Violine, Antonio Stradivari, Cremona, 1707, „ex Brüstlein“

Druckzettel: „Antonius Stradiuarius Cremonensis / Faciebat Anno 1707“ (07 handschriftlich)

Die heute als „ex Brüstlein“ bezeichnete Violine entstand am Beginn jenes Abschnitts in Stradivaris Schaffenszeit, der von der Nachwelt als „Goldene Periode“ bezeichnet wurde. Stradivaris handwerkliche Fähigkeiten und seine Schaffenskraft hatten ihren Höhepunkt erreicht, was sich auch finanziell zu Buche schlug. In einer frühen Biografie ist zu lesen, in Cremona wäre damals die Redewendung „reich wie Stradivari“ im Umlauf gewesen. Der Zargenumriss des Instruments stimmt sehr gut mit einer im Museo del Violino in Cremona aufbewahrten Innenform aus Stradivaris Werkstätte überein, die mit dem Buchstaben „P“ bezeichnet ist (Inv. Nr. MS 44). Diese Innenform trägt die Datierung 25. Februar 1705 und es gibt zahlreiche Instrumente, die diese Korpusform aufweisen. Neben der Stradivari „ex Brüstlein“ trifft dies auch auf die „ex Hämmerle“ aus dem Jahr 1709 zu. Die zweiteilige Decke aus Fichtenholz weist sehr feine Jahresringe auf, der späteste Jahresring konnte mit 1630 datiert werden. Üblicherweise liegen bei zweiteiligen Decken die späten Jahre bei der Mittelfuge. In diesem Fall fügte Stradivari die Decke umgekehrt, die späten Jahre liegen bei dieser Violine am Rand. Diese Variante, die keine akustischen Auswirkungen hat, sondern vermutlich nur aus ästhetischen oder holzökonomischen Gründen gewählt wurde, finden wir auch bei mehreren anderen Instrumenten Stradivaris aus dieser Zeit. Der Boden ist einteilig, die mittelbreiten Flammen fallen zur Bassseite hin leicht ab. Stradivari hatte in diesen Jahren besonders schönes und charakteristisch gezeichnetes Ahornholz zur Verfügung. Es konnten mehrere Instrumente aus dieser Periode identifiziert werden, bei denen für die Böden ähnlich strukturiertes Holz verarbeitete wurde. Sowohl die Zargen als auch Wirbelkasten und Schnecke sind aus ähnlich geflammtem Ahornholz gefertigt. Die mittelhohe und voll wirkende Wölbung setzt nach einer schmalen Hohlkehle an und verläuft sehr harmonisch. Die Randeinlage sowie die Ränder und Ecken zeigen die für eine Stradivari aus dieser Schaffensperiode unverkennbare Perfektion. Typisch für Stradivari ist die kräftige Schnecke, deren Fasen ursprünglich geschwärzt waren. Über einem hellen Grund ist vor allem an den Zargen und am Boden noch attraktiver, orangeroter Farblack vorhanden. Der Name des Instruments geht auf die Berliner Familie Brüstlein zurück. Johann Jacob Brüstlein und sein Sohn Carl Gustav hatten es als Bankiers im 19. Jahrhundert zu einem bedeutenden Vermögen gebracht.

    

Benjamin Schmid, Violine (Antonio Stradivari, Cremona, 1707, „ex Brüstlein“) und Camerata Salzburg.