„Die OeNB hört zu“ – Überprüfung der geldpolitischen Strategie

Gouverneur Robert Holzmann

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach mehr als 16 Jahren beschlossen, ihre geldpolitische Strategie einer Revision zu unterziehen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat angekündigt, „keinen Stein auf dem anderen zu lassen.“ Was heißt nun aber „geldpolitische Strategie“ konkret oder „Geldpolitik“ allgemein?

Der Begriff „Geldpolitik“ meint in erster Linie die Handlungen und gesetzten Maßnahmen von Zentralbanken. Je nach Währungsgebiet ist in Japan die Bank of Japan, im Vereinigten Königreich (UK) die Bank of England, in den USA die Federal Reserve (Fed) und in Europa die EZB für die jeweilige Geldmarktpolitik (kurz: Geldpolitik) zuständig.

Ziel der Geldpolitik ist es, in erster Linie Preisstabilität zu gewährleisten, das heißt in die Praxis umgesetzt: Die Anzahl an Produkten oder Waren, die ich mir mit einem bestimmten Betrag meiner Währung kaufen kann, kann ich mir einen Monat oder auch ein halbes Jahr später immer noch kaufen. Der Betrag an Geld, über den ich verfüge, ist nicht kurzfristig deutlich weniger oder mehr wert geworden, da sich die Preise der einzelnen Güter nicht gravierend verändert haben. Die Preise sind vielmehr stabil geblieben und genau diese Preis(niveau)stabilität zu gewährleisten, ist das oberste Ziel der Zentralbanken.

Das wichtigste Mittel der Zentralbanken, um die Preise stabil zu halten, ist dabei die Festsetzung des sogenannten Leitzinses. Über diesen Zinssatz können die Zentralbanken steuern, zu welchen Kosten die Banken Geld aufnehmen können. Ist der Leitzinssatz hoch, dann sind auch die Kreditzinsen hoch und es wird nicht so viel Geld aufgenommen. Das Geld wird wieder knapper und einer drohenden Geldentwertung, also Inflation, kann entgegengewirkt werden. Die Preise der einzelnen Güter, die zuvor bereits stärker gestiegen sind, bleiben wieder gleich. Umgekehrt verhält es sich bei einem niedrigen Zinssatz: Preise, die zuvor gesunken sind, steigen wieder. Neben diesem übergeordneten Ziel der Preisstabilität können Zentralbanken auch weitere Ziele wie etwa Wirtschaftswachstum generell, Produktivität oder Vollbeschäftigung verfolgen.

Um all das zu gewährleisten, ist eine grundsätzliche Strategie notwendig, und die EZB überprüft nun ihre Strategie das erste Mal nach sechzehn Jahren. Dabei geht es nicht nur darum, wie künftig am besten Preisstabilität gewährleistet werden kann, also um Inflation und Deflation, sondern auch um Produktivität, den Kampf gegen den Klimawandel – und um Kommunikation. Die EZB und die Zentralbanken des Euroraums wollen künftig mehr kommunizieren: Wie wird Geldpolitik konkret wahrgenommen? Was für Auswirkungen hat sie und was wird darunter verstanden?

Aus diesem Grund starten mit 21. Oktober 2020 sogenannte Outreach-Events, in denen die jeweiligen Zentralbanken mit Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichsten Gruppierungen der Gesellschaft in Kontakt treten. Im Falle Österreichs findet dieser Dialog im Rahmen der Veranstaltung „Die OeNB hört zu“ am 30. Oktober 2020, von 09.30 bis 12.00 Uhr im Kassensaal der Oesterreichischen Nationalbank statt. Virtuell ist die Veranstaltung, bei der auch zwei Video-Botschaften von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und dem Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, zu sehen sein werden, per Livestream im Internet verfolgbar.