II/2/e Oesterreichische Nationalbank I

Mit 1. Jänner 1923 nahm die Oesterreichische Nationalbank in ihrer heutigen Rechtsform ihre Tätigkeit auf, in direkter Nachfolge zur rein österreichischen Geschäftsführung der Oesterreichisch-ungarischen Bank. Ihre wohl bedeutendste Leistung in der Zwischenkriegszeit war die Einführung der Schillingswährung in den Jahren 1924/25.

Da die per Bundesgesetz vom 14. November 1922 festgelegten Satzungen ein „Direktorium“ an die Spitze der Verwaltung des österreichischen Noteninstitutes stellten, ist die Bezeichnung „Direktoriumsakten“ nunmehr formal korrekt (siehe auch Erläuterung ad II/02 „Bankakten, allgemeine“). Die Aktenverwaltung wurde von Beginn an vom Büro des Direktoriums besorgt, welches einen Bestandteil der Abteilung II – Rechtsabteilung bildete. Abgesehen von den geänderten Bezeichnungen der im Akt vermerkten Bankorganisationseinheiten blieb der Vorgang der „Veraktung“ im Wesentlichen unverändert. Dies traf ebenfalls auf das bereits bewährte System des Materien-Index zu. Durch die Eintragung einer oder mehrerer Materiennummern unterhalb jener des Aktes erfolgte eine inhaltliche Zuordnung des einzelnen Aktes (siehe auch Erläuterungen ad II/02.b und II/02.c). Die Aktennummer selbst wurde lediglich nach dem Zeitpunkt der Aufnahme in das Registraturprotokoll vergeben.

Struktur und Verteilung des Materien-Index blieben gegenüber der Handhabung aus der Zeit des Vorgängerinstitutes nahezu unverändert. Lediglich die Anzahl der Materien erfuhr eine erhebliche Verringerung, entsprechend dem gegenüber dem Noteninstitut der k.u.k. Monarchie stark verkleinerten Geschäftsfeld der OeNB.1) So verblieben neben der Hauptanstalt in Wien nur mehr die offiziell als „Zweiganstalten“ benannten Filialen in Bregenz, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Villach (letztgenannte existierte lediglich bis Ende 1934, dafür gab es ab 1930 eine zusätzliche Zweiganstalt in Eisenstadt).

Zwar erfolgte im Jahre 1925 eine teilweise Umgruppierung bzw. Umbenennung der den einzelnen Materiennummern zugewiesenen Schlagwörter, die bis heute Gültigkeit besitzt. Beispielsweise wurde der bis dahin als separate Materie 20 geführte Gegenstand „Effektenverkehr / Bankabteilung“ auf die Materien 5 (neben Darlehensgeschäft nunmehr auch Effektenverkehr) und 17 (die unter dieser Materiennummer bisher geführten Bereiche Metallschatz, Münzwesen und Golddienst erfuhren eine Erweiterung um die „Angelegenheiten der Bankabteilung“) aufgeteilt. Die Bezeichnung der Materie 18 „Miscellen“ änderte sich hingegen in „Vermischtes“.

In den „Allgemeinen Regeln für die Führung des Index“vom 19. November 1925 ist jedoch die grundsätzliche Beibehaltung der bis dato geübten Praxis der Veraktung zu ersehen. Auch die Sorge um die spätere Auffindbarkeit eines Aktes wird hier sehr deutlich aufgezeigt: „Alle Akten sind wenn möglich auf der betreffenden Materie unter ein schon bestehendes Schlagwort einzureihen. Sollte eine Einreihung nicht möglich sein, müsste ein neues Schlagwort gebildet werden. Dieses Schlagwort darf nur im Einverständnis mit dem Vorstand und dessen Stellvertreter in die Materie aufgenommen werden. Der Eintragende hat besonders seine Aufmerksamkeit auf die Weisungen, die von ausserordentlicher Wichtigkeit sind, zu richten. Um das Suchen von Akten in späteren Jahren zu ermöglichen, bezw. zu erleichtern, sind so viel Weisungen, als sich aus dem Inhalte des Aktes ergeben, zu machen. Der Eintragende hat stets daran zu denken, wie kann nach dem Akte gefragt werden? Nach diesen eventuell sich ergebenden Fragen sind die Weisungen zu bilden.

Eine weitere Regel ist: Die Nummer des Aktes darf nur einmal angegeben werden und zwar dort, wo die Hauptaustragung stattfindet. […] Eine mehrmalige Anführung der Aktennummer ist nur dann gestattet, bezw. unerlässlich, wenn der Akt mehrere grundverschiedene Angelegenheiten behandelt, wo zwar nur eine Materie in Betracht kommt, jedoch die Angelegenheit unter mehrere verschiedene in keinem Zusammenhange stehende Schlagworte einzureihen ist.“

Daneben wurde in der Registratur der OeNB ein „Aktenplan“ eingeführt. Man unterschied nunmehr zwischen „Einzelakten“ sowie „Sammel- und Fortsetzungsakten“. Letztere beinhalteten häufig vorkommende, gleichartige Angelegenheiten, wofür alljährlich die gleichen Aktennummern reserviert waren. Die Aktennummer 10 zum Beispiel blieb jedes Jahr dem Gegenstand „Zählung der Warenwechsel“ vorbehalten, oder die Reservierung der Aktennummer 18 für „sämtliche Zensorenangelegenheiten im Eskontgeschäft“.

Des Weiteren wurde ein zusätzlicher Aktenvermerk gebräuchlich. Die Behandlung einer Angelegenheit in einem Direktoriumsakt erfolgt(e) üblicherweise in Form einer „Erledigung“. Zwecks Darstellung der Ausfertigung von Akten wird neben der Aktennummer nun oftmals auch die jeweilige Erledigungsnummer (für gewöhnlich mit dem Zusatz des Kürzels Erl.) hinzugefügt.

In den kommenden Jahren sank im zunehmenden Maß die Disziplin bei der Angabe von Materiennummern auf den Akten selbst. Ab dem Jahrgang 1931 verschwinden sie im Wesentlichen. Zugleich aber führte die Registratur diese in den (Materien)Indices wie bisher weiter.

Hinsichtlich der Überlieferung der im Original aufbewahrten Direktoriumsakten zeigt sich hier ein ganz anderes Bestandsbild, als bei den Bankakten der letzten Jahrgänge aus der Zeit der Oesterreichisch-ungarischen Bank (unter II02.c). So umfassen alleine zwei Jahrgänge in der Zeit zwischen 1915 und 1922 zusammen in etwa gleich viel bzw. mehr als der Gesamtbestand der im Original archivierten Akten der OeNB von 1923 bis Anfang 1938, welcher eine Schriftgutmenge von insgesamt nur 57 Archivkartons aufweist. Man war offensichtlich bei der Langzeitarchivierung dieser Unterlagen sehr restriktiv. Immerhin hatte man aber v.a. nach historischen Kriterien skartiert (also ausgeschieden), denn die notenbankpolitisch besonders relevanten Direktoriumsakten sind weitgehend im Original erhalten geblieben.

Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass ein Großteil der verakteten Unterlagen aus dieser Zeit zumindest auf Mikrofilm transformiert worden ist und heute noch existiert. Dies trifft zwar ebenso für die Mehrzahl der Akten seit 1816 zu. Aufgrund des zuvor beschriebenen Bestandsbildes bei den Direktoriumsakten im Original, kommt dem Mikrofilmbestand für die Epoche OeNB I eine ungleich größere Bedeutung für Recherchezwecke zu!