Hohe Inflation: Die Indexierungen sind es nicht (allein)

05.09.2025

Mathias Moser, Doris Prammer, Alfred Stiglbauer

Wir untersuchen, ob automatische Preisbindungen (Indexierungen) eine Preisspirale auslösen können und für die anhaltend hohe Inflation verantwortlich sind. In Österreich sind (nur) 13 % der Konsumausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes indexiert und passen sich damit automatisch an. Das löst nach einem Inflationsschock zwar preistreibende Zweitrundeneffekte aus, diese verflüchtigen sich aber im Zeitablauf rasch. Übrig bleiben höhere Preise, aber keine langfristigen Inflationsauswirkungen. Das gilt auch, wenn wir die Folgeeffekte von höheren Preisen – steigende Löhne – mitbetrachten. Allerdings kommt es dann zu deutlich stärkeren Zweitrundeneffekten.

Was ist Indexierung überhaupt?
Indexierung bezeichnet die automatische Anpassung von Zahlungen oder Preisen an einen festgelegten Referenzwert, meist den Verbraucherpreisindex (VPI). In Österreich sind viele Verträge – etwa für Miete, Internet oder Versicherungen – mit solchen Klauseln ausgestattet. Steigt die Inflation, steigen auch die Kosten für diese Leistungen automatisch. Dadurch wird ein Teil der Preisentwicklung direkt, mit einer zeitlichen Verzögerung (meist ein Jahr) an die Verbraucher:innen weitergegeben.

13 % der Haushaltsausgaben sind indexiert – wo tritt Indexierung konkret auf?
Wir haben nachgerechnet: Nur etwa 13 % der Konsumausgaben eines durchschnittlichen Haushalts in Österreich unterliegen einer automatischen Preisanpassung. Das bedeutet, dass sich nur ein kleiner Teil der Preise regelmäßig und direkt an die Inflation anpasst – etwa durch Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen. Konkret haben wir den VPI-Warenkorb, der die durchschnittlichen Ausgaben der Österreicher:innen abbildet, analysiert und festgestellt, dass Indexierungen vor allem in folgenden Bereichen vorliegen:

  • Mieten: Mit einem Anteil an den gesamten Ausgaben von etwa 5 Prozentpunkten
  • Versicherungen (Wohnung, Gesundheit, Auto) mit einem Anteil von ca. 3,8 Prozentpunkten
  • Wohnbetriebskosten mit einem Anteil von ca. 1,3 Prozentpunkten
  • Weitere (häufig) indexierte Ausgaben: Gebühren für öffentliche Leistungen wie Müllabfuhr, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung sowie Handy- und Internetverträge

Wie ist das bei den Löhnen?
Um abzuschätzen, ob diese automatischen Anpassungen die Inflation länger hochhalten, müssen wir noch einen zweiten Effekt berücksichtigen: die Löhne. In Österreich kann man zusätzlich von einer „De-facto-Indexierung“ der kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter sprechen. Diese werden in den Kollektivvertragsverhandlungen anhand der sogenannten Benya-Formel verhandelt, die eine Anpassung der Löhne an die rollierende Inflation (genauer: die durchschnittliche Inflation über die letzten zwölf Monate) plus Anstieg der Arbeitsproduktivität (in Prozent) anstrebt. Auch wenn es bei einzelnen Kollektivverträgen oft erhebliche Abweichungen von dieser Formel gibt, ist gesamtwirtschaftlich der Zusammenhang zwischen vergangener Inflation und Tariflohnentwicklung deutlich erkennbar. Steigen also beispielsweise die Preise durch Indexierungen, steigen auch die Löhne mit etwas Verzögerung.

Was passiert bei einem Inflationsschock?
In einem vereinfachten Modell simulieren wir einen unerwarteten Preisanstieg von 1 % – etwa durch Probleme bei internationalen Lieferketten. Im ersten Jahr steigen die Preise um diesen Betrag. Im Folgejahr greifen zwei Mechanismen:

  1. Indexierte Preise steigen mit Verzögerung.
  2. Löhne werden auf Basis des höheren Preisniveaus neu verhandelt.

Das Ergebnis: Die Preise steigen im zweiten Jahr um weitere 0,4 %, – das heißt, der zusätzliche Effekt auf die Inflationsrate beträgt 0,4 Prozentpunkte. Im dritten Jahr steigen die Preise um 0,16 % – die zusätzliche Inflation beträgt also 0,16 Prozentpunkte. Danach flacht der Effekt deutlich ab. Nach vier Jahren liegt das Preisniveau um 1,7 % höher – also 0,7 Prozentpunkte mehr als der ursprüngliche Schock. Der zusätzliche Inflationseffekt ist ab diesem Zeitpunkt praktisch null. Damit steigt auch das Preisniveau aufgrund dieser Zweitrundeneffekte nicht mehr. Etwa ein Drittel dieser Erhöhungen entfallen auf Indexierungen, zwei Drittel auf quasi-automatische Lohnerhöhungen. Dabei wurde angenommen, dass die Lohnerhöhungen zu 100 % auf die Preise aufgeschlagen werden. Wird nur die Hälfte des Inflationsschocks auf die Löhne übertragen, liegt der Gesamteffekt nach vier Jahren bei 1,4 %.

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Quelle: OeNB-Details im interaktiven Simulationstool.

Ist die Preisspirale also real?
Nein, denn sie klingt schnell ab. Anstatt einer konventionellen Spirale sehen wir eher eine trichterförmige „Spirale“: Der Anfangseffekt ist groß wie am oberen Rand eines Trichters, aber er verringert sich rasch nach unten hin. Nach drei Jahren liegt der zusätzliche Preisanstieg (also die zusätzliche Inflation) bereits bei unter 0,1 %.

Fazit: Indexierung ist nicht der Haupttreiber der Inflation, trägt aber zu deren Dauerhaftigkeit bei
Automatische Preisbindungen und Lohnanpassungen sind nicht die Ursache für anhaltend hohe Inflation, können aber deren Rückgang verzögern. Allerdings wirkt sich ein Inflationsschock auf das Preisniveau aus: Die Preise sind permanent höher – in unserer Simulation nach vier Jahren um 1,7 %, also 0,7 % höher als der ursprüngliche Anstieg in unserer Simulation. Weitere Szenarien können in unserem interaktiven Tool simuliert werden.

Simulationsergebnisse externer Inflationsschock  
  t+0 t+1 t+2 t+3 t+4 kumuliert
 
Inflationsschock, Prozentpunkte 1%          
Effekt der Preisindexierungen   0,13% 0,05% 0,02% 0,01% 0,21%
Effekt der "de facto" Lohn−Indexierung   0,27% 0,11% 0,04% 0,02% 0,44%
 
Gesamteffekt 1% 0,40% 0,16% 0,06% 0,03% 1,65%
Gesamteffekt (Lohnüberwälzung 50%) 1% 0,26% 0,07% 0,02% 0,00% 1,36%
 

Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.