbindlichen Regeln des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von der Oesterreichischen Nationalbank zur Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung zusammengefasst und mit nichtfinanziellen Daten aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen abgestimmt.

Details zu den Berechnungen (einschließlich der Datenquellen und der Methodologie) der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung sind im Handbuch zu Definitionen, Quellen und Berechnungsmethoden publiziert, das unten als Download zur Verfügung steht.

Analysemöglichkeiten anhand der Daten aus der GFR

Die Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung stellt die Finanzverflechtungen zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren dar.

Finanzverflechtungen zwischen den einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren
Schematische Darstellung der Vermögensverflechtungen zwischen den einzelnen inländischen volkwirtschaftlichen Sektoren und mit dem Ausland (Haushalte inklusive privater Organisationen ohne Erwerbszweck) (2014). Quelle: OeNB.

Die dargestellte Vielfalt an Daten bietet eine breite Palette an Analysemöglichkeiten. Die Berechnung von volkswirtschaftlichen Kennzahlen für Österreich sowie die Möglichkeit der Europäischen Kommission, teilweise mit Hilfe von Daten der GFR, makroökonomische Ungleichgewichte in einer Volkswirtschaft frühzeitig erkennen und präventiv handeln zu können sind nur zwei Beispiele. Ebenso gibt der Finanzierungssaldo einzelner volkswirtschaftlicher Sektoren Aufschluss darüber, ob ein Sektor einen Finanzierungsüberschuss oder einen -bedarf hat. In Österreich haben die Privaten Haushalte regelmäßig einen Überschuss, der sich im Wesentlichen aus Einkommen abzüglich ihres Konsums ergibt; die Unternehmen haben – durch ihre Investitionstätigkeit – eher einen Finanzierungsbedarf, ebenso der Staat. Das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen führt zu einer verstärkten Harmonisierung der Daten, die dadurch auf internationaler Ebene miteinander leichter verglichen werden können.

Die Struktur des Geldvermögens der privaten Haushalte – beispielsweise – weist mit rund 40 % nach wie vor einen sehr hohen Anteil an Bargeld und Einlagen resultierend aus Kontenguthaben und Sparbüchern auf und unterstreicht damit die Bedeutung des inländischen Bankensystems für die Geldvermögensbildung in  Österreich. Die wichtige Rolle dieser liquiden Finanzanlagen ist in anderen Ländern des Euroraums weniger stark ausgeprägt.

Struktur des Geldvermögens der privaten Haushalte

Verschiedene Indikatoren, wie zum Beispiel das Verhältnis von Geldvermögen zum netto verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte oder die Innen- zur Außenfinanzierung der nicht finanziellen Unternehmen, verbinden zum einen realwirtschaftliche Entwicklungen mit dem Finanzverhalten der einzelnen volkswirtschaftlichen Sektoren und erlauben zum anderen einen internationalen Vergleich.

Publikation von Daten zur GFR

Daten zu den Finanzvermögen und Verpflichtungen aller volkswirtschaftlichen Sektoren sind derzeit ca. 95 bis 100 Tage nach dem jeweiligen Ultimo des Berichtsquartals verfügbar. Sie werden mittels Presseaussendung, der Publikation „STATISTIKEN – Daten & Analysen“ sowie in einem Sonderheft „Sektorale VGR in Österreich“ durch die Oesterreichische Nationalbank veröffentlicht. Die Tabellen mit den Quartals- und Jahresdaten werden ebenfalls auf der Website der OeNB publiziert.

Internationale Statistiken zum Thema Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung:

  • Monatsberichte und Tabellen, Abschnitt über Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen für das Euro-Währungsgebiet, der Europäischen Zentralbank.
  • Datenbank New Cronos sowie Publikation im Rahmen der Reihe „Statistics in Focus“ von Eurostat.
  • Publikationen über die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der OECD-Länder.