Violine, Antonio Stradivari, Cremona, um 1698, „ex Rouse-Boughton“

Druckzettel: „Antonius Stradiuarius Cremonensis / Faciebat Anno 1703“ (703 handschriftlich)

Trotz des Druckzettels, auf dem das Entstehungsjahr 1703 vermerkt ist, wird das Instrument heute aus stilistischen Gründen mit ungefähr 1698 datiert. Diese Angaben gehen auf ein Gutachten der Firma W. E. Hill & Sons aus dem Jahr 1913 zurück, in dem der Zettel als Faksimile ausgewiesen ist. Stradivari hatte in den frühen 1690er-Jahren ein Korpusmodell entwickelt, dessen Länge einige Millimeter über dem bisher von ihm verwendeten lag. So ist etwa die „ex Benecke“-Stradivari von 1694 nach diesem, als „long pattern“ bezeichneten Modell gebaut. Bereits wenige Jahre später änderte Stradivari sein Korpusdesign abermals und kehrte wieder zu kürzeren Modellen zurück. Unter den aus Stradivaris Werkstatt stammenden Innenformen befindet sich eine, die mit dem Buchstaben „S“ bezeichnet ist. Sie ist kürzer als die Long-pattern-Form, besitzt jedoch einen etwas breiteren Unterbügel. Der Zargenkranz der „ex Rouse-Boughton“ stimmt sehr gut mit dem Umriss dieser Innenform überein. Möglicherweise wurde das Instrument über dieser Form gebaut. Die zweiteilige Decke besitzt symmetrische Hälften und ist aus extrem feinjährigem Holz gefertigt. Die durchschnittliche Jahresringbreite liegt bei einem halben Millimeter. Der späteste Jahresring stammt aus dem Jahr 1684. Der einteilige Boden ist im Spiegel geschnitten und weist prächtige, enge und regelmäßige Flammen auf, die zur Bassseite hin leicht abfallen. Die Zargen entsprechen in der Struktur dem Bodenholz. Das Instrument besitzt eine mittelhohe Wölbung. Die sehr eng stehenden F-Löcher sind elegant geformt. Typisch für Stradivari ist die regelmäßige, symmetrisch ausgeführte Schnecke. Über einem goldgelben, sehr transparenten Grund liegt ein orangeroter Farblack.

Die Besitzer dieses Instruments können lückenlos bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Im Jahr 1810 kaufte Sir Charles William Rouse Boughton (1747–1821) das Instrument an und es sollte für fast ein Jahrhundert im Familienbesitz bleiben. Sir Charles war Angestellter der East India Company und lebte ab 1765 in Asien. Nachdem er ein Anwesen in Worcestershire geerbt hatte, kehrte er nach England zurück und erlangte 1780 einen Parlamentssitz. Über seine musikalischen Ambitionen konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Über die Firma W. E Hill & Sons gelangte die Geige 1907 an den englischen Sammler Robert Augustus Bower, der im Laufe seines Lebens mindestens 27 Stradivari Instrumente in seinem Besitz hatte. Bower veräußerte sie 1912 an den Berliner Händler August Herrmann. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Stradivari über den Geiger Willi Seibert an Frank Gittelson. Gittelson hatte in Europa bei Flesch und Auer studiert und gab 1914 ein erfolgreiches Debut in den USA, wo er einen neuen Lebensmittelpunkt fand. Über den deutschstämmigen und seit 1823 in New York ansässigen Geigenbauer Emil Herrmann gelangte das Instrument zunächst an David S. Carter und schließlich an die Geigerin Olga Monks-Perzoff in Boston. Über Rembert Wurlitzer wurden nach dem Zweiten Weltkrieg weitere Verkäufe an private Sammler abgewickelt.

               

Wiener Schubert Trio: Boris Kuschnir, Violine (Antonio Stradivari, Cremona, um 1698, "ex Rouse-Boughton"); Martin Hornstein, Violoncello (Giovanni Battista Guadagnini, Piacenza 174., "ex von Zweygberg"); Claus-Christian Schuster, Piano.