Violine, Antonio Stradivari, Cremona, 1709, „ex Hämmerle“

Druckzettel: „Antonius Stradiuarius Cremonensis / Faciebat Anno 1709“ (709 handschriftlich)

Die heute als „ex Hämmerle“ titulierte Violine aus dem Jahr 1709 stammt aus Stradivaris „Goldener Periode“. In diesem Zeitabschnitt, der ungefähr die beiden ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts umfasst, befand sich Stradivari auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die Instrumente aus dieser Periode zeigen vollendete Handwerkskunst und Ästhetik, vor allem besitzen sie großes klangliches Potenzial. Viele der um 1710 gebauten Violinen, darunter auch die „ex Hämmerle“, wurden über einer Innenform mit der Bezeichnung „P“ gebaut. Diese befindet sich heute zusammen mit anderen Werkzeugen und Schablonen aus der Werkstatt Stradivaris im Museo del Violino in Cremona. Sie ist mit 25. Februar 1705 datiert und die damit gebauten Korpusse besitzen ideale Proportionen. Die Decke der „ex Hämmerle“ ist zweiteilig, wobei die beiden Deckenhälften nicht vom selben Stamm stammen dürften. Die Jahresringe weisen eine mittlere Breite auf und verlaufen sehr regelmäßig. Der jüngste Jahresring ist mit 1700 datiert und mittels Dendrochronologie konnte festgestellt werden, dass Stradivari Decken für weitere Instrumente aus demselben Stamm fertigte. Der einteilige Boden zeigt eine schöne, regelmäßige Flammung, die zur Bassseite leicht abfällt. Zargen und Kopf des Instruments entsprechen in der Holzstruktur dem Boden. Die mittelhohe Wölbung verläuft sehr harmonisch, die Hohlkehle ist nur schwach ausgeprägt. Die F-Löcher stehen sehr aufrecht und haben nahezu kreisrunde Kugeln. Die kräftige, besonders regelmäßig gearbeitete Schnecke hat eine breite, ehemals dunkel lackierte Fase, der Stab steht bassseitig etwas tiefer. Typisch für Instrumente aus dieser Zeit ist der von Stradivari verwendete leuchtende, rotbraune Lack, der vor allem am Boden ausgezeichnet erhalten ist. Der Gesamtzustand des Instruments ist sehr gut.

Dank eines von der Firma W. E. Hill & Sons im Jahr 1907 für Theodor Hämmerle (1859–1930) ausgestellten Zertifikats lässt sich die Reihe der Vorbesitzer dieser Stradivari weit zurückverfolgen. In diesem Dokument wird bestätigt, dass sich die Violine im Eigentum der schottischen Adelsfamilie Clerk von Penicuik befand. Nachforschungen haben ergeben, dass Sir John Clerk, 2nd Baronett of Penicuik (1676–1755) ein Musikliebhaber war, der Cembalo und Violine spielte und auch komponierte. Eine von 1694–1699 dauernde Bildungsreise führte ihn auf den Kontinent, wo er auch Wien besuchte und Zugang zum Hof Kaiser Leopold I. erhielt. Sein eigentliches Ziel war Rom, wo er sich mehrere Monate aufhielt. Während dieser Zeit nahm er wiederholt Unterricht bei Arcangelo Corelli. Dank einer umfangreichen Autobiografie liegt eine lebendige Beschreibung dieser Reise vor1. Spezifische Instrumente werden in diesen Memoiren leider nicht erwähnt. Ob Sir John zu einem späteren Zeitpunkt die Stradivari aus dem Jahr 1709 gekauft hat, konnte bis jetzt nicht belegt werden. Vieles spricht jedoch dafür, dass er das Instrument angeschafft hat, da seine Nachkommen kein Interesse an der Musik hatten, sondern sich der Bildenden Kunst und den Naturwissenschaften zuwandten. 1907 erwarb Theodor Hämmerle das Instrument. Dieser Industrielle war ein leidenschaftlicher Sammler von wertvollen Streichinstrumenten und selbst ein guter Cellist. In seinem Haus in Wien trafen sich regelmäßig Amateure und Berufsmusiker zum gemeinsamen Musizieren. Laut einer handschriftlichen Bestätigung auf dem erwähnten Zertifikat verkaufte Hämmerle 1922 die Stradivari an Max Adler (1866–1952), der das Instrument in die USA brachte.
 

1 Memoirs of the Life of Sir John Clerk of Penicuik, Baronet. Baron of the Exchequer. Extracted by himself from his own Journal. 1676–1755. Edinburgh, 1892.