Einnahmen- oder Ausgabenproblem: Was ist schuld am Budgetdefizit?

09.05.2025

Mathias Moser, Lukas Reiss

Im Jahr 2024 verzeichnete Österreich ein Budgetdefizit von -4,7 % der Wirtschaftsleistung. Nur fünf Jahre zuvor, 2019, hatten wir noch einen Budgetüberschuss von 0,5 % erwirtschaftet. In keinem anderen Land des Euroraums hat sich der Budgetsaldo seit 2019 so stark verschlechtert. Wie konnte es so weit kommen? Wir begeben uns auf Spurensuche im Budget.

Der Budgetsaldo beschreibt die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben des Staates. Vergleichen wir den Staat mit einem Unternehmen, so entspricht der Budgetsaldo in etwa dem Gewinn oder Verlust einer Firma. Im Fall des Staatshaushalts werden aber noch einige Feinanpassungen vorgenommen. Wer dazu Genaueres wissen will, kann dies in unserer aktuellen Studie nachlesen.

2019 war für das österreichische Budget das letzte „erfolgreiche“ Jahr. Was hat sich seitdem getan?
Werfen wir gemeinsam einen Blick auf die beiden Teile der aktuellen Budgetmisere: die Veränderungen bei den Einnahmen und bei den Ausgaben des Staates. Achtung: Im Gegensatz zum Unternehmensgewinn bzw. -verlust betrachten wir hier nicht Beträge in Euro, sondern in Prozent der Wirtschaftsleistung. Diese Einnahmen- und Ausgabenquoten sind aussagekräftiger, weil sie im Zeitverlauf besser vergleichbar sind. Beide Quoten waren 2024 in Österreich höher als 2019; bei den Ausgaben ist der Unterschied aber deutlich größer. Die Ausgabenquote lag 2019 bei ca. 49%, während sie 2024 schon mehr als 56% betrug.

Bei den Staatsausgaben gibt es aber zumindest eine gute Nachricht: Die Erhöhungen staatlicher Förderungen hatten auf die aktuelle Budgetsituation nur einen geringen Einfluss. Die COVID-19- und die Energiezuschüsse an Unternehmen waren zwar in den Jahren 2020 bis 2022 außerordentlich hoch, fielen danach aber praktisch weg (dunkelblaue Säulen in der ersten Grafik). Andere Förderungen, wie etwa jene im Umweltbereich oder die Investitionsprämie für Unternehmen, waren 2024 von eher geringer Relevanz. In den nächsten Jahren werden sie durch geplante Einsparungen noch kleiner ausfallen. Allerdings hat der Staat sehr viel für die Stützung der Haushaltseinkommen ausgegeben. Pensionen und öffentliche Gehälter stiegen dadurch stärker als die Inflation. Und bis 2024 haben auch noch der Klimabonus und die Strompreisbremse die Ausgaben erhöht.

Zudem hat der Staat seit 2019 deutlich mehr für Waren und Dienstleistungen ausgegeben, selbst wenn man Preissteigerungen herausrechnet. Interessanterweise lag das gar nicht so sehr an den üblichen Verdächtigen Gesundheit und Pflege. In diesen Bereichen sind die Ausgaben seit 2019 ähnlich stark gewachsen wie vor der COVID-Krise. Dafür waren die Ausgaben für Verwaltung und Sicherheit seit 2019 viel höher als in den Jahren zuvor. Die Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind auch stark gestiegen: Neue Nightjet-Züge, der Koralm-Tunnel und der U-Bahn-Bau in Wien (U2/U5) sind Beispiele hierfür.

Durch die hohe Inflation ging die Ausgabenquote vorübergehend sogar etwas zurück (hellgrüne Säulen). Ein Grund hierfür ist, dass Sozialleistungen und öffentliche Gehälter erst mit Verzögerung an die Inflation angepasst werden. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben – ab 2024 erhöhte sich die Ausgabenquote dann auch aufgrund der Preisentwicklungen. In diesem Jahr wurden öffentliche Gehälter und Sozialleistungen jeweils um knapp 10 % angehoben. Wie Inflation im Detail auf das Budget wirkt, wird übrigens hier erklärt.

Bis 2022 war außerdem das Zinsniveau niedrig. Die entsprechend niedrigeren Zinszahlungen für Staatsschulden reduzierten somit die Ausgabenquote. Doch diese Entwicklung hat sich jüngst umgekehrt (pinke Säulen), da die Zinsen gestiegen sind. Auch das sehr niedrige Wirtschaftswachstum der letzten Jahre war nicht hilfreich: Wenn der Kuchen nicht wächst, wird das Stück, das der Staat für Ausgaben aufwendet, ohne Sparpaket größer – die Ausgabenquote steigt.

Ausgabenseitig haben dem Budget auch noch weitere Faktoren zugesetzt (orange Säulen): Da die Bevölkerung immer älter wird, steigen auch die Pensionsausgaben. Zudem gab es 2024 erhebliche Einmaleffekte über die Anrechnung von Vordienstzeiten für öffentlich Bedienstete und die Kompensation von Hochwasserschäden.

Steigende Einnahmenquote trotz Steuersenkungen – wie geht sich das aus?
Betrachten wir nun die Einnahmenquote. Sie war 2024 mit knapp 52 % sogar deutlich höher als 2019 (50 %). An der Steuerpolitik lag das aber nicht. So gab es in den letzten Jahren viele Maßnahmen  für Haushalte (dunkelblaue Säulen in der zweiten Grafik). Die Senkung der unteren drei Einkommensteuersätze sowie Erhöhungen der Steuerabsetzbeträge reduzierten 2020 bis 2022 die Steuerlast in Österreich deutlich. In Summe ging dadurch die Einnahmenquote 2024 um ca. 1½ Prozentpunkte zurück. Dieses niedrige Niveau wurde außerdem vorübergehend eingefroren, und zwar durch die Abschaffung der kalten Progression.

Auch in anderen Bereichen wurden Steuern gesenkt: Für Unternehmen wurde beispielsweise die Körperschaftsteuer reduziert (Teil der braunen Säulen). Auch bei anderen Steuern gab es bis 2024 Senkungen, die allerdings zeitlich begrenzt waren. Beispiele hierfür sind die Senkung der Mehrwertsteuer für Gastronomie und Photovoltaik sowie der Energie-Abgaben.

Der Staat hat dadurch auf Einnahmen verzichtet, was eigentlich die Einnahmenquote senken sollte. Wie die Grafik zeigt, ist sie trotzdem gestiegen – warum?

Hier kommt die Steuerstruktur ins Spiel, also die Frage, welche Einkommen wie stark durch Abgaben belastet werden. Zum Beispiel sind die Löhne seit 2019 deutlich stärker als die gesamte Wirtschaftsleistung gestiegen. Da auf Löhne aber auch höhere Abgaben – speziell Sozialversicherungsbeiträge – erhoben werden, steigt die Einnahmenquote überdurchschnittlich. Solche Effekte sind in den gelben Säulen sichtbar: wir nennen sie „steuerliche Windfalls“ oder Zufallseinnahmen. „Zufällig“ bedeutet in diesem Zusammenhang leider auch, dass man mit solchen Einnahmen in Zukunft wahrscheinlich nicht rechnen kann. Bleiben sie aus, werden die Steuersenkungen noch stärker im Budgetsaldo sichtbar.

Was ist also schuld am Budgetdefizit?
Wir haben gezeigt, dass beide Seiten des Budgets – Einnahmen und Ausgaben – eine zentrale Rolle für die Erhöhung des Defizits spielten. In Summe waren die Erhöhungen der Ausgaben für den Staat aber kostspieliger als die Reduktion der Einnahmen (Steuersenkungen). Das spiegelt sich auch in der Budgetsanierung wider, die aktuell stärker auf eine Reduzierung der Staatsausgaben abzielt.

Bei der Ausgabenquote gab es in Summe nur ungünstige Faktoren: Zu den Kosten der zahlreichen Maßnahmen gesellten sich der Inflationsschock, eine alternde Bevölkerung und die schwache Wirtschaftsentwicklung.

Bei den Einnahmen konnten wir uns in den vergangenen Jahren noch auf ein paar günstige Effekte verlassen (Stichwort „Zufallseinnahmen“). Diese werden jedoch in den kommenden Jahren wahrscheinlich zurückgehen. Dies würde den Konsolidierungsbedarf noch weiter erhöhen…und damit ist beim Budget noch lange kein weißer Rauch in Sicht.
 

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.