Was eine Umsatzsteuer-Senkung für den täglichen Einkauf bedeutet
(09.10.2025)Die Diskussion um die hohen Lebensmittelpreise in Österreich nimmt weiter Fahrt auf. Zuletzt hat vor allem das (etwas sperrige) Thema „territoriale Lieferbeschränkungen“ die Medien dominiert. Nun wird ein zweiter Ansatzpunkt wieder heiß diskutiert: eine Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel. Gute Idee? Wir rechnen nach.
Lebensmittel sind in Österreich aktuell mit einem Steuersatz von 10 % belegt – deutlich weniger als der reguläre Satz von 20 %, den wir auf andere teilweise ebenso lebenswichtige Dinge bezahlen. Im Vergleich zu anderen Ländern bewegen wir uns bei Lebensmitteln im Mittelfeld: In Malta sind bestimmte Lebensmittel gleich ganz von der Steuer befreit, während Dänemark oder Estland keine Steuerermäßigung auf Nahrungsmittel gewähren. Unsere großen Nachbarn Deutschland und Italien schlagen mit 7 % bzw. 4 % bis 10 % auch etwas weniger auf den Preis auf. Viele EU-Mitgliedstaaten wenden reduzierte Umsatzsteuersätze auf Grundnahrungsmittel an, wobei die Definition hier oft schwierig ist.
Eine Senkung der Umsatzsteuer auf Nahrungsmittel von derzeit 10 % auf 5 % könnte spürbare Auswirkungen auf die Preise und auch einmalig auf die Inflationsrate haben. Unseren Berechnungen zufolge würde eine solche Maßnahme die Inflation einmalig um 0,5 Prozentpunkte senken – vorausgesetzt, die Steuerersparnis wird vollständig an die Konsument:innen weitergegeben.
Klingt gut, wäre da nicht das Problem mit dem Budget. Dort klafft aktuell ein großes Loch und eine Halbierung des Steuersatzes auf Lebensmittel kostet: 1,2 Mrd EUR oder 0,2 % der Wirtschaftsleistung. Es braucht also eine Gegenfinanzierung, und auch die wird bereits diskutiert: eine niedrigere Steuer auf Lebensmittel dafür eine etwas höhere Steuer auf alle anderen Einkäufe.
Damit sich das im Budget ausgeht, muss der reguläre Steuersatz von 20 % auf 21 % steigen (ganz genau, aber weniger praktikabel: auf 20,7 %). Sinkt also die Umsatzsteuer bei Lebensmitteln auf 5 % und steigt der reguläre Satz auf 21 % bedeutet das drei Dinge:
- Die Inflation bleibt gleich: Lebensmittel werden günstiger und das senkt die Inflation – einmalig um 0,5 Prozentpunkte. Gleichzeitig treibt der höhere Steuersatz auf andere Einkäufe die Inflation wieder an – um fast den gleichen Wert. Bottom line: Der Einkauf im Supermarkt wird günstiger, der beim Möbelhaus teurer.
- Der Finanzminister darf sich über ein kleines Körberlgeld freuen: Die Differenz zwischen dem budget-neutralen Satz von 20,7 % und dem runden Satz von 21 % spült etwa 150 Mio EUR in die leeren Kassen.
- Nicht alle Haushalte sind gleich betroffen: Ärmere Haushalte geben deutlich mehr ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Sie profitieren von dem ermäßigten Satz besonders. Reiche Haushalte konsumieren verstärkt Produkte, die dem Regelsteuersatz unterliegen und zahlen dadurch etwas mehr ein. In Summe sind diese Verteilungseffekte allerdings eher gering: Im zweiten Dezil der Einkommensverteilung bei privaten Haushalten (diese Gruppe verdient weniger als 80 % der Bevölkerung, aber mehr als die ärmsten 10 %) ergibt sich eine Ersparnis von knapp 50 EUR pro Jahr.
Soweit die Theorie, doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail – etwa wenn der Lebensmittelhandel die Umsatzsteuer-Senkung gar nicht voll weitergibt. Dann steigt nämlich die Inflation trotzdem. Zudem weiß man nicht, wie die Haushalte auf die Steueränderung reagieren: Die wirtschaftliche Unsicherheit führt aktuell bereits dazu, dass Haushalte bei Konsum-Entscheidungen zurückhaltend sind. Ein höherer Steuersatz könnte dieses Problem noch verschärfen.
Unser Fazit: Für ärmere Haushalte wird der tägliche Einkauf zwar günstiger, aber andere Produkte wie Kleidung oder Hygiene-Artikel werden auch für sie teurer. Umgekehrt profitieren auch reiche Haushalte von den günstigeren Lebensmitteln. Diese Umsatzsteueränderung wäre daher eine Reform mit der Gießkanne.
Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.