Trump vs. the economy: Scheitert Trumponomics an der makroökonomischen Realität?

02.07.2025

Paul Ramskogler

Amerikas Sonderstatus als Schuldner der Welt beruht auf Vertrauen. Doch Zölle bei gleichzeitig ausufernder Schuldenpolitik widersprechen ökonomischer Logik – und erodieren Vertrauen. Die Märkte reagieren zwischenzeitlich schon so, als wäre das „exorbitante Privileg“ des US-Dollar keine immerwährende Selbstverständlichkeit mehr.

In der Sage warnt Daedalus seinen Sohn Ikarus, nicht zu hoch zu fliegen – das Wachs der Flügel würde schmelzen. Ikarus ignoriert die Warnung und stürzt ab: ein Klassiker der Hybris. Ist das auch für die USA illustrativ?

Jahrzehntelang waren der US-Dollar die globale Reservewährung und amerikanische Staatsanleihen der globale Sicherheitsanker. Damit konnte sich die USA immer zu relativ niedrigen Zinsen verschulden. Ist dieses „exorbitante Privileg“ (siehe z. B. Gourinchas, 2007) der USA in Gefahr? Meint Trump es mit der Reduktion des Leistungsbilanzdefizits wirklich ernst, dann muss im Gegenzug weniger Kapital in die USA fließen als bisher.

Der technische Rahmen – ein paar buchhalterische Realitäten

Im Grunde ist es ganz einfach: In seinen Beziehungen zur Außenwelt kann ein Land nicht mehr ausgeben, als es einnimmt. Fährt es ein Leistungsbilanzdefizit – also importiert es mehr, als es exportiert – funktioniert das nur so lange, wie das Ausland das nötige Kapital bereitstellt, d. h., das Defizit muss finanziert werden. Das kann über Bankkredite geschehen, durch Investitionen (z. B. in Aktien) oder durch den Ankauf von Anleihen, insbesondere Staatsanleihen. Wenn ein Land jedoch mehr importieren will, als es durch Exporte oder Kapitalimporte finanzieren kann, entsteht ein Überangebot seiner Währung auf dem Markt. Der Wechselkurs sinkt, die Währung wird billiger, Importe verteuern sich und Exporte werden günstiger. Dieser Anpassungsprozess dauert so lange, bis Kapitalbilanz und Leistungsbilanz des Landes wieder im Gleichgewicht sind. Dabei reden wir nicht von abstrakter Theorie, sondern schlicht von staubtrockenen buchhalterischen Definitionen und Realitäten.

Dem Leistungsbilanzssaldo stehen im Inland Sektoren gegenüber, die sparen (bei einem Überschuss) oder sich verschulden (bei einem Defizit). In den USA wies der öffentliche Sektor nach dem Zweiten Weltkrieg fast durchgehend ein Defizit auf, verschuldete sich also (siehe die zweite Grafik; die erste Grafik zoomt sozusagen in die allerletzten Datenpunkte der zweiten Grafik hinein). Mitte der 1990er Jahre begann sich auch der private Sektor in den USA zu verschulden, und sehr schnell wurde das exzessiv – eine Entwicklung, die schließlich in der globalen Finanzkrise münden sollte.


Die rasch aufgekommene Savings-Glut-Theorie erklärt dies mit einem globalen Ersparnisüberschuss, der über sichere US-Anlagen die Zinsen drückte und Blasen begünstigte. Zum ersten Mal seit den 1970ern wurde die Rolle des US-Dollar als Reservewährung im ökonomischen Mainstream kritisch gesehen.

Wichtig ist allerdings, zwei Dinge festzuhalten: Erstens sind die Kausalitäten in der Zahlungsbilanz nie eindeutig – ob Kapitalzuflüsse Konsumbooms auslösen oder umgekehrt, ist selten klar zu trennen; meist müssen beide Faktoren gemeinsam betrachtet werden. Zweitens begegnet man einem zu großen Handelsbilanzdefizit üblicherweise durch mehr Sparen im Inland. Meist fängt der öffentliche Sektor damit an und später zieht der private Sektor nach: Man nimmt weniger Geld aus dem Ausland auf, die Kapitalimporte sinken, und damit sinken langfristig auch die Nettoimporte. So sehen IWF-Programme typischerweise aus, wenn Länder in Zahlungsbilanzkrisen IWF-Kredite beantragen.

Donald Trump versucht es nun umgekehrt. Zölle sollen das Handels- und Leistungsbilanzdefizit reduzieren. Aber die buchhalterischen Realitäten, die in weiterer Folge in Gang gesetzt werden, lassen sich nicht „wegzollen“. Wird bei der Leistungsbilanz begonnen, sinken die Kapitalimporte, und in weiterer Folge können privater und öffentlicher Sektor nur mehr weniger ausgeben als zuvor.

Fiskalische Höhenflüge

Damit stellt sich die Frage, ob sich die Trump-Regierung auf eine Sparpolitik einstellt. Genau danach sieht es jedoch derzeit nicht aus. Statt zu sparen, setzt die Administration auf ihre „one big beautiful bill“ mit großen Steuersenkungen und zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen. Die meisten Schätzungen prognostizieren einen spürbaren Anstieg des Budgetdefizits in den nächsten zehn Jahren. Die zusätzlichen Zolleinnahmen dürften bei Weitem nicht ausreichen, die ausgabensteigernden Maßnahmen des One Big Beautiful Bill Act zu kompensieren. In Summe dürfte die Verschuldung – selbst nach Abzug der Zolleinnahmen – um bis zu 5 Prozentpunkte des BIP steigen. Noch wichtiger ist, dass die US-Fiskalpolitik zunehmend von der Wirtschaftspolitik losgelöst wirkt. In modernen Volkswirtschaften besteht üblicherweise eine negative Korrelation zwischen Arbeitslosenquote und Budgetdefizit: Steigende Arbeitslosigkeit (schwache Konjunktur) geht mit höheren Defiziten durch geringere Steuereinnahmen bzw. höheren Staatsausgaben einher.

In den USA scheint sich diese Korrelation seit Annahme des Tax Cuts and Jobs Act (TCJA) (siehe hier für eine konzise Darstellung der Maßnahmen) in Trumps erster Amtszeit jedoch aufgelöst zu haben. Tatsächlich lagen die Defizite in den letzten Jahren trotz boomender Wirtschaft und niedrigen Arbeitslosenquoten um 4 % bei knapp über 6 %. Vor diesem Hintergrund fragt man sich, wo das Defizit erst liegen würde, wenn die USA in eine Rezession rutschen sollten.


Die Gravitationskraft der Finanzmärkte

Und genau diese Frage stellen sich inzwischen auch die Akteur:innen auf den Finanzmärkten. Nach dem massiven Zollschock des 2. April 2025 reagierten sie zunächst so, wie man es bei einem negativen Angebotsschock erwarten würde: Die Aktienkurse fielen, weil geringere Unternehmensgewinne erwartet wurden. Ein Teil dieses Geldes verließ zwar sofort die USA – der US-Dollar-Kurs sank – aber ein weiterer Teil des Geldes floss in den US-Anleihenmarkt, wo es die Renditen zum Sinken brachten. Ein klassisches Muster in unsicheren Zeiten.

Doch sehr bald drehte sich die Stimmung: Während die Aktienkurse und der US-Dollar weiter sanken, stiegen plötzlich die Anleiherenditen. Anders gesagt: Investor:innen zogen fast schon fluchtartig Geld ab, als befände sich die USA in einer klassischen Zahlungsbilanzkrise – ein Bild, das man sonst nur von Schwellenländern kennt, nicht aber von den USA. Zehnjährige US-Staatsanleihen galten immer als globaler Sicherheitsanker: Steigt die Unsicherheit, fallen ihre Renditen. Ein eiserner Grundsatz – bis zu Trumps Amtsantritt. Es dauerte auch nicht lange, bis Trump nachgab und ein 90-tägiges Moratorium auf (fast) alle reziproken Zölle verkündete. „People were getting yippie and afraid“, so seine Begründung.

Dadurch beruhigten sich die Aktienmärkte wieder, sie holten einen Großteil ihrer Verluste auf. Der US-Dollar blieb jedoch angeschlagen und stabilisierte sich erst auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Gleichzeitig stiegen die Renditen US-amerikanischer Staatsanleihen weiter, wohl auch im Hinblick auf Trumps expansive Fiskalpolitik. Zwischenzeitlich zogen die Renditen auf die Anleihen vieler wichtiger Volkswirtschaften nach. Ein Hinweis auf die globale Rolle des US-Anleihenmarktes und potenzielle Auswirkungen, die eine weitere Verschärfung der Lage nach sich ziehen könnte.


Die Welt, wie sie ihm gefällt

Die Frage ist, wie das alles für die Trump-Administration zusammenpasst. Bedeutet nicht ein geringeres Handelsbilanzdefizit bei gleichzeitig steigenden Staatsdefiziten, dass der private Sektor seinen Gürtel deutlich enger schnallen muss (siehe oben)? Nun, das Zauberwort von Trumps Wirtschaftsberater:innen heißt „Wirtschaftswachstum“: Massive Deregulierung soll im Zusammenspiel mit dem Fiskalpaket die US-Konjunktur so stark ankurbeln, dass sich das Defizit quasi von alleine finanziert. Eine originelle Sicht – vielleicht überzeugt sie eines Tages auch an den Finanzmärkten.

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.