Inflationsprognosen müssen künftig auch auf psychologische und (geo)politische Aspekte abstellen

(, Wien)

49. Volkswirtschaftliche Tagung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) – 35. SUERF Colloquium

OeNB-Gouverneur Robert Holzmann widmete seine Rede zur Eröffnung der diesjährigen Volkswirtschaftlichen Tagung am 23. Mai 2022 einem hochaktuellen Thema: der weltweiten Rückkehr der Inflation.

Warum haben so wenige Menschen die Rückkehr der Inflation vorhergesehen? Hier bedarf es der Ursachenforschung und dann der richtigen Schlüsse, so der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, am Beginn seiner Ausführungen anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Volkswirtschaftlichen Tagung. „Vor einem halben Jahr, zu Beginn der Planung der Konferenz endete der Veranstaltungstitel noch mit einem Fragezeichen: „Rückkehr der Inflation?“. Damals erschien vielen die Rückkehr der Inflation zwar nicht unmöglich, aber doch eher unwahrscheinlich.“

Inzwischen hat die Inflation in Europa wie auch weltweit rasant angezogen; derart hohe Inflationsraten wie heute gab es zuletzt vor über 40 Jahren. Haben die Zentralbanken die Inflationsdynamik in Europa und überall sonst auf der Welt unterschätzt, und falls ja, wie konnte es dazu kommen? Hätten sie ihre Prognosen auf eine breitere Basis stellen sollen? Wurden die Auswirkungen (geo)politischer Ereignisse auf die Wirtschafts- und Inflationsentwicklung zu wenig berücksichtigt? Was ist daher zu tun, damit globale Megatrends und Angebotsengpässe – wie etwa im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel – bestmöglich in Prognosen einfließen? Gouverneur Holzmann zeigte sich zuversichtlich, „dass unsere Konferenz heute und morgen einen Beitrag dazu leisten wird, dass wir uns wieder unserem Preisstabilitätsziel annähern und wir die Treffsicherheit unserer Prognosen erhöhen – und damit künftig frühzeitig gegensteuern können, bevor die Inflation ausreißt.“

„Ein vielschichtiges Phänomen wie Inflation lässt sich mit rein makroökonomischen und ökonometrischen Überlegungen nicht ausreichend erfassen,“ unterstrich der Gouverneur. „Aktuellen Untersuchungen zufolge werden die Inflationserwartungen maßgeblich durch unsere persönlichen Erfahrungen beeinflusst – und dies gilt auch für den Prozess der Prognoseerstellung,“ führte Gouverneur Holzmann weiter aus.

Ferner wäre zu berücksichtigen, dass wir mit dem Beginn der Invasion der Ukraine durch Russland in der zweiten Februarhälfte dieses Jahres an einem Wendepunkt in der Geschichte Europas angekommen sein dürften. Geldpolitisch betrachtet hat uns der Konflikt einmal mehr vor Augen geführt, welch starker Inflationsdruck von der Geopolitik und Europas Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ausgehen kann. Wir könnten die hohen Energiepreise aber auch als Chance sehen, die unausweichliche Energiewende früher zu erreichen. Gleichzeitig wies der Gouverneur darauf hin, dass „offensive Maßnahmen gegen den Klimawandel auch zu einem Zielkonflikt mit Preisstabilität führen können.“

Laut Robert Holzmann „täten politische Entscheidungsträger daher gut daran, jenen Gehör zu schenken, die künftig am meisten von unseren heutigen Entscheidungen betroffen sein werden: den jüngeren Menschen.“ Gemäß einer im Frühjahr 2022 durchgeführten Flash-Eurobarometer-Umfrage erwartet sich die europäische Jugend von der Europäischen Union an erster Stelle Friedenssicherung, internationale Sicherheit und internationale Zusammenarbeit. „Mit der Geldpolitik,“ so die abschließenden Worte von Gouverneur Holzmann, „erfüllen wir die Erwartungen unserer jungen Mitmenschen in Europa daher dann am besten, wenn wir durch die Sicherung der Preisstabilität zum sozialen Frieden beitragen.“