Die klimabezogenen Indikatoren der EZB
(01.12.2025)Martin Bartmann, Jacob Wagner
Am 20. November 2025 wurden die aktualisierten klimabezogenen Indikatoren veröffentlicht. Diese analysieren, wie der Klimawandel den Finanzsektor beeinflusst. Die beiden Indikatoren-Sets enthalten Daten zur Finanzierung von Kohlenstoffemissionen und zu physischen Risiken durch Naturkatastrophen. Was messen diese Indikatoren im Detail und welche Ergebnisse liefern sie für Österreich?
Wie werden die Indikatoren erstellt?
Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Notenbanken des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), darunter auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), arbeiten eng zusammen, um die seit 2023 erscheinenden Indikatoren weiterzuentwickeln und zu aktualisieren. Es handelt sich um analytische Indikatoren – sie folgen also noch nicht den strengen Richtlinien, denen die offiziellen Statistiken der EZB unterliegen. Die Methodologie wird stetig verbessert und neue Datenquellen werden erschlossen, dadurch verändern sich die Ergebnisse nach jeder Revision. Die Indikatoren basieren auf Mikrodaten für Emissionen, Kredite und Wertpapiere, Unternehmensbilanzen und auf geografischen Daten für Naturkatastrophen und werden für alle Euroraum-Länder berechnet.
Was wird bei den physischen Risiken gemessen?
Physische Risiken sind potenzielle Schäden und Verluste durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Windstürmen, Dürren oder starke Niederschlägen. Die EZB-Indikatoren messen die physischen Risiken denen die Wertpapier- und Kreditportfolios von Finanzinstitutionen (Banken, Investmentfonds, Versicherungen und Pensionskassen) mit Geschäftspartnern Unternehmen ausgesetzt sind. Andere Wirkungskanäle von Naturkatastrophen, die das Kreditportfolio der Banken belasten könnten, etwa Infrastrukturschäden oder Kreditausfälle privater Haushalte, werden nicht berücksichtigt. Je nach Datenverfügbarkeit werden historische und zukünftige Perioden in unterschiedlichen Klimaszenarien abgedeckt.
Welche Indikatoren werden berechnet?
Als erster Indikator misst der Risk Score auf einer vierstufigen Skala von null (kein Risiko) bis 3 (hohes Risiko) die Gefahr von neun verschiedenen Naturkatastrophen. Der zweite Indikator misst den potenziell durch Umweltkatastrophen bedrohten Teil des Portfolios (Potential Exposure at Risk – PEAR) von Banken, also jene Assets, die einen Risk Score zwischen 1 und 3 haben. Zwei weitere Indikatoren, Normalized Exposure at Risk (NEAR) und Collateral-Adjusted Exposure at Risk (CEAR) messen die erwarteten Verluste der Banken, wenn Unternehmen infolge einer Naturkatastrophe ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. Der CEAR beruht auf dem NEAR und berücksichtigt zusätzlich jene Sicherheiten, die Banken von Unternehmen für Kredite erhalten.
Erwartete jährliche Verluste von Banken durch Flussüberschwemmungen
Der CEAR-Indikator ist für drei Umweltkatastrophen (Flussüberschwemmungen, Küstenüberschwemmungen und Windstürme) und unterschiedliche Untersuchungszeiträume verfügbar. Grafik 1 zeigt die geschätzten jährlichen Verluste in der Vergangenheit sowie erwartete jährliche Verluste in zwei Zukunftsperioden durch Flussüberschwemmungen, die für österreichische Banken das relevanteste Risiko darstellen. Der repräsentativer Konzentrationspfad (Representative Concentration Pathway – RCP) 4.5 entspricht einem moderaten Szenario mit Maßnahmen zur Emissionsverringerung und RCP 8.5 einem „Weiter wie bisher“-Szenario ohne zusätzliche Maßnahmen. Man sieht einen deutlichen Anstieg in der mittleren Frist gegenüber der Vergangenheit, der in der langen Frist noch weiter steigt.
Welche Emissionsindikatoren gibt es?
Die zur Verfügung stehenden Emissionsindikatoren geben Auskunft über die CO2-Intensität der Kredit- und Wertpapierportfolios der im Euroraum ansässigen Finanzinstitutionen. Zum Beispiel zeigt der Financed Emissions Indicator die von den Finanzinstitutionen anteilig finanzierten Treibhausgas-Emissionen (in Mio Tonnen an CO2-Äquivalenten), die durch die Geschäftstätigkeit der dem Portfolio zugrunde liegenden Unternehmen entstehen. Weitere Indikatoren sind der Carbon Intensity Indicator und der Weighted Average Carbon Intensity Indicator, die Auskunft über die CO2-Intensität der Geschäftspartner geben, indem sie die direkten Emissionen der Unternehmen mit den Unternehmensumsätzen (Carbon Intensity) und den Anteilen am Portfolio (Weighted Average Carbon Intensity) gewichten. Der CO2-Fußabdruck der Finanzsektoren rundet das Bild ab, indem er die finanzierten Emissionen zum Portfoliowert der Finanzsektoren in Relation setzt.
Wie entwickelten sich die vom österreichischen Banksektor finanzierten Emissionen?
Der Financed-Emissions-Indikator eignet sich sehr gut, um die zeitliche Dynamik der CO2-Finanzierung zu analysieren (Grafik 2). Die von den österreichischen Banken über Kredite und Wertpapiere (Aktien und Anleihen) finanzierten Scope-1-Emissionen (direkte Treibhausgasemissionen der Unternehmen) gingen in den letzten Jahren deutlich zurück und erreichten 2023 einen Wert von 8,6 Mio Tonnen an Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten (CO2e). Bei den betrachteten Geschäftspartnern handelt es sich um nichtfinanzielle Unternehmen inklusive ihrer in- und ausländischen Töchter (Konzernlevel). Der Großteil des finanzierten CO2 entfiel 2023 mit 7,1 Mio Tonnen CO2e auf das Kreditportfolio gegenüber nichtfinanziellen Unternehmen, das bei Betrachtung des aushaftenden Volumens mit rund 259 Mrd EUR auch deutlich über dem Bestand an Unternehmensanleihen bzw. Unternehmensaktien (ca. 10 Mrd EUR) lag. Die Gründe für den starken Rückgang an den von den österreichischen Banken finanzierten Emissionen lagen vor allem an den stark steigenden Unternehmensbewertungen (Enterprise Value Including Cash – EVIC). Trotz steigender Emissionen der Geschäftspartner sind somit die CO2-Anteile, die den Banken anteilig (am Unternehmenswert) aufgrund ihrer Kredite und Wertpapiere mit diesen Unternehmen hinzugerechnet werden, gesunken. Eine ähnliche Entwicklung war auch im Euroraum insgesamt zu erkennen.
Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.