Gouverneur Nowotny im Interview mit der Kleinen Kinderzeitung – 28.10.2016

Anlässlich des Weltspartages wurde Gouverneur Ewald Nowotny von der jungen Redaktion der Kleinen Kinderzeitung eingeladen. Die Fragen der Nachwuchsreporterinnen und -reporter reichten von den Aufgaben der OeNB bis zu den persönlichen Bezahlgewohnheiten des Gouverneurs. Lesen Sie hier eine Auswahl der Fragen und Antworten. Das komplette Gespräch finden Sie hier als Video.

Kinderzeitung: Sie sind der Chef der Nationalbank. Was sind die Aufgaben dieser Bank?

Ewald Nowotny: Die Nationalbank hat zum einen die Aufgabe, für den Wert des Geldes zu sorgen, also für Preisstabilität. Das heißt: Wenn eine Kugel Eis heuer einen Euro kostet, darf sie im nächsten Jahr nicht zwei Euro kosten. Seit der Einführung des Euro regelt das die Europäische Zentralbank in Frankfurt für den gesamten Euro-Raum. Die Entscheidungen dort werden von einem Gouverneursrat getroffen, als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank bin ich Mitglied in diesem Rat. Eine weitere große Aufgabe, die wir haben, ist die Bankenaufsicht. Wir haben ja leider Fälle gesehen, wo Banken nicht ordentlich gewirtschaftet haben. Um das zu verhindern, hat die österreichische Nationalbank Prüfer, die schauen zum Beispiel, ob die Bank genug Kapital hat. Ein anderer großer Bereich ist der Zahlungsverkehr. Wir haben zum Beispiel eine eigene Gesellschaft, die heißt „Geld-Service-Austria“, sie sammelt am Abend das Geld von Supermärkten ein und bringt es in unser Geldzentrum. Dort wird es automatisch gezählt, geprüft, ob Falschgeld dabei ist, und dann dem jeweiligen Supermarkt zugeschrieben. Außerdem ist es unsere Aufgabe, unsere Kapitalreserven zu verwalten. Dazu gehören auch die Goldreserven, wir sind also quasi die Schatzkiste der Republik.

Der Chef einer Bank wird als Bankdirektor bezeichnet, warum tragen Sie als Chef der Nationalbank den Titel Gouverneur?

Das hat vielleicht den Sinn, die Notenbank von einer Kommerzbank abzugrenzen. Eine Kommerzbank ist eine Bank, bei der man private Konten eröffnet, die private Kredite vergibt, dort heißt der Chef in der Regel Generaldirektor. Die Notenbank ist, wenn man so will, die Bank der Banken. Um das zu zeigen, heißt der Chef der Notenbank Gouverneur.

Und wie wird man Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank?

Eine gute Frage. Ich habe als Student an der Uni eine Vorlesung vom damaligen Notenbank-Chef besucht. Das war so interessant, dass ich mir gedacht habe, das möchte ich gerne machen. Ich habe mich dann mein weiteres Leben mit Fragen zu Geld und Währung beschäftigt, war Universitätsprofessor und habe dann als Vizepräsident der  Europäischen Investitionsbank die praktische Seite erlebt. Dann wurde ich berufen – sozusagen als Feuerwehrmann – die Bawag PSK zu retten, diese Bank hatte große Probleme. Es ist uns auch gelungen, diese Bank zu stabilisieren. Seit 1. September 2008 bin ich Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank. Am 15. September 2008 ist dann das große amerikanische Bankhaus Lehman in Konkurs gegangen, also von einem ruhigen Job war keine Rede, spannend ist es bis heute.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Also, das ist, glaube ich, etwas, was im Laufe des Lebens wechselt. Zu der Zeit, als ich geheiratet und Kinder bekommen habe, war mir Geld schon wichtig. Da will man etwas für die Familie schaffen. Jetzt bin ich in der angenehmeren Lage, dass ich diese Anschaffungen im Prinzip alle schon habe, jetzt habe ich Geld, um meine Enkelkinder zu unterstützen und Ähnliches. Ich würde sagen, mit zunehmendem Alter wird Geld weniger wichtig. Das knappste Gut für mich ist heute eher Freizeit.

Es gibt so viele arme Menschen. Könnte man nicht einfach so viele Geldscheine drucken, damit es allen gut geht?

Das ist eine hübsche Idee, aber leider funktioniert das so nicht. Wenn ich sehr viel mehr Geld drucke, aber die Menge an Gütern nicht wächst, dann heißt das, dass der Preis der Güter steigt, das nennt man Inflation. Für die Armen ist es wichtig, dass ich Wirtschaftswachstum und Güter habe und dass ich für diese Güter Geld habe, um sie zu kaufen. Einfach nur Geld zu drucken, das würde wahrscheinlich die Armen noch ärmer machen, weil das Geld dann weniger wert ist.

Warum gibt es überhaupt Geld? Man hätte doch auch das Tauschgeschäft behalten können, oder nicht?

Man hätte es schon können, aber dann hätte man für eine Flasche Mineralwasser eine kleine Katze hergeben müssen oder für einen Anzug eine Kuh. Tauschen ist eine mühsame Angelegenheit. Die Erfindung des Geldes war eine der großen Kulturleistungen. Das Geld wurde im Nahen Osten erfunden. Und mit der Erfindung des Kredits konnte man das erste Mal längerfristige Dinge finanzieren. „Im alten Ägypten wurden die Pyramiden nicht mit einem Kredit finanziert, sondern die Pharaonen haben Sklaven zur Arbeit gezwungen“. Seit der Renaissance gibt es Kredite. Und so können sich die Leute Geld von einer Bank borgen, um eine Fabrik zu bauen. Dann, wenn diese Fabrik Gewinne machte, wurde das Geld der Bank wieder zurückgezahlt. Nur so konnte der technische Fortschritt entstehen.

Halten Sie Geld also für eine gute Erfindung?

Absolut. Ohne Geld wäre das moderne Kulturleben gar nicht möglich. Unser Leben wäre viel primitiver und steinzeitmäßig.

Wie viel Geld hat Österreich?

Wir haben Münzen und Bargeld im Umlauf und wir haben Geld, das die Leute zu Hause halten. Aber das Wichtige ist das, was man als Volkseinkommen bezeichnet. Das ist das Geld, das die Menschen im Laufe eines Jahres verdienen. Das sind im Jahr zirka 330 Milliarden Euro.

Dänemark überlegt, das Bargeld abzuschaffen. Was halten Sie von der Idee?

Ich bin ein großer Fan von Bargeld, aber natürlich gibt es viele Menschen, die lieber bargeldlos bezahlen. Wir in der Nationalbank akzeptieren jede Form der Bezahlung. Was wir nicht wollen, ist ein Zwang. Das soll jeder für sich entscheiden. In Schweden ist man da übrigens schon weiter, da wird selbst in der Kirche in den Klingelbeutel eine Krone eingetippt. Wir in Österreich überlegen das noch nicht.

Wir sollen ja auch Geld sparen. Wenn ich jetzt 200 Euro auf die Bank bringe, was macht die Bank mit meinem Geld?

Die Bank verwendet das ganze Geld, um damit und mit dem anderen Geld, das die Leute einzahlen, Kredite zu vergeben. Wenn sich zum Beispiel eine Familie eine Wohnung kaufen will, dann vergeben sie einen Wohnbaukredit. Aber die Bank kann das Geld nicht selber drucken, also ist es das Geld der Kunden, das sie weitergibt, womit die Wohnung finanziert wird. Die Bank bekommt vom Kreditnehmer Zinsen, und davon werden die Zinsen finanziert, die du auf das Sparbuch bekommst.

Und wozu gibt es einen Weltspartag?

Damit die Wirtschaft wachsen kann, muss sie investieren, dazu brauche ich Kredite. Und für Kredite brauche ich Ersparnisse. Der Weltspartag war auch wichtig, um den jüngeren Menschen zu zeigen, dass sie nicht alles, was sie einnehmen, gleich wieder ausgeben sollen. Wir kennen viele Fälle, wo junge Menschen von 15 oder 16 Jahren in eine Schuldenfalle geraten. Der kauft sich ein Moped, weil es alle anderen auch haben, er kann es sich aber nicht leisten, borgt sich Geld aus und wenn diese Schulden immer mehr werden, kann man sich den Anfang seines Lebens schrecklich verpatzen. Daher ist es schon wichtig, dass man schaut, was man sich leisten kann und was nicht. Der Weltspartag soll daran erinnern, dass Sparen etwas ganz Wichtiges ist, für jeden.

Die meisten Kinder bekommen Taschengeld. Sollten das alle bekommen?

Schon Kinder sollen lernen, mit Geld umzugehen. Ich habe meinen Kindern auch Taschengeld gegeben, ab zehn Jahren habe ich verlangt, dass sie ein bisschen Buchführung machen, also auf der einen Seite steht, was habe ich bekommen, auf der anderen Seite steht, was sie ausgegeben haben. Mein Sohn ist dann Banker geworden und wenn ich euch den Rat geben darf, es ist keine große Aufgabe, aber man lernt dadurch, mit Geld umzugehen.

Haben Sie als Kind auch Taschengeld bekommen?

Ja, und auch ich musste schon so ein Haushaltsbuch führen.

Wofür gaben Sie das Geld aus?

Zu meiner Zeit haben Mickymaus-Hefte als Schund gegolten, die haben mir meine Eltern nicht gekauft. Also habe ich sie mir von meinem Taschengeld gekauft.

Wie viel Geld haben Sie gerade eingesteckt und wofür werden Sie es ausgeben?

Ich habe ungefähr 100 Euro dabei, das ist relativ viel, aber ich bin ein Freund von Bargeld. Ich gebe es aus, wenn ich mit einem Freund ins Kaffeehaus gehe, oder für ein Buch, das mir gefällt.

Wofür würden Sie niemals Geld ausgeben?

Diese Liste ist lang. Ich würde zum Beispiel nie für einen Sportwagen Geld ausgeben.