Warum die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung noch einmal überarbeitet werden sollte

(06.11.2025)

Wolfgang Pointner

Im Europäischen Parlament fiel am 22. Oktober 2025 ein Antrag zu weitreichenden Verwaltungsvereinfachungen unter anderem im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung (das so genannte Omnibus-Paket) durch. Warum dieser Antrag die Arbeit der OeNB berührt und welche Änderungen in den anstehenden Nachverhandlungen besser noch einmal erwogen werden sollten, erklärt dieser Blog-Beitrag.

Der Klimawandel verursacht Risiken für die Preisstabilität und die Finanzstabilität und berührt daher den gesetzlichen Auftrag der OeNB. Um die Relevanz dieser Risiken abschätzen und sie gegebenenfalls auch managen zu können, benötigen Behörden und Banken Informationen darüber, wie stark Unternehmen diesen Risiken ausgesetzt sind. Vom Klimawandel ausgehende Risiken müssen bei Finanzierungsentscheidungen berücksichtigt werden, Firmen sollen vorhandene Klimarisiken entlang der Wertschöpfungskette erkennen können. Nach der Devise „you cannot manage what you do not measure“ ist die Identifikation dieser Risiken essenziell für das Risikomanagement. Notenbanken und Finanzmarktaufsichtsbehörden beklagen schon länger den Mangel an verfügbaren Daten über Nachhaltigkeitsrisiken, die unzureichende Qualität der Daten und ihre eingeschränkte Vergleichbarkeit.

Es ist wichtig, dass die vom Klimawandel ausgehenden Risiken nach einheitlichen Standards gemessen werden. Marktbasierte Lösungen können nur dann zur Verringerung der Klimarisiken beitragen, wenn den Marktteilnehmer:innen vergleichbare und gesicherte Informationen vorliegen. Die betroffenen Unternehmen kennen oft ihre Risiken, teilen diese Informationen aber nicht mit anderen. Das daraus resultierende Problem der asymmetrischen Information kann zu Marktversagen führen. Um allen Marktteilnehmer:innen die relevanten Informationen zugänglich zu machen, wurden mit der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) neue Regeln in der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Diese sollen durch einheitliche Berichtsstandards und eine Ausweitung der Berichtspflicht auf mehr Unternehmen die Transparenz im Markt erhöhen. In der CSRD sind alle Nachhaltigkeitsrisiken erfasst, nicht nur jene, die vom Klimawandel ausgehen.

Die derzeit vorliegenden Informationen zur Identifikation und Messung von Nachhaltigkeitsrisiken sind mangelhaft und müssen verbessert werden. Die EBA (Europäische Bankenbehörde) veröffentlichte im Februar 2025 einen Bericht über die Verfügbarkeit von Informationen über Nachhaltigkeitsrisiken. Darin wird gezeigt, dass solche Informationen derzeit nur sehr eingeschränkt vorliegen. Einige Marktteilnehmer:innen versuchen, diese Datenmängel zu beheben, indem sie Informationen und Risikoeinschätzungen von externen Datenanbieter:innen zukaufen. Diese Informationen sind oft nicht miteinander vergleichbar und leiden unter mangelnder Transparenz. Für viele Banken und Firmen sind diese Informationen und die ihnen zugrunde liegenden Modelle eine Blackbox, die sie nicht nachvollziehen können. Die EBA setzte daher hohe Erwartungen in eine rasche Umsetzung der CSRD.

Im Februar 2025 schlug die Europäische Kommission im so genannten Omnibus-Paket vor, EU-Rechtsvorschriften zu vereinfachen, um Verwaltungskosten und Berichtspflichten für Unternehmen in der EU zu verringern. Durch diese Vereinfachung würde sich der Umfang der Daten, die im Rahmen der CSRD veröffentlicht werden müssen, deutlich verringern, was allgemein begrüßt wird. Allerdings würde durch das Omnibus-Paket auch der Anwendungsbereich der CSRD reduziert, sodass nur sehr große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 50 Mio EUR davon erfasst wären. Damit würde die Anzahl der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen, um 80 % verringert. Derzeit müssen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gemäß der 2014 beschlossenen Non-Financial Reporting Directive (NFRD) über bestimmte Nachhaltigkeitsrisiken berichten; das Omnibus-Paket würde hier einen Rückschritt in der Datenverfügbarkeit bedeuten.

Die Einschränkung auf wenige, besonders große Unternehmen würde zu einer Untererfassung relevanter Risiken führen: So müssten in Österreich durch die hohen Schwellenwerte Zementunternehmen, die erheblich zu den Treibhausgasemissionen beitragen, nicht mehr berichten, Krankenanstalten und die Caritas aber schon. Eine Umsetzung des Omnibus-Pakets in dieser Form würde bewirken, dass wesentliche Ziele der CSRD wie die Erhöhung der Transparenz und die bessere Vergleichbarkeit relevanter Daten nicht erreicht werden. In Staaten wie Österreich würden nur ein paar Dutzend Firmen Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen, was nur wenig über die Risiken im gesamten Markt aussagt. Firmen, die bereits Investitionen für weiter gehende Nachhaltigkeitsberichte getätigt haben (etwa gemäß NFRD), müssten diese wieder abschreiben. Diese Hü-Hott-Politik, wie wir sie derzeit auch bei Zöllen erleben, ist dem Investor:innenvertrauen eher abträglich.

Am 13. Oktober 2025 wurde im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments (EP) ein umstrittener Vorschlag der konservativen EVP angenommen, wonach nur mehr Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von über 450 Mio EUR zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein sollten. Dem Kommissionsvorschlag von 50 Mio EUR Nettoumsatz hätten in Österreich noch über 2.000 Unternehmen entsprochen, über 450 Mio EUR erzielen nur weniger als 300. Bei der Abstimmung im Plenum des EP am 22. Oktober erhielt dieser Antrag allerdings keine Mehrheit, weswegen Mitte November auf einem Mini-Plenum ein neuer Kompromiss abgestimmt werden soll. Sollten bei den anstehenden Nachverhandlungen auch Änderungsanträge von Parteien, die den Klimawandel leugnen, berücksichtigt werden, droht eine weitere Verschlechterung der Verfügbarkeit von Informationen über Nachhaltigkeitsrisiken. Die Transparenz auf den Märkten und die Vergleichbarkeit der Daten könnten dadurch sogar noch hinter das bereits erreichte Niveau zurückfallen.

Notenbanken und Aufsichtsbehörden, aber auch Banken, Versicherungen und andere Finanzintermediäre benötigen verlässliche Informationen über die auf dem Markt vorhandenen Nachhaltigkeitsrisiken. Daher wäre es sinnvoll, den Anwendungsbereich weniger einzuschränken und für mittelgroße Unternehmen einfachere Standards anzuwenden, damit diese weniger Daten melden müssen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Mai 2025 eine Initiative Opinion veröffentlicht, die sich am Prinzip der Verhältnismäßigkeit des Berichtsaufwands nach Betriebsgröße orientiert. Sie schlägt vor, für Unternehmen mit 500 bis 1.000 Beschäftigten die Berichtspflicht beizubehalten. Die Berichte, die diese Unternehmen veröffentlichen müssen, sollen jedoch einfacheren Standards genügen als jene Berichte von Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten sollen freiwillige Berichte über ihre Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlichen. Auf Basis dieser Daten könnten Aufsichtsbehörden die vorhandenen Nachhaltigkeitsrisiken besser einschätzen und Märkte diese Risiken auch angemessen bepreisen. Die höhere Markttransparenz würde die Anpassung von Unternehmen an den Klimawandel erleichtern und die Resilienz des Finanzsystems gegen Nachhaltigkeitsrisiken stärken. Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament, die noch heuer das Omnibus-Paket beschließen wollen, sollten dabei besser die Vorschläge der EZB berücksichtigen.  

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.