US-Importzölle: Welche Wirtschaftsbereiche Österreichs sind besonders davon betroffen?
07.05.2025Martin Schneider, Richard Sellner
Donald Trumps Zollpolitik bringt ein hohes Maß an Unsicherheit in ein global vernetztes Wirtschaftssystem. In diesem Blog-Beitrag schätzen wir die Auswirkungen dieser Zölle auf die Wirtschaftsbereiche Österreichs ab. Besonders betroffen sind die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen mit Produktionsrückgängen von 1,6 %, die Metallerzeugung und -bearbeitung (–1,5 %) und der sonstige Fahrzeugbau (–1,3 %). Der Effekt auf die Gesamtwirtschaft erscheint mit –0,3 % jedoch verkraftbar. Sollte die Ausnahme für pharmazeutische Produkte fallen, dann wäre diese Branche am stärksten betroffen (–3,6 %).
Seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump zahlreiche neue Importzölle verhängt bzw. bestehende Zölle erhöht. Viele davon betreffen wichtige Exportprodukte der EU bzw. Österreichs. So heben die USA seit Anfang März 25 % Zoll für Stahl, Aluminium und einige darauf basierende Produkte ein. Dasselbe gilt für Autos bzw. einzelne Fahrzeugteile seit Anfang April bzw. Mai. Am 2. April holte der US-Präsident dann zu einem Rundumschlag aus. Er belegte die für die USA wichtigsten Handelspartner mit einem Zoll von zwischen 10 % und 50 %. Ausgenommen waren dabei nur Kanada und Mexiko sowie kritische Produkte wie Kupfer, Halbleiter, Energieträger und pharmazeutische Produkte.
China revanchierte sich auf den für ihre Produkte auferlegten Zoll von 34 % und stieg damit aktiv in den Handelskrieg mit den USA ein. Laut dem laufenden Zollmonitor des Peterson Institute for International Economics lag der US-Zollsatz für chinesische Waren am 11. April im Durchschnitt bereits bei 147,6 %.
Am 9. April ruderte Präsident Trump angesichts der Verwerfungen auf den Finanzmärkten teilweise zurück und setzte die Zollanhebung für Importe aus der EU von 10 % auf 20 % für 90 Tage aus. Gleichzeitig erhöhte er die Zölle für China von 104 % auf 145 %. China erhöhte daraufhin wieder seine Zölle für Importe aus den USA. In weiterer Folge wurden bestimmte Produkte wieder von den Zollerhöhungen ausgenommen (vor allem Smartphones). Es ist jedoch mit weiteren Zöllen auf bisher noch ausgenommene Produkte wie pharmazeutische Erzeugnisse, seltene Erden oder Meeresfrüchte zu rechnen. Bei diesen Produkten wird derzeit geprüft, ob die Importabhängigkeit der USA eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ darstellt. In diesem Beitrag beschränken wir uns auf die bis zum 18. April veröffentlichten Zollmaßnahmen. Zusätzlich nehmen wir an, dass die Ausnahme für pharmazeutischen Produkte fallen wird.1
Welche österreichischen Produkte sind am stärksten von Zöllen betroffen?
Im Jahr 2023 gingen 8,7 % aller Güterexporte Österreichs in die USA, womit sie nach Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt Österreichs sind. Für die USA fallen die Importe aus Österreich hingegen kaum ins Gewicht (Anteil: 0,6 %). Lediglich bei Waffen und Munition weist Österreich mit etwa 9 % einen hohen Anteil an den US-Importen auf. Etwa ein Viertel der Warenexporte Österreichs in die USA entfallen auf Fahrzeugkomponenten (Motoren) bzw. andere mechanische Maschinen. Die pharmazeutischen Produkte machen mit einem Fünftel aller Exporte die zweitgrößte Gruppe aus, gefolgt von Kraftfahrzeugen und Motorrädern. Die stärksten Zollerhöhungen gibt es für Waren aus Eisen und Stahl (+25 Prozentpunkte) sowie Kraftfahrzeuge (+24 Prozentpunkte). Im Durchschnitt über alle Gütergruppen beträgt die Zollerhöhung knapp 20 Prozentpunkte.
Produktgruppe (HS3 2-Steller) | |||||
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bis Juni 2025 | ab Juli 2025 | AT-Güterexporte (2024) in %) |
US-Güterimporte (2024) in % |
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Motoren, mechanische Maschinen, ... (84) | 10,2 | 18,8 | 25,3 | 1,0 | |
Pharmazeutische Produkte (30) | 0,1 | 20,0 | 19,0 | 1,9 | |
Kfz und Motorräder (87) | 22,0 | 24,0 | 15,0 | 0,7 | |
Elektrische Maschinen (85) | 8,1 | 15,2 | 8,9 | 0,4 | |
Waren aus Eisen und Stahl (73) | 24,9 | 25,0 | 4,1 | 1,4 | |
Präzisionsgeräte (optische, medizinische), ... (90) | 10,9 | 20,3 | 4,1 | 0,6 | |
Alkoholhaltige Getränke (22) | 10,0 | 20,0 | 2,3 | 1,4 | |
Kunststoffe und Waren daraus (39) | 6,8 | 13,6 | 2,2 | 0,5 | |
Waffen und Munition (93) | 10,0 | 20,0 | 2,1 | 8,8 | |
Eisen und Stahl (72) | 23,4 | 24,5 | 1,8 | 1,0 | |
Alle Waren | 10,9 | 19,8 | 8,5 | 0,6 | |
Quelle: OeNB Berechnungen basierend auf BACI (2023), HTSUS, White House. |
Was bedeuten diese Zollerhöhungen für die Wertschöpfung einzelner Wirtschaftsbereiche Österreich?
Die Zölle erhöhen den Preis von importierten Waren in den USA und senken damit die Nachfrage nach diesen Gütern. Der Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Zollsatzes und dem Rückgang der Nachfrage wird durch Zollelastizitäten beschrieben. Diese geben je Gut an, um wie viel Prozent die Nachfrage fällt, wenn der Zollsatz für das Gut um 1 Prozentpunkt steigt. Mit Zollelastizitäten aus der Fachliteratur (s. Downloadbereich) und den Zollerhöhungen des US-Zollverzeichnisses berechnen wir den direkten Exportrückgang jeder Produktgruppe für jedes Land.
Dieser direkte Nachfragerückgang ist aber nur ein Teil der gesamten wirtschaftlichen Auswirkungen der Zölle. Sinkt beispielsweise die US-Nachfrage nach deutschen Autos, dann sinken auch die Aufträge der österreichischen Autozulieferindustrie. Um diese nationalen und internationalen Produktionsverflechtungen abzubilden, verwenden wir ein globales Input-Output-Modell. Die gesamten Effekte auf Österreichs Wirtschaftsbereiche ergeben sich dann aus dem Rückgang der Exporte in die USA und dem Rückgang der Exporte österreichischer Zulieferer in andere betroffene Länder.
Wir haben die Effekte der Zölle für zwei Zeiträume berechnet: 1) Von April bis Juni gilt noch eine geringere Zollerhöhung von 10 % für die meisten Waren aus der EU. 2) Ab dem Juli 2025 steigt der Zoll um 20 %, und wir nehmen an, dass die Ausnahme für pharmazeutische Produkte fällt. Die blauen Balken in der untenstehenden Grafik zeigen die Effekte für die zehn am stärksten betroffenen Branchen und die Gesamtwirtschaft. Für die ersten drei Monate sinkt die gesamte Wertschöpfung durch die Zollerhöhungen um 0,2 %. Mit den zusätzlichen ab Juli in Kraft tretenden Zollerhöhungen ist ein Rückgang um insgesamt 0,3 % zu erwarten. Für das Gesamtjahr 2025 beträgt der Effekt –0,2 %.2 Unsere Ergebnisse liegen damit im Bereich bereits bestehender Schätzungen von IHS mit –0,2 % und WIFO –0,35 % (s. IHS, WIFO: US-Zölle bremsen Wachstum in Österreich). Am stärksten betroffen sind nach unseren Berechnungen die Herstellung von pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen mit Produktions- und Wertschöpfungsrückgängen um 3,6 %, die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (‑1,6 %), die Metallerzeugung und -bearbeitung (–1,5 %) und der sonstige Fahrzeugbau (–1,2 %).

In der empirischen Literatur zeigt sich, dass die Rückgang der Importe bei einem Zollanstieg im Zeitablauf typischerweise zunimmt. Betroffene Unternehmen können vertraglich an Lieferbeziehungen oder Produktionsstandorte gebunden sein oder benötigen Zeit, um ihre Lieferketten neu auszurichten. Langfristig können das Ausweichen auf alternative Bezugsquellen oder Produktionsverlagerungen die Reaktion erhöhen.
Wie sind diese Ergebnisse einzuordnen?
Die von uns gebrachten Ergebnisse unterliegen einigen Einschränkungen. Die dargestellten Wertschöpfungsverluste könnten gedämpft werden, wenn Österreich seine Exporte in neue Märkte umlenken kann. Da die USA der zweitwichtigste Handelspartner Österreichs sind, dürfte das kurzfristig herausfordernd sein. Als kaufkräftiges, hochentwickeltes Land fragen die USA komplexe und hochpreisige Waren aus Österreich nach. Es gilt also einen großen kaufkräftigen Markt zu ersetzen. Über eine stärkere Handelsintegration mit dem lateinamerikanischen oder pazifischen Raum könnte das mittelfristig gelingen.
Insgesamt erwarten wir aber, dass die hier dargestellten Ergebnisse als Untergrenze zu sehen sind, da einige dämpfende Wirkungskanäle nicht berücksichtigt werden konnten:
- Die Zollpolitik hat die Unsicherheit massiv erhöht und dadurch das Vertrauen von Investoren und Konsument:innen gesenkt. Das könnte zu Investitions- und Konsumzurückhaltung führen.
- Der Ausfall der US-Nachfrage kann für einzelne Unternehmen existenzgefährdend sein und im Fall von Insolvenzen zu noch höheren Wertschöpfungsverlusten führen.
- Chinesische Produzenten werden aufgrund der hohen Zölle neue Märkte suchen. Eine wachsende Importkonkurrenz könnte die heimische Industrie weiter unter Druck setzen.
- Unternehmen könnten sich dazu entschließen, die Produktion in die USA zu verlagern, um den Zöllen zu entgehen. Die Verlagerung von Industrien aus dem Ausland in die USA ist eines der erklärten Ziele von Donald Trumps Handelspolitik.
Einige dieser negativen Wirkungskanäle können durch handels- und wirtschaftspolitische Maßnahmen seitens der EU und Österreichs abgemildert werden. Sollten chinesische Waren zu Dumpingpreisen Richtung EU umgeleitet werden, kann die EU innerhalb des WTO-Regelwerks für den Welthandel dagegen vorgehen. Einer großflächigen Abwanderung der Industrieproduktion in die USA kann mit einer Attraktivierung des eigenen Standorts begegnet werden. Der Draghi-Report enthält viele nützliche Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Insgesamt zeigen unsere Berechnungen, dass aufgrund der US-Zollpolitik in ihrer derzeitigen Form keine Panik angesagt ist. Die Zölle fallen jedoch unglücklicherweise in eine konjunkturell schwache Phase Österreichs. Wie unsere eigenen Berechnungen bzw. jene von anderen Instituten zeigen, sind die Auswirkungen der Zölle für Österreichs Wirtschaft aber verkraftbar. Dennoch gilt es, die Zeichen der Zeitenwende wahrzunehmen und auf die geänderte Außen- und Handelspolitik der USA zu reagieren. Handelspolitisch wäre dabei eine stärkere Diversifizierung zu bzw. Integration mit Wirtschaftsräumen wichtig, die sich – wie die EU – ebenfalls noch an die Regeln des Handels halten wollen.
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1) Der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) ermächtigt den US-Präsidenten im Fall eines nationalen Notstands, Maßnahmen gegen Bedrohungen der nationalen Sicherheit der USA zu ergreifen. Dazu zählt auch die Einhebung von Zöllen. Der US-Handelsminister leitete am 14. April eine Untersuchung ein, um die Auswirkungen der Einfuhr von Arzneimitteln und pharmazeutischen Inhaltsstoffen auf die nationale Sicherheit zu ermitteln.
2) In den Monaten Jänner bis März gab es keine für Österreich relevanten Zollerhöhungen. Für die Monate April bis Juni berechnen wir die Effekte auf Basis der 90-tägigen Aussetzung der Anhebung der Zölle für Importe aus der EU. Die wichtigsten Ausnahmen von den allgemeinen Zöllen betreffen Aluminium, Stahl und Fahrzeuge (25 %) und pharmazeutische Erzeugnisse (derzeit noch keine Zölle). Ab Juli gelten die auf 20 % erhöhten Zölle für EU-Importe.
Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.