25 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs – Stabilität und Wachstum durch Integration

(, Wien)

Österreich trat am 1. Jänner 1995 – zusammen mit Finnland und Schweden – der Europäischen Union (EU) bei. Der EU-Beitritt war von politischen, insbesondere aber auch von ökonomischen Motiven getragen. Dieser Schritt ermöglichte Österreich den uneingeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt und in der weiteren Folge die Einführung des Euro im Jahr 1999. Die OeNB nimmt Österreichs 25-jährige EU-Mitgliedschaft zum Anlass in ihrer Quartalspublikation „Monetary Policy & the Economy“ eine Rückschau und Bestandsaufnahme der EU-Mitgliedschaft aus österreichischer Perspektive zu geben. Die vorliegenden Analysen von Autoren verschiedener Institutionen bescheinigen Österreich substanzielle positive Effekte aus der EU-Mitgliedschaft.

Die stärksten wirtschaftlichen Impulse gingen von der Teilnahme am Binnenmarkt und den EU-Erweiterungen in Richtung Osteuropa, aber auch der Teilnahme an der gemeinsamen Währung, aus. Die EU-Mitgliedschaft wirkte positiv auf den Außenhandel und das reale BIP-Wachstum sowie auf den Arbeitsmarkt und die Einkommen. (Breuss – Makroökonomische Effekte der 25- jährigen EU-Mitgliedschaft Österreichs)

Die Zugehörigkeit zum EU-Binnenmarkt und die zentrale Lage Österreichs in Europa trugen dazu bei, dass Österreich stark von den rasch wachsenden Volkswirtschaften in Zentral- und Osteuropa, von der Integration in die europäischen Produktionsnetzwerke und der sich daraus ergebenden europäischen Arbeitsteilung profitieren konnte. (Stehrer – Konvergenz, Produktionsintegration und Spezialisierung in Europa seit 1995).

Die starke Arbeitskräftezuwanderung aus der EU – vor allem den neuen EU-Mitgliedstaaten - hat die demografisch bedingte Verlangsamung des Wachstums der heimischen Erwerbsbevölkerung abgemildert und so zu Wachstum und Wohlstand in Österreich beigetragen. (Stiglbauer – EU-Mitgliedschaft, EU-Erweiterung und die Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt)

Der EU-Binnenmarkt eröffnete österreichischen Unternehmen neue Absatzchancen, verschärfte aber auch den Wettbewerb und übte damit einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Produktivität – der zentralen Größe der Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften – aus. Angebotsseitiger Wachstumstreiber war die Totale Faktorproduktivität. Die gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung wurde vom Produktivitätswachstum innerhalb der Sektoren getragen wurde, während vom Strukturwandel eher dämpfende Effekte ausgingen. (Fenz, Ragacs, Schneider, Vondra – Entwicklung von Produktivität und Profitabilität heimischer Unternehmen während der EU-Mitgliedschaft)

Die Umsetzung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit – neben dem freien Warenverkehr, dem freien Kapitalverkehr und der Freizügigkeit der Personen bzw. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der vierte Eckpfeiler des Binnenmarkts – war ein langwieriger Prozess. Erst im Jahr 2006 wurde die EU-Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet. Österreich setzte diese im Jahr 2012 um. (Kolleritsch und Walter –  Freizügigkeit des Dienstleistungsexports im EU-Binnenmarkt und Effekte auf die österreichische Wirtschaft)

Die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes oder einer Währungsunion führen für die teilnehmenden Länder als auch für Drittländer zu einer Erhöhung der ausländischen Direktinvestitionen. Beispielsweise führte der Beitritt Bulgariens und Rumäniens sowohl im Jahr vor ihrem Beitritt als auch in den ersten drei Jahren ihrer EU-Mitgliedschaft zu einer starken Ausweitung der Zahl der angekündigten Greenfield-Direktinvestitionsprojekte österreichischer multinationaler Unternehmen in den beiden Ländern. (Christen und Falk – Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf ausländische Greenfield-Direktinvestitionen)   

Ein kräftiger Wachstumsimpuls ging von der EU-Mitgliedschaft und EU-Osterweiterung auf die österreichischen Banken aus. Sie erkannten frühzeitig die Chancen der Expansion nach Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) und fassten durch Bankneugründungen und -zukäufe nach der Ostöffnung in dieser Region rasch Fuß. Die Aussicht auf EU-Beitritte dieser Länder löste eine Reform- und Aufbruchstimmung aus, die von einer sehr dynamischen Kreditvergabe, oftmals in Fremdwährung, gekennzeichnet war. Die Kehrseite dieser Entwicklung wurde im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sichtbar. Aufsicht und Banken haben die Lehren aus der Krise gezogen: die Banken gehen seitdem bei Auslandsengagements vorsichtiger vor, nicht zuletzt motiviert durch makroprudenzielle Maßnahmen zur Risikoeindämmung und -vorsorge. (Kavan und Wittenberger – Die Expansion der österreichischen Banken nach Zentral-, Ost- und Südosteuropa)

Der EU-Beitritt wirkte als Katalysator für notwendige Veränderungen und als Reformmotor. Das gilt insbesondere in Bezug auf die Finanzmarktregulierung und damit für die Banken- bzw. Finanzmarktaufsicht sowie die makroprudenzielle Aufsicht. Zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs war die EU-Bankenregulierung noch stark fragmentiert. Zahlreiche Harmonisierungsschritte, ausgehend vom Single Rule Book der Bankenregulierung bis hin zur Etablierung der Bankenunion führten zu einer zunehmenden Konvergenz in der operativen Bankenaufsicht, zu einer Verbesserung des Risikomanagements der Banken und zu einer Verbesserung der Risikotragfähigkeit des Bankensystems, wodurch der Bankensektor in der EU und damit auch in Österreich krisenresistenter als vor 25 Jahren geworden ist. Gleichzeitig haben sich auch die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Bankensektor deutlich angeglichen. (Kaden, Boss und Schwaiger –  Das europäische Regelwerk für Bankenaufsicht und sein institutioneller Rahmen seit dem EU-Beitritt Österreichs).

Der EU-Beitritt hat auch in der Wettbewerbspolitik Österreichs seine Spuren hinterlassen. Für das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarkts ist die Wettbewerbspolitik der EU sowie das europäische Wettbewerbsrecht von zentraler Bedeutung. Während der Wettbewerbspolitik in Österreich vor dem EU-Beitritt keine nennenswerte Rolle zugekommen war, führte erst die Übernahme des wettbewerbsrechtlichen Acquis Communautaire und der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zur Angleichung des österreichischen materiellen Wettbewerbsrechts an das Gemeinschaftsrecht und somit zu einer Neugestaltung der wettbewerbspolitischen Institutionenlandschaft Österreichs. (Böheim – Wettbewerbspolitik in Österreich im europäischen Kontext – Rückblick und Ausblick 25 Jahre nach dem EU-Beitritt).

Die Inflationsentwicklung in Österreich unterlag in den letzten Jahrzehnten verschiedenen internationalen und nationalen Einflussfaktoren. Phillips-Kurven-Schätzungen lassen den Schluss zu, dass der EU-Beitritt und die Mitgliedschaft in der WWU einen dämpfenden Effekt auf die Inflation in Österreich hatten.  (Messner und Rumler –  Langfristige Determinanten der österreichischen Inflation – die Rolle des EU-Beitritts)

Die EU-Mitgliedschaft hat unmittelbare Wirkungen auf den österreichischen Staatshaushalt. Österreich war seit dem EU-Beitritt durchgehend Nettozahler in das EU-Budget, allerdings wurde dies von einem komplexen Rabattsystem gemildert. Dem Nettozahler-Status stehen die zahlreichen Vorteile für Österreichs Wirtschaft wie die Teilnahme am Binnenmarkt gegenüber, die man bei einer ganzheitlichen Betrachtung nicht außer Acht lassen darf. (Köhler-Töglhofer und Reiss – Die Entwicklung des EU-Haushalts und die Auswirkungen auf Österreich)

Die wirtschafts- und strukturpolitische Koordinierung der EU beeinflusst viele wirtschaftspolitische Entscheidungen in Österreich. Auch sollte basierend auf den länderspezifischen Empfehlungen, die alljährlich von der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters an jedes Mitgliedsland gerichtet werden, das Bewusstsein für nachhaltige Wirtschaftspolitik geschärft werden. (Auböck und Prammer – Wirtschaftspolitische Empfehlungen in der EU und deren Umsetzungsbilanz in Österreich).

Die in engem Konnex mit der Globalisierung stehenden neuen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen, wie jene der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 oder die COVID-19-Pandemie, erfordern mehr denn je gemeinsame europäische Antworten. Regionale Krisen und Konflikte entwickeln sich aufgrund weltweiter Handels- und Produktionsverflechtungen immer öfter und schneller zu globalen Krisen. Die Bekämpfung und Abfederung der Folgen von derartigen globalen Herausforderungen kann gemeinsam in der EU effektiver als auf einzelstaatlicher Ebene wahrgenommen werden.

Als Antwort auf die aktuelle COVID-19-Pandemie hat die EU bedeutende gemeinsame Hilfsfonds auf den Weg gebracht. Trotz immer wieder auftretender Interessensunterschiede der einzelnen EU-Mitgliedstaaten – sowohl im wirtschaftlichen als auch im breiteren gesellschaftlichen Kontext – hat die EU durch offenen Dialog und lange Verhandlungen große Herausforderungen bewältigen können. Die neuen Fonds, die als vorübergehende Antworten auf die COVID-19-Krise konzipiert werden, sind Zeichen der Handlungskraft und des politischen Willens zur Weiterentwicklung der EU und der WWU.

Gerade in Zeiten der Krise erweist es sich für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich als Vorteil, Teil des großen Wirtschafts- und Währungsraumes der EU und der WWU zu sein. Österreich wird als EU-Mitglied auch in Zukunft von dem großen gemeinsamen Gewicht und der gemeinsamen Problemlösungsfähigkeit dieser Staatengemeinschaft profitieren und deren weitere Entwicklung zum gemeinsamen Wohl aktiv mitgestalten.