Indirekte wirtschaftliche Verflechtungen mit den USA
06.05.2025Thomas Cernohous, David Plakolm, Jacob Wagner
Statistiken zur Außenwirtschaft werden typischerweise regional nach jenem Land gegliedert, mit dem die direkte wirtschaftliche Beziehung besteht. Aufgrund der Globalisierung und anderer geopolitischer Entwicklungen sind Konzernstrukturen und Lieferketten aber zunehmend komplexer geworden. Damit greift die statistische Sichtweise nach direkter wirtschaftlicher Beziehung manchmal zu kurz. Um ein möglichst vollständiges Gesamtbild zu erhalten, können alternative Regionalkonzepte angewendet werden. Eines dieser statistischen Konzepte – die Zuordnung nach dem Sitzland der Konzernzentrale – wird in diesem Blog-Beitrag vorgestellt.
Aktive und passive Direktinvestitionen
Direktinvestitionen sind grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen mit einem Anteil von mindestens 10 % am stimmberechtigten Kapital. Ab diesem Schwellenwert wird ein längerfristiges, strategisches Engagement der Investorin oder des Investors am Unternehmen unterstellt. Bei Direktinvestitionen wird zwischen „Aktiven Direktinvestitionen“ (ADI) und „Passiven Direktinvestitionen“ (PDI) unterschieden. Bei ADI beteiligt sich eine inländische Einheit an einem ausländischen Unternehmen, bei PDI sind ausländische Einheiten an österreichischen Unternehmen beteiligt.
In der Zahlungsbilanz werden Direktinvestitionen nach den Sitzländern von Investor:innen (bei PDI), sowie nach den Ländern der Tochterunternehmen (bei ADI) gegliedert. Investiert eine niederländische Holding in Österreich, werden die Niederlande als Investor:innenland in der Statistik ausgewiesen. Das ist unabhängig davon, wer Eigentümer:in dieser Holding ist.
Darüber hinaus wird bei Direktinvestitionen in Österreich bereits seit vielen Jahren folgende Standard-Darstellung gezeigt: Passive Direktinvestitionen nach dem Sitzland der Konzernzentrale (Stammhaus). Investiert ein US-Konzern etwa nicht direkt in Österreich, sondern über eine niederländische Holdinggesellschaft, so werden in dieser Statistik die USA als investierendes Land ausgewiesen. Das ist möglich, da bei der Datenerhebung zu jeder unmittelbar investierenden Einheit auch das Sitzland der Konzernzentrale erhoben wird. Im vorliegenden Beispiel wird folglich erhoben, dass
- eine niederländische Einheit direkt in Österreich investiert und
- das Sitzland der Konzernzentrale der niederländischen Einheit die USA ist.
Durch diese zweifache Länderinformation kann nicht nur der US-Wert nach dem Sitzland der Konzernzentrale dargestellt werden, sondern auch die Zwischenstation Niederlande, bevor das Investment Österreich erreicht (siehe Grafik 1).
Direkte und indirekte Direktinvestitionen
US-amerikanische Einheiten, die eine direkte Beteiligung an österreichischen Unternehmen halten, sind in Grafik 1 dargestellt (linker Fluss in dunkelblau). Zum Jahresende 2024 betrugen diese strategischen Direktinvestitions-Bestände amerikanischer Konzerne in Österreich 3,16 Mrd EUR. Rechts in hellblau sind Investitionen von Unternehmen anderer ausgewählter Länder dargestellt, deren Konzernzentrale in den USA angesiedelt ist. Wie Grafik 1 zeigt, halten US-amerikanische Investor:innen einen Großteil ihrer Direktinvestitionen, nämlich 11,83 Mrd EUR, indirekt über Luxemburg (LU), die Niederlande (NL), Irland (IE) oder Großbritannien (GB). Berücksichtigt man, dass US-amerikanische Unternehmen auch über andere Länder indirekt in Österreich investieren (1,76 Mrd EUR), ergibt sich in Summe der Gesamtwert aller US-Direktinvestitionen von 16,75 Mrd EUR, der auch in der nach Sitzland der Konzernzentrale gegliederten Direktinvestitions-Statistik ausgewiesen wird.
Digitale Dienstleistungen aus den USA
Ein zweites Beispiel für indirekte wirtschaftliche Verflechtungen Österreichs mit den USA sind digitale Dienstleistungen. Im Jahr 2024 importierte Österreich 4,65 Mrd EUR an Software- und Streamingdienstleistungen. Gegliedert nach dem Land, aus dem die Dienstleistungen direkt bezogen wurden, entfiel lediglich ein Anteil von 5,81 % auf die USA. Im Gegensatz dazu erreichte das an der Wirtschaftsleistung gemessen deutlich kleinere Irland einen Anteil von 35,48 % (siehe Grafik 2).
Betrachtet man jedoch die Marktanteile der in Österreich auftretenden dominierenden Marktteilnehmer:innen für digitale Dienstleistungen (z. B. Microsoft, Apple, Amazon, Disney, Netflix), handelt es sich dabei in sehr vielen Fällen um US-geführte Konzerne. Neben dem Entfallen der Sprachbarriere in Irland und im Vereinigten Königreich nutzen diese Konzerne z. B. steuerliche und administrative Vorteile in diesen europäischen Ländern, um ihre Geschäftstätigkeiten in Europa möglichst effizient und kostenschonend zu managen. Daher kann angenommen werden, dass ein Großteil der aus Irland, aber auch aus Luxemburg, den Niederlanden und Großbritannien in Österreich bezogenen digitalen Dienstleistungen letztendlich aus den USA stammen.
Vorsicht bei der Interpretation von regional gegliederten Statistiken
Bei der Analyse von außenwirtschaftlichen Statistiken generell, insbesondere bei der Betrachtung von Regionaldaten, lohnt sich daher ein Blick auf die Beschreibung der jeweiligen Statistik bzw. die Metadaten. Passive Direktinvestitionen in Österreich werden bereits nach dem Prinzip der letztendlichen wirtschaftlichen Kontrolle dargestellt. Die überwiegende Mehrheit der Außenwirtschaftsstatistiken, zu denen z. B. Außenhandels- oder Dienstleistungshandelsstatistik zählen, wird aufgrund der bestehenden Erhebungsmethoden ausschließlich nach dem Land der unmittelbaren Partner:innen gegliedert.
Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.