Violine, Antonio Stradivari, Cremona, 1716, „ex Baron Oppenheim“

Druckzettel: ,,Antonius Stradiuarius Cremonensis / Faciebat Anno 1716“ (716 handschriftlich)

Die nach dem Bankier Baron Oppenheim benannte Violine trägt einen Originalzettel, auf dem 1716 als Entstehungsjahr angegeben ist. Stradivari hatte damals bereits das 70. Lebensjahr überschritten, seine Produktivität war jedoch nach wie vor ungebrochen. Die Brüder Hill beschreiben die Situation folgendermaßen: „Offensichtlich waren seine Energie und seine Schaffenskraft gleichermaßen unerschöpflich. Uns sind aus dieser Dekade mehr Instrumente bekannt als aus jedem anderen Lebensabschnitt, und darunter befindet sich die Mehrzahl der wirklich herausragenden Arbeiten.“ Die Violine aus dem Jahr 1716 ist nach einem großen und breiten Modell gebaut, möglicherweise über der mit den Buchstaben „PG“ bezeichneten Innenform aus dem Museo del Violino in Cremona (Inv. Nr. MS 21). Die zweiteilige Decke der Violine weist Besonderheiten auf, die auch bei anderen Instrumenten aus Stradivaris spätem Schaffen zu finden sind. Unter dem diskantseitigen Stegfuß und über dem F-Loch auf der Bassseite finden sich kleine Wuchsanomalien, die von Stradivari in Kauf genommen wurden. Die beiden Deckenhälften wurden nicht vom selben Stamm genommen und konnten mit 1707 datiert werden. Der Boden ist geteilt, wobei die regelmäßigen, engen Flammen leicht nach außen abfallen. Zargen, Wirbelkasten und Schnecke weisen im Gegensatz dazu breitere Flammen auf. Die oberen Kugeln der F-Löcher liegen weit auseinander, wodurch die Brust der Decke sehr breit wirkt. Der Schnitt der F-Löcher und die relativ breiten Ränder weisen bereits auf die Spätzeit Stradivaris hin. Die Schnecke ist sehr regelmäßig gearbeitet und wirkt kräftig. Wie bei Stradivari üblich, liegt der Farblack auf einem goldgelben Grund.

Die Besitzerkette der „ex Baron Oppenheim“ Stradivari lässt sich bis zu Luigi Tarisio zurückverfolgen. Dieser aus Novara stammende Geigensammler und -händler brachte ab 1827 eine Fülle von wertvollen italienischen Streichinstrumenten nach Frankreich, wo Jean-Baptiste Vuillaume sein wichtigster Abnehmer wurde. Auch diese Stradivari befand sich darunter. Es ist nicht belegt, an wen Vuillaume die Geige verkaufte, sie soll jedoch um 1890 von einem Schüler Joseph Joachims gespielt worden sein. Danach kam das Instrument in den Besitz der Bankiersfamilie Oppenheim. Angeblich schenkte eine aus der Familie Oppenheim stammende Baronesse die Stradivari dem in Berlin ansässigen Geiger Gustav Exner, der ebenfalls bei Joseph Joachim studiert hatte. Exner war Mitglied des berühmten Haliř-Quartetts. Im Jahr 1927 gelangte die Geige über Emil Herrmann in die USA. Von 1984 bis 1993 wurde das Instrument von Tsugio Tokunaga, dem ersten Konzertmeister des Tokyo Symphony Orchestra gespielt.

Julia Turnovsky, Violine (Antonio Stradivari, Cremona, 1716, „ex Baron Oppenheim“) und Vienna Classical Players. Dirigent: Martin Kerschbaum.